Sechsundzwanzig

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Mein Bruder und ich saßen noch eine Stunde lang auf meinem Bett und unterhielten uns. Wir haben in letzter Zeit wenig miteinander gesprochen und ich stellte fest, dass ich es echt vermisst habe, mit ihm zu reden.

Ich bin danach nur noch schnell duschen gegangen und dann ins Bett, weil ich zugeben musste, dass mich das ganze Backen doch echt müde gemacht hat. Und nach dem Teller Kekse konnte ich das Abendessen durchaus ausfallen lassen. Glücklicherweise konnte ich sofort einschlafen, jedoch wurde ich mitten in der Nacht aus dem Schlaf gerissen, als ich ein Poltern und kurz darauf ein Fluchen neben meinem Bett hörte. Panisch setzte ich mich auf und sah die Umrisse eines Menschen neben mir, der gerade den Inhalt des Mülleimers, den er umgeschubst hatte, wieder einsammelte. Es war vielleicht nicht die schlauste Idee, aber ich war panisch und hatte keine Zeit, länger darüber nachzudenken, also sprang ich aus meinem Bett auf die Person drauf und brachte sie somit zum Fallen. Der Einbrecher keuchte erschrocken auf und wollte aufstehen, aber ich hatte die Arme um seinen Hals geschlungen und hielt ihn eisern fest. Ich wollte schreien, aber er riss sich plötzlich ruckartig von mich und hielt mir mit der Hand den Mund zu, sodass ich nur erstickende Laute von mir geben konnte.

„Hey, psssst... sei leise!", bat er, doch genau in dem Moment biss ich ihm mit aller Kraft in die Hand, damit er losließ, was er mit einem fluchenden „Au!" auch tat.

Ich holte Schwung, um ihm ins Gesicht zu schlagen, aber er hob abwehrend die Hände: „Hey, hey! Sol, ich bin's!".

Erst jetzt erkannte ich seine Stimme und ließ geschockt die Faust sinken: „Zayn?!".

Ein zustimmendes Grunzen kam von ihm und ich rannte blitzschnell zum Lichtschalter, um ihm anzumachen. Als das Licht mein Zimmer erhellte sah ich ihn, wie er sich mit schmerzverzehrtem Gesicht die Hand hielt.

„Was zur Hölle tust du um zwei Uhr morgens in meinem Zimmer?!", fuhr ich ihn an.

„Es tut mir leid.", nuschelte er undeutlich. Erst jetzt bemerkte ich, dass er furchtbar nach Alkohol roch.

„Zayn, du Arsch, du bist besoffen.".

Er zuckte nur mit den Schultern.

„Was willst du hier?", fragte ich erneut.

„Isch wollte misch entschuldigen.", lallte er. „Isch vermisse disch.".

„Das kannst du mir sagen, wenn du nüchtern bist.", erwiderte ich „Geh nach Hause ins Bett. Wie bist du überhaupt hier rein gekommen?".

„Die Tür da war offen.", er deutete auf mein Fenster.  Aja, mit Tür meinte er also Fenster.

Irgendwie gruselig, dass man so einfach in mein Zimmer einbrechen konnte. Ich glaub, ich schlaf nie wieder mit offenem Fenster.

„Geh jetzt.", bat ich ihn.

„Aber isch-", er hielt inne und würgte.

„Zayn, ich schwöre dir, wenn du in mein Zimmer kotzt, dann bringe ich dich um!", ich sah auf seine Hand, in die ich versehentlich gebissen habe und die nun blutverschmiert ist. „Oh scheiße.", ich drückte ihn auf meinen Sessel „Warte hier.".

Schnell und möglichst leise, um meine Familie nicht zu wecken, schlich ich ins Bad, um den Verbandskasten zu holen. Ein Wunder, dass niemand wach war, bei dem Lärm, den wir verursacht haben. Aber meine Mom schlief immer mit Ohropax, weil mein Dad schnarchte und er und meine Geschwister hatten einen so festen Schlaf, dass sie es vermutlich nicht einmal bemerken würden, wenn eine Herde Elefanten durch ihr Zimmer rennen würde. Also ja, man könnte uns vermutlich hervorragend ausrauben. Mit dem Verbandskasten in der Hand lief ich wieder in mein Zimmer. Wortlos nahm ich Zayns Arm und legte ihn auf die Stuhllehne. Na toll, ausgerechnet die rechte Hand und er war Rechtshänder. Ich riss einen verpackten Verband auf und hielt inne, als ich das Desinfektionsmittel sah. Vielleicht sollte ich es erst desinfizieren, damit es sich nicht entzündet.

SunriseWhere stories live. Discover now