Kapitel 20

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Ten Pov
Schwach erhoben sich seine Augenlider. Geblendet von dem hellen Mittagslicht in dem Raum zogen sich seine Augenbrauen zusammen. Noch eine kleine Weile lang behielt er die Augen geschlossen, um Energie zu tanken, bevor er versuchte sich langsam aufzusetzen. Kaum, dass er das versuchte, durchzog ihn wieder dieser starke Schmerz. Zähne zusammenbeißend rutschte er an das Kopfende und lehnte sich mit dem Rücken gegen dieses. Ein kurzer Blick durch den Raum verriet ihm, dass Taeyong weg war. Erinnern tat er sich an nicht wirklich viel, bloß, dass er die Hand des Älteren losgelassen hatte. War er nun tot? Sah so der Himmel oder gar die Hölle aus? Ten musste garnicht auf seine Antwort warten, da ein Typ mit einem weißen Kittel in den Raum kam. Also lebte er noch?

Stumm hörte er den Worten des Mannes zu und beantwortete seine Fragen bloß mit einem Kopfschütteln oder einem Nicken. Erst als er gehen wollte, hielt er ihn an diesem weißen Stoff fest und biss sich auf die Unterlippe.
"Wissen Sie... vielleicht wo Taeyong ist? Also der hellblonde Mann... der neben mir gesessen hatte.", fragte er wieder leicht stammelnd, doch schüttelte der Arzt bloß den Kopf. Würde Taeyong jetzt nicht eigentlich wieder neben ihm liegen, in den Arm nehmen und seinen Kopf kraulen um ihn zu beruhigen?

Unsicher musterte er den Schlauch an seinem Handrücken, bevor er den Blick auf seinen Bauch senkte. Neugierig schob er die Decke weg und zog dieses Oberteil hoch. Ein weißer Verband zierte nun sein Oberkörper. Das sah vielleicht aus.. Doch wichtiger war jetzt der Ältere, welcher sonst wo war. Eilig schob Ten die Decke weg und rutschte mit großer Mühe und Schmerzen aus dem Krankenbett. Zu seiner Überraschung standen vor diesem ein paar Schuhe, welche er sich natürlich anzog und versuchte langsam aufzustehen. Wie in etlichen Filmen klammerte sich der Thailänder dabei an diesen Ständer mit den Rollen unten dran und nutzte ihn als Stütze.

Langsam drückte er die Türklinke runter, um aus der Tür zu treten und schloss sie anschließend wieder hinter sich. Die ersten Blicke konnte er schon auf sich spüren. Wahrscheinlich, weil man ihn hier noch nie gesehen hatte. Den ganzen Blicken ausweichend, sah er auf den Boden und ging einfach den Flur entlang. Ten hatte keine Ahnung, wo Taeyong, noch er selbst, eigentlich war. Er ging meist immer nur geradeaus und bog einmal ab. Um nicht gegen Leute zu laufen - was bei seinem langsamen Tempo recht unwahrscheinlich wäre - hob der Thailänder wieder den Kopf an. Doch blieb er stehen. Weiter weg von ihm stand ein Mann mit lila Haaren.

Es war nicht bloß irgendein Mann. Taeyong stand dort, wohl genauso gefühlsüberströmt wie Chittaphon. Schnell füllten sich die Augen des Kleineren wieder mit Tränen, bevor die ersten nach einem Wimpernschlag zu Boden fielen. Dass der andere sich einfach so die Haare gefärbt hatte, während Ten vor der Operation gestorben war und dann wiederbelebt wurde, war Nebensache. Wichtiger war, dass es Taeyong gut ging und der Jüngere ihn wieder in die Arme schließen konnte. Wahrscheinlich hatte der Ältere in der letzten Stunden mit den Gedanken gespielt, er sei tot. Zögerlich setzte er einen Schritt nach vorn, dann den nächsten und strich sich mit der Handfläche über die nun wieder nasse Wange. Ein Schluchzer entkam seiner Kehle. Dann wieder einer.
"Taeyong!", schniefte er etwas lauter, während er weiter auf ihn zuging und ihn einfach nur in die Arme nehmen wollte.

Taeyong Pov
Für einen Moment konnte Taeyong gar nicht fassen, wer da vor ihm stand, ehe er dann breit lächeln musste und sich in die etwas nassen, violetten Strähnen fasste, weil er wirklich überhaupt nicht mit dem Kleineren hier gerechnet hatte. Der, der nun seinen Namen ausrief und sich mit zwei langsamen Schritten auf ihn zu bewegte, doch im nächsten Moment bereits von Taeyong sanft in die Arme genommen wurde. Er konnte nämlich viel schneller laufen, als Ten es gerade versuchte.

Als hätten sie sich jahrelang nicht gesehen, klammerte der Größere sich beinahe an den anderen, bevor er jedoch von diesem abließ, seine Hände an dessen Wangen legte und das blasse Gesicht des Jüngeren musterte. "Was machst du denn hier?" Im Gegensatz zu Ten, der weinte, musste Taeyong ein wenig lachen, wobei seine Augen aber auch glitzerten. "Du solltest dich besser ausruhen, damit die ganze Arbeit hier nicht umsonst war!", hielt er ihm eine - ehrlich gesagt, besorgte - Standpauke. Die Freude stand ihm allerdings ins Gesicht geschrieben, denn die letzte Stunden hatte er nichts als Angst, Hass und Wut gespürt und alles drei zusammen war einfach nur die beschissenste Kombination.

