Achtundfünfzig

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Ich wurde wach, als die Sonne durch den Spalt der Vorhänge durch mein Fenster schien und mein Zimmer in ein warmes, angenehmes Licht einhüllte. Ich blinzelte und sah mich um. Ein Blick auf die Wanduhr verriet mir, dass es bereits fast zehn Uhr morgens war. Heute war Donnerstag, deshalb waren meine Eltern, Julie und Grayson bereits aus dem Haus, aber da wir ja momentan für die Abschlussprüfungen lernten, mussten Zayn, Kayla, Eric und ich nicht mehr in die Schule. Zayn lag neben mir, er hatte einen Arm um mich geschlungen und schlief noch tief und fest. Ich sah ihn ein paar Sekunden lang an und strich ihm eine Haarsträhne aus der Stirn, was jedoch nicht besonders gut funktionierte, da sie sofort zurückfiel. Ich grinste. Er sah süß aus, mit seinen verwuschelten Haaren. Ich nahm seinen Arm von mir runter und befreite mich aus dem Griff, sodass ich aus dem Bett aufstehen konnte. Möglichst leise, um ihn nicht zu wecken, öffnete ich meinen Kleiderschrank, griff nach meinen Ballettsachen und meinen Spitzenschuhen und lief ins Bad, um mich umzuziehen. Als ich in den Spiegel sah, musste ich wieder grinsen. Ich gehörte nie zu den Mädchen, die sich tierisch über ihre Haare aufregen, sie seien zu dünn, zu dick, zu glatt, zu lockig oder was weiß ich. Ich mochte meine Haare schon immer. Aber jetzt, wo ich sie wieder hatte, liebte ich sie abgöttisch. Und jedes Mal, wenn ich sie durchkämmte, musste ich grinsen. Sie waren nicht lang genug, dass ich mir einen Zopf machen konnte, was beim Tanzen nicht gerade optimal ist, aber ich band die vordere Haarpartie nach hinten, sodass sie mir wenigstens nicht ständig ins Gesicht fielen. Dann lief ich zufrieden nach unten in unseren Keller. Ich setzte mich auf den kühlen Boden und zog meine Spitzenschuhe an. Es fühlte sich gut an. Das alles fühlte sich gut an.

Ich trainierte eine Stunde, dann lief ich nach oben ins Bad, um zu duschen und mich umzuziehen. Zurück in meinem Zimmer schmiss ich mich auf mein Bett, genauer gesagt auf Zayn, damit er endlich aufstand. Dieser gab ein erschreckendes Geräusch von sich und fing dann an zu lachen. „Aufstehen!", rief ich gut gelaunt und zog die Decke, die er sich über sein Gesicht gezogen hat, weg.

Er stöhnte auf, fing aber an zu lachen. „So hat mich Gregory auch immer geweckt.".

„Gregory?", ich lachte laut auf „Die tote Katze deiner Großmutter?".

„Ja, als Zac und ich noch klein waren, haben wir ab und zu bei ihr übernachtet und morgens wurden wir von Gregory ungefähr so attackiert, wie ich jetzt von dir. Aber er war leichter.".

„Hey!", empörte ich mich gespielt beleidigt.

„Dafür kratzt du nicht.", erwiderte er und fing plötzlich an zu grinsen „Du beißt nur ab und zu.".

„Aber nur wenn jemand mitten in der Nacht in mein Zimmer einbricht!", verteidigte ich mich und dachte zurück an die Nacht, in der Zayn betrunken durch mein Fenster geklettert ist und ich ihn versehentlich gebissen habe. Das Alles ist noch nicht einmal ganz ein Jahr her, aber es kam mir so vor, als wäre es ein ganz anderes Leben gewesen. In der Zeit dazwischen ist so viel passiert. Überhaupt ist innerhalb des letzten Jahres unfassbar viel passiert. Zayn, meine Krebsdiagnose, meine Chemotherapie, unser Streit und das kurzfristige Beziehungs-Aus, die Therapie mit meiner Familie, Annas Tod... Wenn ich Tagebuch schreiben würde, dann hätte ich damit wohl eine ganze Menge Bücher füllen können.

Zayn und ich trafen uns später noch mit Kayla und Eric zum Lernen, so wie wir es seit Wochen fast jeden Tag machen. Bis zur Biologieabschlussprüfung sind nur noch wenige Tage und mit jedem Tag wurde meine Aufregung größer, aber auch die Erleichterung, dass wir nun endlich bald unseren Abschluss in der Tasche haben würden.

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Am Tag der Bioprüfung war mir so übel, dass ich auf den Weg zur Schule das Gefühl hatte, mich übergeben zu müssen, was meine Mom natürlich wieder in reine Panik versetzte. Die Übelkeit und das faule Gefühl in meinem Magen kamen meiner Meinung nach jedoch einfach nur durch die Aufregung und die Angst, durchzufallen.

SunriseWhere stories live. Discover now