Kapitel 35

86 20 10
                                    

„Jo, da ist Fynn. Willst du mitfahren?"

Johnny nickte, sprach aber kein Wort. Der Abend hatte wohl selbst ihm die Sprache verschlagen. Das war aber auch kein Wunder bei allem, was er heute so an den Kopf geknallt bekommen hatte - sowohl verbal als auch physisch.

Leeroy schlug bei Shane ein und nahm mich zum Abschied in die Arme.

„Danke, Mara.", flüsterte er mir ins Ohr. Ich schüttelte gleich den Kopf; es gab nichts, wofür er sich bedanken sollte, denn das würde bedeuten, dass das Verhalten der Polizisten in irgendeiner Weise gerechtfertigt wäre.

Das war es aber nicht.

„Wir sehen uns. Schlaft gut."

Mit einem kurzen Winken zu Fynn, der im Auto saß und Leeroy und Johnny einlud, verabschiedete ich mich auch von ihm. Es musste mittlerweile halb Zwei in der Nacht sein und vereinzelt hörte man im Hintergrund immer noch Feuerwerkskörper, die sausend in die Luft stiegen und sich mit einem Knall in kleine Farbkristalle splitterten. Je später es wurde, desto weniger Feuerwerk stieg in die Luft, bis nur noch stinkende Böller hochgingen, die die Straßen verrauchten und mir kaum Luft zum Atmen ließen.

„Wir sind also wieder am
Anfang."

Mit einem Seufzen strich Shane sich die Strähnen aus der Stirn.

„Sieht ganz so aus.", antwortete ich und stemmte die Fäuste gegen mein Kinn. Morgen früh würde ich wahrscheinlich mit einer Blasenentzündung aufwachen, weil ich in Kleid, Feinstrumpfhose und Mantel auf der verschneiten Treppe saß, aber jetzt gerade war mir warm. Der ganze Stress hatte meinen Kopf erhitzt und ich war froh, dass noch keine Sicherung durchgebrannt war bei den Temperaturen, auf die mein Kopf beim Arbeiten anstieg.

„Shane?", traute ich mich endlich zu sagen. Ich wollte es schon den ganzen Abend lang ansprechen, aber ich war einfach nicht dazu gekommen. Immer wieder kam etwas dazwischen und wenn ich es jetzt nicht sagte, dann würde ich es vielleicht nie tun.

„Es tut mir leid. Ich hätte mit dir reden sollen, anstatt Anschuldigungen zu stellen und du hattest recht, als du vorhin gesagt hast, ich wäre nicht besser."

Ich blickte zu ihm, Shane zu mir. Jedes Mal, wenn er mich so ansah, brachte das mein Herz zum Klopfen. Jetzt gerade spannte er es auf die Folter. Ich wollte doch nur, dass er mir vergab.

Er atmete tief ein. „Ich weiß, dass es dir leid tut, aber du kannst es nicht mehr zurücknehmen."

„Aber so denke ich ja nicht wirklich über dich! Ich war verletzt und ich habe mit aller Feuerkraft gegen dich geschossen, ich habe einfach das gesagt, was dich am meisten verletzen konnte...Aber das bedeutet nicht, dass ich es ernst gemeint habe."

Shane sah weg, brachte die Kälte zurück in mein Herz, genau dort hin, wo sein Blick mich eben noch erwärmt hatte. Ich hob vorsichtig meine Hand, um ihn an seinem Arm zu berühren und ihn dazu zu bringen, mich wieder anzusehen, doch er zog ihn unter meinen Fingerspitzen weg und hinterließ nichts als ein kaltes, leeres Kribbeln in meinen Fingerkuppen. Erst mit einigen Schritten Entfernung wagte er wieder einen Blick in meine Augen.

„Das solltest du lassen, Mara. Du machst es nur noch schlimmer."

Noch schlimmer? Wie konnte ich denn irgendetwas noch schlimmer machen? Sally war tot, ihr mutmaßlicher Mörder lief frei herum und Shane konnte mir nicht einmal mehr ins Gesicht sehen.

„Was genau soll ich denn bitte noch schlimmer machen?", fragte ich, schloss die Hände zu kleinen Fäusten und biss die Zähne zusammen. Ich war so wütend auf die Welt, weil ich einfach nichts gebacken bekam. Manchmal würde ich mir gerne selbst eine reinhauen.

lavendertea [beendet]Where stories live. Discover now