Neun

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Zehn Minuten später weinte ich immer noch, allerdings habe ich aufgehört zu zittern. Ich lag neben Zayn in meinem Krankenhausbett, seine Arme um mich geschlungen und mein Kopf auf seine Brust gelegt.

„Ich verspreche dir, dass alles gut wird.", murmelte er und strich mir sanft durch die Haare. Ich wollte es ihm glauben, doch ich war ein Realist. Ich wusste, dass Krebs heimtückisch und schwer zu bekämpfen war. Und ich wusste, wie viele Menschen daran starben.

„Weißt du, als ich meine Asthma-Diagnose bekam, habe ich mich nur beklagt. Meine Mom sagte, ich sollte froh sein, dass es nichts schlimmeres ist, sondern nur Asthma. Aber ich badete in Selbstmitleid und war sauer und... Was ist, wenn ich deshalb Krebs habe? Weil ich mich über Asthma beklagt habe. Weil...".

„Hör auf damit.", unterbrach mich Zayn „Dafür kann niemand etwas. Am allerwenigsten du.".

„Aber ich verstehe das nicht.", schluchzte ich „Warum ich? Ich lebe gesund. Ich trinke nicht, ich rauche nicht, ich mache Leistungssport, ich ernähre mich gesund... Warum werde ich dann krank?".

Zayn seufzte: „Ich denke, diese Fragen kann man nicht beantworten. Der Krebs sucht sich die Personen nicht aus. Es ist wie ein... Lostopf. Er zieht einfach einen Namen.".
Obwohl mir nach weinen zu Mute war, musste ich lachen: „Nette Metapher.".

Eine Weile sagte keiner etwas, dann richtete ich mich auf und sah Zayn erst an.

„Was ist los?", fragte er verwirrt und richtete sich ebenfalls auf.

„Du musst nicht mit mir zusammen bleiben.".

Mit großen Augen sah er mich an: „Warum sollte ich nicht mit dir zusammenbleiben wollen?".

„Weil... Ich nicht weiß, wie das alles hier enden wird. Und ich vermutlich lange im Krankenhaus bleiben muss. Und ich verstehe es, wenn du keine kranke Freundin haben willst. Du...".

„Hör auf, Sol, das ist Blödsinn.".

„Lass mich ausreden!", bat ich „Ich werde eine Chemotherapie machen müssen und... dann werden mir die Haare ausfallen. Ich werde hässlich sein und ich kann dich verstehen, wenn du nicht mit einer hässlichen, glatzköpfigen Krebskranken zusammen sein willst.".

Zayn sah mich leicht geschockt an und nahm dann meine beiden Hände in seine Hand: „Sol... Du bist für mich das schönste Mädchen, was es gibt. Mit oder ohne Haare. Mit oder ohne Krebs. Ich... liebe dich.".

Auf mein Gesicht stiehl sich ein Lächeln. Hatte er gesagt, dass er mich liebt? Das hatte er noch nie. Wir waren seit fast vier Wochen zusammen, aber er hatte es mir noch nie gesagt.

„Ich liebe dich auch, Zayn.", erwiderte ich und schlang die Arme und seinen Hals um ihn zu küssen. Verdammt, scheiß auf Krebs. Ich krieg das hin. Dieser Krebs kann mich mal. Ich löste kurz meine Lippen von seinen.

„Du musst mir etwas versprechen.", flüsterte ich, meine Stirn an seiner „Versprich mir, dass du niemals aus Mitleid mit mir zusammen sein wirst.".

„Ich verspreche es.", flüsterte er zurück und schloss die Lücke zwischen unseren Lippen wieder.

Ich weiß nicht, wie lange wir uns küssten, aber wir fuhren erschrocken auseinander als ein „Awwww", neben uns ertönte. Anna saß auf ihrem Bett, beobachtete uns und grinste unschuldig.

Ich räusperte mich verlegen und rückte ein Stück von Zayn weg. Das war jetzt ziemlich peinlich.

„Du musst Zayn sein.", stellte sie fest „Ich bin Anna. Ich teile mir ein Zimmer mit Sol.".

„Ähmmm, ja. Hey.", stotterte Zayn überrumpelt.

Anna stand auf und bohrte ihren Finger in Zayns Brust: „Ihr scheint euch ja wieder vertragen zu haben, aber eins sag ich dir: Sol ist mehr Wert als jeder Tropfen Alkohol. Und du bist ein totaler Idiot, wenn du dich dafür schämst, dass sie nichts trinkt. Schäme dich lieber für deine betrunkenen Freunde oder für dich, weil du so feige bist.".

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