Achtundzwanzig

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„Könnten Sie das bitte noch einmal wiederholen?", fragte ich vorsichtshalber.

Ich war mir nicht ganz sicher, ob ich ihn richtig verstanden habe und bevor ich hier in überschwänglicher Freude ausbreche, wollte ich mir sicher sein, dass ich ihn nicht missverstanden habe.

Der Arzt lächelte mich freundlich, wenn auch etwas verwirrt an und wiederholte dann seinen letzten Satz: „Wir können dein Sportverbot stückweise aufheben.".

Okay ich hatte mich also zumindest akustisch nicht verhört. Aber habe ich es denn auch richtig verstanden?

„Das heißt, ich darf wieder Sport machen? Auch wieder tanzen?", hakte ich nach.

Er nickte zögernd: „Du darfst stückweise wieder anfangen.".

Stückweise? Was meinte er denn immer mit diesem „stückweise"?

„Wir könnten uns auf zwei mal wöchentlich einigen.", beantwortete er meine stumme Frage „Und auch höchstens eine Stunde lang. Du musst langsam wieder Kondition aufbauen.".

Ich spürte, wie mein Gesicht vor Aufregung ganz rot wurde und wie meine Mundwinkel immer weiter nach oben wanderten, bis ich meinen Arzt breit anstrahlte.

„Aber steigert sich dadurch nicht das Risiko, dass der Krebs zurück kommt?", fragte meine Mom besorgt. Sie war offensichtlich nicht ganz so begeistert wie ich.

Der Arzt faltete seine Hände zusammen und sah uns ernst an: „Verstehen Sie mich nicht falsch. Der Krebs ist nicht weg.  Wir haben durch die Chemotherapie jedoch den Tumor stark verkleinern können. Dadurch besteht keine Atemnot mehr. Es ist mir jedoch wichtig, dass Ihnen und auch dir, Solea, klar ist, dass der Krebs jederzeit streuen und sich Metastasen bilden können. Der Sport erhöht das Risiko dafür allerdings nicht.".

Obwohl die Nachricht, dass es mir jederzeit wieder schlecht gehen und ich wieder ins Krankenhaus kommen könnte, nicht wirklich aufheiternd war, strahlte ich immer noch. ich darf wieder tanzen. Stückweise, aber ich darf wieder tanzen. Alles andere war mir im Moment total egal.

Erleichtert nickte meine Mom und ich strahlte sie glücklich an. Ich habe mich nicht verhört und ich habe es auch nicht falsch verstanden. Das bedeutete dann wohl, dass ich jetzt vor Begeisterung ausflippen konnte. Quietschend sprang ich auf und umarmte dann erst meine Mom und dann meinen etwas überrumpelten Arzt.

Ich durfte wieder tanzen. Endlich. Es würde alles wieder normal werden. Da gab es nur noch eine Sache, die mich noch von meinem alten Ich unterschied.

„Wissen Sie, wie lange es noch dauern wird, bis meine Haare nachwachsen?".

Der Arzt lächelte: „Das ist bei jedem unterschiedlich, wäre aber theoretisch schon wieder möglich.".

Ich sah zu meiner Mom, die ebenfalls zu strahlen anfing, und umarmte sie noch einmal. Meinen Arzt verschonte ich dieses mal jedoch. 

SunriseWhere stories live. Discover now