Zehn

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„Nicht notwendig," sage ich tonlos und noch immer ohne ihn anzusehen. „Ich sage natürlich nichts."
Er schweigt kurz und für einen Moment glaube ich, dass er gegangen ist. Das warme Wasser läuft weiterhin über meine Haare und meinen Rücken.
„Danke," murmelt er kaum hörbar.
Tut mir leid, dass ich so ein Arsch bin.

Abrupt drehe ich mich um, doch er ist bereits gegangen.
„Ja," murmele ich leise. „Mir auch."

„Jaz, was ist los?" fragt Betty mich besorgt und reißt mich aus meinen Gedanken. Vor mir steht ein riesiges, buntes Cocktailglas, doch mir steht irgendwie nicht der Sinn nach Alkohol. Gerade steht mir der Sinn nach gar nichts. Ich möchte mich in meiner Wohnung verkriechen und mir selbst leidtun, weil ich ein hormongesteuerter Trottel bin.

„Nichts," winke ich ab und schlürfe die bittersüße Flüssigkeit durch den Strohhalm.
„Du siehst aber nicht aus wie nichts."
Ich seufze. „Ich bin einfach nur ein Idiot, das ist alles."
Betty lächelt mich an und nimmt meine Hand. „Das weiß ich doch," stimmt sie mir zu. „Aber warum dieses Mal?"
„Haha," sage ich trocken.
„Echt jetzt, Jaz. So habe ich dich lange nicht mehr gesehen. Ist es wegen einem Typen?"

Ich nicke und nehme einen weiteren großen Schluck. Ich habe versprochen nichts zu sagen, aber Betty ist meine beste Freundin und solange ich keine Namen nenne, ist es kein Verraten.
„Es ist kompliziert," seufze ich.
„Ist es das nicht immer?"
Ich lache, doch es klingt nicht echt. „Okay, es gibt da diesen Typen," beginne ich.
„Sieht er gut aus?" fragt Betty aufgeregt.
Entnervt rolle ich mit den Augen. „Er ist praktisch Sex auf Beinen."
„Hmmm," macht meine beste Freundin. „Kenne ich ihn?"
„Willst du die Geschichte jetzt hören?" zicke ich.
„Sorry," sagt sie mit aufgerissenen Augen und hält sich die Hand vor den Mund. „Erzähl' weiter," nuschelt sie dahinter.

„Also, Mr. Sex on Legs kann mich nicht leiden," fahre ich fort.
Betty hebt eine Augenbraue, wie immer, wenn sie in den Ich-verteidige-meinen-besten-Freund-Modus geht. „Aha," macht sie nur.
„Jedenfalls laufen wir uns ständig über den Weg und vielleicht ist es vorgekommen, dass ich ihm einen geblasen habe," nuschele ich.
„Vielleicht?" kreischt Betty. „Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass sein Schwanz dabei in deinem Mund war?"

Ich halte ihr den Mund zu und zische: „Psst!" Sie kichert hinter meiner Hand. „Wie hoch?" fragt sie.
„Hundert Prozent."
„Okay, er hasst dich und du bläst ihm einen," fasst sie zusammen.
„Und dann hat er mir vielleicht noch gedroht, mich kalt zu machen, wenn ich jemandem davon erzähle," gebe ich kleinlaut zu.
Betty reißt entsetzt die Augen auf. „Er ist nicht geoutet?"
Ich schüttele den Kopf.

„Ganz klar, Finger weg," befiehlt sie mir.
„Warte," gehe ich dazwischen. „Es ist noch nicht vorbei."
Ihre Augenbraue wandert wieder hoch. „Nicht?"
„Vielleicht hat er mir einen geblasen."
„Jasper, kannst du das vielleicht mal lassen?" fragt sie genervt.
„Okay. Er hat mir einen geblasen." Mein Glas ist fast leer, stelle ich fest. Nanu?
„Wow," macht Betty. „War es gut?"
Schwärmerisch rolle ich mit meinen Augen.
„So gut, hm?"
„Hinter einem Papiercontainer," füge ich hinzu.
„Du verarschst mich!"
Ich schüttele den Kopf.

