Neununddreißig

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Im Zimmer wurde das Licht angemacht. Zac richtete sich auf. Ich bleib noch immer still liegen. „Sorry, ich wollte dich nicht wecken. Ich suche nur Sol, sie ist nicht mehr in meinem Zimmer und im Bad ist sie auch nicht. Hast du sie gesehen? Sie....", er hielt die Luft an, als ich unter der Decke hervorkroch und mich aufsetzte: „Hey, Zayn.".

Zayns Augen wurden riesig. Er sah uns geschockt an: "Du.... was... was machst du...", stotterte er vor sich hin, doch dann verfinsterte sich sein Blick und er schloss die Tür hinter sich. "Bei was stör ich zwei euch gerade?!".

„Also es ist definitiv nicht das, wonach es aussieht.", Zac sprang aus dem Bett, als hätte er sich verbrannt. Auch ich stand hastig auf und fing an, mich innerlich zu ohrfeigen. Super, Solea. Ist doch logisch, was Zayn jetzt denkt, wenn er dich im Bett seines Bruders entdeckt! Und 'Es ist nicht das, wonach es aussieht' ist vermutlich die am häufigsten verwendetet Ausrede, wenn man beim Fremdgehen erwischt wird.

„Was machst du mitten in der Nacht bei meinem Bruder? In seinem Bett?!", fragte er und sah mich ungläubig an.

„Ich verstecke mich vor euren Eltern.", während ich es aussprach realisierte ich, dass das nach der schlechtesten Ausrede der Welt klang. Ich versteck mich vor euren Eltern....

"Du machst was?", Zayn sah zwischen Zac und mir hin und her, dann verschränkte er die Arme vor der Brust: „Haltet ihr beide mich etwa für komplett bescheuert?!".

„Psst!", machte Zac und hielt seinen Bruder am Arm fest: „Sei nicht so laut. Ich kann verstehen, wonach das jetzt aussieht, aber Sol hat recht. Mom und Dad haben sich gestritten und wir haben gelauscht. Dann sind sie die Treppe hochgekommen und jemand kam ins Zimmer. Wir dachten, es wäre Dad oder Mom, also hat sie sich versteckt. Aber, na ja. Du warst es nur.".

Zayn sah uns mehrere Sekunden lang stumm an, dann stöhnte er frustriert auf. „Wollt ihr mich eigentlich verarschen?"

„Er hat recht, Zayn.", ich lief auf ihn zu und nahm seine Hand „Du denkst doch nicht wirklich, dass ich dich betrügen würde, oder? Und noch dazu mit deinem Bruder?!".

"Ich... du....", stotterte er verwirrt, hielt aber inne, als wieder Schritte im Flur ertönten und die Zimmertür aufgerissen wurde. Ich hielt angespannt die Luft an, doch es war nur die Großmutter, die wieder wie ein Geist in das Zimmer schwebte.

„Zac-Schatz? Hast du Gregory gesehen? Er muss aus meinem Zimmer rausgeschlichen sein, als ich zu euch auf den Flur gekommen bin.".

„Ach Granny.", Zac schloss die Tür hinter der alten Dame und tätschelte ihr die Schulter. „Du weißt, Gregory ist seit drei Jahren tot.".

„Was? Mein Gregory? Ach, Gott segne ihn! Er war ein toller Zuhörer. Ich weiß noch, wie ich ihm immer seinen dicken, kuscheligen Bauch gekrault habe...".

Ich verzog das Gesicht. Wer auch immer dieser Gregory ist oder war, das waren mir zu viele Details. „Gregory war ihr Kater.", flüsterte mir Zayn zu, der mein verwirrtes Gesicht gesehen haben muss. „Er ist vor drei Jahren gestorben und das weiß sie auch, aber manchmal vergisst sie es.".

„Ja, Granny ist tagsüber fit wie ein Turnschuh aber nachts manchmal etwas... durcheinander.".

„Ach, Sunny! Mein liebes Kind, gut, dass du aufgehört hast zu weinen.", die Großmutter kam auf mich zu und umarmte mich. Sunny? Wirklich? Sunny?

„Ist schon okay, ähm... Miss...". Wie hieß sie eigentlich? „Ach, so ein Unsinn, Kind! Nenn mich doch einfach deine Granny!", erwiderte sie und umarmte mich erneut.

„Okay... Granny.", nuschelte ich und musste fast niesen, als mir ihre weißen Haare in der Nase kitzelten.

„Du hast geweint?", fragte Zayn und sah auf einmal gar nicht mehr verwirrt und sauer aus.

