Kapitel 40

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06.09.2019 - 01.38 Uhr

„Mit wem hast du eben gesprochen?", fragte Jessica.

Salana trank einen Schluck aus ihrer Teetasse und schmeckte den beruhigenden Lavendel auf ihrer Zunge. Salanas Unterlippe zitterte noch immer von dem Gespräch, das sie eben mit ihrem Bruder geführt hatte. Er wollte einfach nicht einsehen, dass Salana sich sonst nie entschuldigte. War es so schwer, ihre Entschuldigung anzunehmen und wieder nach Hause zu kommen? Sie brauchte ihren Bruder hier.

„Mit niemandem.", antwortete Salana. Sie wusste, dass ihre Mutter keinen Spaß verstehen würde, wenn sie erfuhr, dass Salana mit ihrem Bruder telefoniert hatte.

„Hör auf mich anzulügen!", sagte Jessica, trat in Salanas Zimmer und riss ihre Augen weit auf, sodass es schien, als würden ihre Augäpfel bald aus ihren Höhlen fallen. Jessica wusste ganz genau, dass Salana mit ihrem Sohn telefoniert hatte. Und Shane hatte Salana gegen sie aufgewiegelt, hatte es so aussehen lassen, als wäre sie der Feind. Sie, ihre eigene Mutter!

„Ich- Das war keine Lüge.", stotterte Salana. Sie hatte vor keinem Menschen Angst, selbst vor Johnny's Freunden, die manchmal aus der Ferne so dreckig über sie lachten, fürchtete sie sich nicht. Doch Jessica war so unberechenbar. Niemand hatte sie je so erlebt wie Salana, Shane vielleicht, aber der war schon lange fort, bevor es so schlimm geworden war.

„Ich frage dich nur noch einmal!", forderte Jessica sie auf.

„War Shane am Telefon? Hast du mit ihm gesprochen? Hat er dich dazu überredet, mich anzulügen?"

Jessica packte Salana an ihrem Arm und zwang sie dazu, sie anzusehen.

„Sieh mich an!", sagte sie, ihre Augen sprangen von Salana zu ihrem Handy und dann wieder zurück zu Salana. Ohne zu zögern griff sie sich das Handy ihrer Tochter, öffnete die Anrufliste und entdeckte am oberen Absatz Shane.

„Was wollte er? Sag es mir, Sally, na los."

Salana atmete durch und schloss die Augen. Es kam nicht oft vor, dass Jessica so ausrastete, nur wenn sie das Gefühl hatte, jemand pfuschte in ihrem Spiel herum. Sie war der Kartengeber, kontrollierte genau, wer welche Karten und welche Rollen erhielt. Wenn jemand sich einmischte und die Karten anders verteilte, dann kam sie damit nicht klar. Dann brannte eine Sicherung bei ihr durch, die das ganze Kartenhaus in Flammen setzte.

Dieses Mal, dieses eine Mal, entschied Salana sich dazu, selbst die Spielregeln zu ändern und die Karten neu zu mischen.

„Du willst wissen, warum ich angerufen habe?", fragte Salana und wurde lauter. Jessica kniff die Augen zusammen, aus Überraschung, aber zu einem kleinen Teil auch aus Wut, dass Salana überhaupt so das Wort gegen sie erhob.

„Weil ich es weiß, Mum!"

Salana schlug ihr Tagebuch auf und holte ein kleines Kärtchen hervor, auf dem eine Adresse in Birmingham stand. Die Adresse ihres Vaters. Ihres leiblichen Vaters.

„Ich weiß, warum du Shane die ganze Zeit so beschissen behandelt hast. Ich war bei Grey Johnson und ich war bei Dad! Du wolltest immer, was Eleanor hat, einen gut bezahlten Job, einen liebevollen Ehemann und eine Tochter und als du das alles nicht haben konntest, hast du zu anderen Mitteln gegriffen. Und weißt du was?"

Salana war aufgestanden und ihrer Mutter gefährlich nahe gekommen.

„Das ist widerlich."

Salana flüsterte nur, aber Jessica hörte ihre Worte mehr als deutlich.

„Ich gehe jetzt duschen und wenn du morgen aufwachst, werde ich nicht mehr da sein. Ich kann mit jemandem wie dir nicht mehr unter einem Dach leben. Und jetzt geh bitte, ich will dich nicht mehr sehen, denn jedes Mal, wenn ich dich anblicke, sehe ich dieses Netz aus Lügen, in der du dich verfangen hast."

lavendertea [beendet]Where stories live. Discover now