Betty lacht laut und herzlich und meine Laune wird immer schlechter.
„Es tut mir leid, Jaz," entschuldigt sie sich atemlos.
„Lach gleich weiter," sage ich sarkastisch. „Wir haben uns wieder getroffen und dabei sind unter Umständen unsere Schwänze in meiner Hand gewesen."
„Unter Umständen vielleicht?" fragt Betty.
Ich nicke. „Und jedes Mal sieht er mich hinterher nicht mal an," flüstere ich gedankenverloren.
„Oh, Jaz," seufzt sie. „Du bist sein schmutziges Geheimnis."

Mein Cocktail ist mittlerweile leer und mein Kopf benebelt. „Ja, aber ich will das nicht mehr," murmele ich frustriert. „Auch, wenn sein Schwanz fantastisch ist."
Betty kichert leise über meine Worte, sieht mich aber mitleidig an. „Du hast was Besseres verdient, Jaz."
Ich seufze und stütze mein Kinn auf meine Hand.
Was tut er hier?

Oh Gott, bitte nicht! Wenn man vom Teufel spricht..
„Hast du Carl noch eingeladen?" frage ich Betty entsetzt.
„Ja, er wollte nach der Arbeit noch auf einen Drink vorbeikommen. Ist das schlimm?"
„Nein," antworte ich langsam. „Alles gut, Cookie. Ich werde dann aber mal nach Hause gehen. Ich hab schon einen sitzen."
„Ach, bleib doch noch, Jaz. Wir bringen dich auf andere-"
Fuck, warum muss er immer so umwerfend aussehen?

Ich presse meine Hände auf meine Ohren und rutsche vom Barhocker. „Nein, ich.. ich muss weg."
„Jaz, du machst mir-" erwidert Betty, doch wird von Carl unterbrochen, der ihr grinsend von hinten die Augen zuhält.
Sofort bin ich vergessen und beide liegen sich knutschend in den Armen.
Hinter Carl erblicke ich Tom, der wie immer ein grimmiges Gesicht macht und überall hinsieht, nur nicht zu mir.

Ohne ein Wort drehe ich mich um und stürme zum Ausgang. Zumindest denke ich das, doch leider sind hier hinten nur die Toiletten. Klar, die beiden kamen gerade von draußen und ich bin betrunken und laufe in die entgegengesetzte Richtung. Super Plan, Blake!
Ich stütze mich auf dem Waschbecken ab und versuche ruhig zu atmen.
Gott sei Dank, er ist noch da!

Verfolgt er mich? Ich sehe nach oben und erblicke ihn im Spiegel hinter mir. „Was willst du?" frage ich. Lalle ich? Scheiße, ich sollte gehen, ich bin wirklich betrunken. Das ist gar nicht gut.
„Warum läufst du gleich weg?" fragt er mich direkt.
Ich wirbele herum und funkele ihn wütend an.
Fuck, du bist so schön, Jasper!

Ich presse mir die Hände auf die Ohren und schreie ihn an: „Lass den Scheiß!"
„Wovon redest du? Ich habe dir nur eine Frage gestellt!" ruft er entsetzt zurück.
„Such dir jemand anderes, der dein dreckiges Geheimnis sein will," fauche ich.
Glaubst du das wirklich?

„Ja!" schreie ich ihn weiter an. „Erst kannst du nicht genug von mir bekommen und dann erträgst du meinen Anblick nicht mal."
Oh, betrunkener Jasper hat keinen Filter. Keine gute Idee! Abbruch! Abbruch!
„Und ich bin so dumm und falle trotzdem auf dich herein," zische ich.
„Du denkst, ich mache das mit Absicht?" fragt er leise.
Ich bin dir komplett verfallen. Ich kann damit nicht umgehen.

„Ist das so? Oder ist das dein Schwanz, der da gerade denkt?" frage ich bitter. „Verpiss' dich einfach, Tom."
Bevor ich mich an ihm vorbeidrücken kann, packt er meine Schultern und drückt mich zurück gegen das Waschbecken.
„Tut mir leid, aber das kann ich nicht, Jasper," haucht er und presst seine Lippen auf meine.

Stimmengewirr | ✓Where stories live. Discover now