Ich schüttelte den Kopf, obwohl es gelogen war.

Doch die Groß.... ähm... Granny nickte eifrig: „Ja, sie stand im Flur und hat geweint. Ach, euer Vater hat schreckliche Dinge gesagt.".

Ich spürte Zayns Blick, der besorgt auf mir ruhte, aber ich vermied es, ihn anzusehen. Ich wollte nicht an das Gespräch denken, das ich eben belauscht habe.

"Zac hat mich wieder in mein Zimmer gebracht. Und dann... dann war Gregory plötzlich verschwunden. Wo ich gerade dabei bin, habt ihr ihn zufällig irgendwo gesehen? Er muss vorhin aus meinem Zimmer geschlichen sein...".

"Ach Granny.", seufzte Zayn, dann sah er zu mir und zu Zac "Du hast dich hier wirklich nur vor meinen Eltern versteckte?". 

Ich nickte hastig: "Aber natürlich. Glaub mir, ich würde nie... und vor Allem nicht mit deinem Bruder...". 

Er atmete erleichtert aus, dann lächelte er. "Ich... ich weiß nicht, wieso ich dachte, dass du und Zac...", er wandte sich an seinen Zwillingsbruder und sah ihn zerknirscht an "Tut mir leid, ich hätte das gar nicht erst denken sollen. Du bist mein Bruder und würdest mir das nie antun.". 

„Ach und was ist mit mir?", fragte ich gespielt beleidigt. „Mir hättest du es zugetraut, oder was?".

„Bei dir weiß man nie.", erwiderte er ironisch,  musste aber lachen, packte mich an der Hüfte und  wirbelte mich einmal im Kreis. Überrascht quiekte ich auf. Ich war so erleichtert, dass er uns glaubte und auch ihm schien ein großer Stein vom Herzen gefallen zu sein. 

Schon wieder ging die Tür auf. Melanie stand vor uns und sah uns ungläubig an. Ich konnte sie durchaus verstehen. Es war drei Uhr morgens und ihre beiden Söhne, die Freundin ihres Sohns und ihre Schwiegermutter standen im Schlafanzug im Zimmer und sahen sie erschrocken an.

„Ich frag gar nicht erst, was hier los ist, aber bitte geht jetzt wieder ins Bett, bevor ihr euren Vater verärgert. Er ist gerade nach Hause gekommen und ist... etwas gestresst.", sie lächelte etwas gezwungen in die Runde, dann schloss sie die Tür wieder.

Etwas gestresst... das war jawohl die Untertreibung des Jahres.

„Sie hat recht, Kinder. Ab in die Heia!", Granny klatschte in ihre Hände und scheuchte uns aus dem Raum. "Aber hat zufällig einer von euch Gregory gesehen? Er muss vorhin aus meinem Zimmer abgehauen sein...". 

"Schau nochmal in deinem Zimmer nach, Granny.", erwiderte Zac grinsend und schob sie in den Flur. 

"Du hast recht, Zac-Schätzchen.", die Granny drehte sich noch einmal um und strahlte uns alle liebevoll an: "Gute Nacht, Zac! Gute Nacht, Zayn! Gute Nacht, Sunny!". 

Ich grinste erleichtert und sah Granny hinterher, wie sie wie ein Geist durch den Flur zu ihrem Zimmer lief und „Gregory! Hier her, Miezekatze!" rief. 

„Gut, ich denke, wir sollten auch wieder schlafen gehen.", Zayn lief zur Tür „Kommst du mit, Sol? Oder schläfst du lieber weiter bei Zac?". Er meinte es ironisch und er grinste dabei, aber ich verzog bockig das Gesicht: „Das wirst du nicht so einfach vergessen, oder?". „Ich bin dir nicht böse, aber ich werde dich dein Leben lang damit aufziehen, Sunny.". Beleidigt sah ich ihn an. Er hatte das Sunny extra betont, um mich zu provozieren. „Tzzz!", machte ich und stampfte an ihm vorbei aus dem Raum. Mein dramatischer Abgang wäre noch viel effektvoller gewesen, wenn ich meine Haare nach hinten geworfen hätte, aber dummerweise hatte ich ja keine. Na ja, ein paar Stoppel, die ich im Moment unter einer knallgrünen Mütze versteckte, aber zum Über-die-Schulter-werfen reichten sie nicht. Ich hörte die beiden Brüder lachen, dann folgte mir Zayn in sein Zimmer. 

SunriseWhere stories live. Discover now