Kapitel 5

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„Äh, Shane, was gibt's?", fragte ich, trat nach draußen und zog die Tür hinter mir heran.

„Das Notizbuch, du hast es noch.", erklärte er. Sein Fuß wippte ungeduldig auf der Treppe der Veranda und obwohl er zwei Stufen unter mir stand, war er noch immer auf Augenhöhe mit mir.

„Das Notizbuch, ach so...Ja, das, ähm, weißt du, ich gebe es dir einfach morgen wieder."

Im Herausreden war ich schon immer schlecht gewesen, aber ich wollte zumindest noch einmal durchblättern, um sicherzugehen, dass ich keine Informationen übersehen hatte.

Shane ließ sich allerdings nicht einfach so abwimmeln, sondern kam auch noch die letzten beiden Stufen nach oben zu mir.

Plötzlich war er mir so nahe, dass der Geruch von Lavendel mich umhüllte wie eine Wolke und ich das Atmen vergaß.

Seine Nähe machte mich nervös und ich wusste nicht einmal wieso.

„Guter Versuch, aber nicht gut genug.", raunte er an meinem Ohr und stieß die Tür zu meinem Haus auf.

„Nein, halt, wir haben Besuch von-"

Doch da war die Katastrophe bereits angerichtet.

Shane stand mitten im Wohnzimmer, umgeben von meinen verdutzten Eltern und Jessica, die ihre Gabel klirrend zu Boden fallen ließ.

Einige Augenblicke lang herrschte Stille.

Meine Eltern schauten sich bloß fragend an, Jessica wirkte, als hätte sie einen Geist gesehen und Shanes Gesichtsausdruck war so nichtssagend wie meine Mathehausaufgaben, wenn ich sie denn mal erledigte.

Ich wusste nicht, was ich erwartet hatte, aber garantiert nicht, dass Shane mich leicht, aber bestimmt an meiner Schulter vor sich herschob, bis meine Beine auch irgendwann verstanden, dass sie sich bewegen sollten.

Wie in Trance murmelte ich eine Entschuldigung und stieg die Treppen empor, die mir plötzlich vorkamen wie der Mount Everest. Jede Stufe schien ein wenig steiler als die davor und als ich oben ankam, wünschte ich mir, ich hätte mein Handy schon früher gezückt, um die Seiten abzufotografieren.

Schweigend ließ ich mich auf meinem Bett nieder. Die Dielen knarzten, als Shane eintrat und sich umsah. Er war seit Ewigkeiten nicht mehr in meinem Zimmer gewesen und ich verfluchte mich dafür, dass ich seine Gedanken jetzt gern gehört hätte.

Mein Zimmer war nicht besonders mädchenhaft und unordentlich war es noch dazu, weshalb ich jetzt schon wieder spürte, wie meine Wangen zu glühen begannen.

Ich hätte auf meine Mutter hören und aufräumen sollen.

Nun lag auf meinem Bett mein zusammengeknülltes Schlafshirt und an meiner Wand hingen noch immer einige alte Plakate von den Jonas Brothers. Ich gab zu, dass ich als kleines Mädchen vielleicht ein wenig in die drei Jungs verknallt war, aber heute war ich darüber hinweg. Fast zumindest.

Shane schien sich jedoch kein Stück für die Unordnung oder meine peinlichen Plakate zu interessieren.

„Was macht Jessica bei euch?", fragte Shane stattdessen. Seine Stimme klang wieder so kalt wie beim letzten Mal, als wir im Regen standen und ich kam nicht umhin, mich zu fragen, woher die plötzliche Härte in seinem Ton rührte.

Ich wusste, dass er einige Trotzphasen hatte und das College für ihn wie gerufen kam, aber dass das Verhältnis zu seiner Mutter so brüchig war, kam sogar für mich überraschend.

„Sie wohnt einige Tage bei uns. Mum wollte sie nicht alleine lassen, jetzt wo auch Sally weg ist."

Shane lachte freudlos auf.

lavendertea [beendet]Where stories live. Discover now