Viel Zeit ließ er Ten allerdings nicht, küsste den bereits schon, weil er ihm so nahe wie möglich sein wollte, nachdem er sich ihm so fern gefühlt hatte. Taeyong würde aber seine Lippen nicht lange gegen die des Jüngeren bewegen, mit geschlossenen Augen und rasendem Herzen, denn er hatte Angst, dass der andere vor Überwältigung umkippen könnte. Als er sich also vom Jüngeren löste, sah er den kurz an, bevor er seinen Blick auf das Haar des Kleineren konzentrierte und mit seiner Hand dieses etwas richtete, weil es komplett durcheinander war. Auch war es sehr fettig; Ten sollte sich mal bei ihm duschen. Stören tat ihn das aber im Moment nicht wirklich.

Ten Pov
Ten war nichts anderes als ein schluchzendes Wrack in Taeyong's Armen und nebenbei der Grund, warum dieser nun einen nassen kleinen Fleck auf der Schulter hatte. Alles hatte er um sie herum ausgeblendet und achtete nichtmal auf ihre Mitmenschen. „Ich.. hab dich gesucht.", brachte er stockend von sich und musterte das fröhliche, glückliche Gesicht des Älteren. "Lach doch nicht!", beschwerte sich Ten nun wehleidig laut und wollte ihn gerade auf die Brust schlagen, bis er ihn küsste. Somit gab der Thailänder wieder Ruhe und erwiderte den Kuss so gut wie möglich.

Kurz fuhr er sich mit den Handflächen über das Gesicht, ehe er Taeyong wieder umarmte und ein paar mal die Nase hochzog. „Jetzt kannst du mich ja zurück aufs Zimmer bringen... und-", sich halbwegs von ihm lösend blickte Ten zu seinen noch feuchten Haaren auf, „warum sieht dein Kopf aus wie... eine Weintraube oder Aubergine?" Das Gesicht verziehend, lehnte er den Kopf gegen die Brust des nun Lilahaarigen. Waren die Schmerzen nach einer Operation schon immer schlimmer als davor? Zischend krallte er sich etwas an das Oberteil des anderen und blickte zu ihm auf. Man sah Ten wohl an, dass er Schmerzen hatte, und doch war er den Weg gegangen, um den Älteren zu finden.

Taeyong Pov
Zwar sagte der Kleinere, er solle aufhören zu lachen, doch brachte ihn damit nur wieder dazu. "Ich heb mir die guten Farben eben für ein andernmal auf.", erklärte bloß augenverdrehend, dennoch schmunzelnd und arbeitete daran, die Tränen des Jüngeren wegzuwischen, nachdem er dessen leicht fettiges Haar gerichtet hatte. Schnell bemerkte er aber, wie der andere dein Gesicht verzog und verlor somit die freudige Ausstrahlung, die er getragen hatte. Fest schlang er die Arme um den Schwarzhaarigen, bis der ihn wieder ansah. "Du hättest auf mich warten sollen.. Ich hätte dich gefunden.", murmelte er nun doch besorgter und biss kurz die Kieferladen aufeinander. "Wir gehen kurz zurück in dein Zimmer, ich glaube wir haben hier zwei Rollstühle. Laufen solltest du definitv nicht." Die Suchtrupps der Miliz sammelten eben alles auf, was irgendwie brauchbar sein könnte. Lieber zu viel Kram, als zu wenig, in dieser Welt.

Vorsichtig geleitete Taeyong Ten wieder zurück zu seinem Zimmer, er sollte definitv nicht hier draußen unterwegs sein. Dort angekommen trafen sie auch schon einen verwirrten Arzt an, der sich wohl fragte, wo Ten hingelaufen war. Taeyong schmunzelte sogleich. "Ist bloß ausgebüxt.", erklärte er kurz und knackig, während der Schwarzhaarige sich setzte. Ehe er aber fragen konnte, ob sie nicht einen Rollstuhl irgendwo rumfliegen hätten, winkte der Ältere ihn mit ernster Miene raus. Kurz blickte der Lilahaarige Ten an, folgte dann dem Arzt, um seinen Worten zu lauschen.

Es traf ihn schon sehr, was der zu sagen hatte.

Als er Ten wiedergesehen hatte, hatte er geglaubt, dass der andere bloß wieder ohnmächtig geworden wäre, tatsächlich war er aber für wenige Sekunden klinisch tot gewesen. Alleine der Gedanke, dass das Herz des anderen praktisch gar nicht mehr geschlagen hatte, erschütterte Taeyong gewaltig. Man merkte das auch, als er wieder das Zimmer betrat, alleine, denn dieser Arzt hatte auch noch anderes zutun.
"Ten..", der Ältere setzte sich zur Rechten des anderen und legte seine schmerzende, linke Hand auf dessen Oberschenkel. "Dein Herz hat...", er zögerte, doch entschloss sich erneut, es dem Kleineren zu sagen, "Du warst für mindestens fünfzehn Sekunden... naja, tot. Du warst tot." Es war eigentlich so ziemlich genau das, was er sagte. Hätte Taeyong das eher gewusst, hätte er nicht vor Freude gelacht, sondern geweint, als er Ten im Flur aufgefunden hatte. Nun blickte er ihm weiterhin mit nur glitzernden Augen an, prüfend, aber auch ziemlich mitgenommen. Ja, es war nichts passiert. Aber was wäre wenn? Das waren vier beschissene, sinnlose Worte, aber er konnte es nicht lassen, sich auszumalen, was passiert wäre, wenn er Ten nicht im Flur getroffen hätte.
Wenn Ten tot gewesen wäre.


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❛ Infected love ❜  - TaetenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt