Das Haus der Riddles

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Helen Roberts war ein ganz normales Mädchen.

Sie lebte in dem kleinen Haus ihrer Eltern, im Dorf Little Hangleton und war von jeher brav und liebenswert. Mit ihren nussbraunen Locken und den grünen Augen war sie von gewöhnlicher Schönheit und noch dazu nicht auf den Kopf gefallen. Ein offenherziges und freundliches Mädchen, welches die Welt und das Leben freimütig begrüßte. Als die Tochter einer Blumenbinderin und eines Fabrikarbeiters hatte sie nicht viel Reichtum zu erwarten, weswegen sie bereits früh die Schule verließ und eine Ausbildung zur Krankenschwester im achtzig Meilen entfernten York absolvierte. Da der Bus selten zu ihren Schichten fuhr, kam Helen oft in einem Schwesternheim in York unter und kehrte erst für ihre freien Tage zurück in ihr Elternhaus. Der Bus nach Hawes war beinahe zwei Stunden unterwegs und ließ sie schließlich an einer Kreuzung heraus, weil er weiter zum benachbarten Städtchen Great Hangleton fuhr. Von dort an musste sie also zu Fuß nach Little Hangleton gehen.

Helen war ein bürgerliches Mädchen, fleißig, aufrichtig und von jeher anspruchslos und so machte ihr der dreieinhalb Kilometermarsch, trotz der anstrengenden Schicht die hinter ihr lag, nichts aus. Ganz im Gegenteil. Sie kam nach Hause und diese Tatsache beschwingte jeden ihrer Schritte. Noch bevor das Ortsschild in Sichtweite kam, passierte sie das alte verfallene Häuschen der Gaunts, welches mittlerweile von der Natur zurückerobert wurde. Der letzte Sohn der Gaunts saß schon seit vielen Jahren im Gefängnis und Helen kannte nur die Gerüchte über diesen Landstreicher.

Sie schenkte der Ruine jedoch keinerlei Aufmerksamkeit, warum sollte sie auch?

Zielstrebig ging sie weiter, bis irgendwann die alte steinerne Mauer der Riddles Villa begann und Helen freute sich darüber, endlich wieder in der Heimat zu sein. Ihre Schritte verlangsamten sich jedoch und sie reckte den Hals, um über die Grenzmauer hinweg zu dem alten, verlassenen Herrenhaus auf dem Hügel blicken zu können.

Auch das Haus der Riddles stand schon seit einem halben Jahrhundert leer und die Geschichten, die sich die Dorfältesten darüber zuflüsterten, wenn es keinen neuen Klatsch gab, waren so alt, dass sie für die junge Frau wie Märchen klangen.

Den Gerüchten zu folge, lief das Hausmädchen der Riddle-Familie eines Morgens schreiend durch das Dorf und verkündete, sie habe ihre drei Herren tot im Salon aufgefunden, ohne jegliche Anzeichen einer Verletzung. Man hatte zunächst den Gärtner verhaftet, der jedoch gleich seine Unschuld beteuerte und dem nichts Merkwürdiges aufgefallen war, bis auf einen jungen, blassen Teenager, den niemand anderes im Dorf gesehen hatte.

Hinzu kam, dass der ärztlichere Befund zu aller Verblüffung feststellte, dass die Riddles sich allesamt an bester Gesundheit erfreuten und dass ihnen nichts fehlte außer eben, dass man sie unverletzt und tot aufgefunden hatte. Lediglich das Entsetzen stand den drei Toten ins Gesicht geschrieben.

Somit wurde der Gärtner, zum Misstrauen aller Dorfbewohner, Mangels an Beweisen wieder frei gelassen und die Riddle-Familie auf dem örtlichen Friedhof bestattet.

Für das Dorfvolk blieb der Gärtner jedoch der Mörder und wurde bis heute gemieden.

Helen hatte diese Mär nie wirklich interessiert. Wahrscheinlich war der Wirklichkeit so viel hinzugedichtet worden, dass nichts mehr an der Geschichte wahr war. Ihr brach es jedes Mal das Herz, wenn sie sah, wie dieses majestätische Anwesen am Zerfallen war.

Einige Fenster waren mit Brettern vernagelt und durch das löchrige Dach rankte der Efeu empor. Diese einst wundervolle Villa war vor vielen Jahren das mit Abstand prächtigste Gebäude der Umgebung gewesen. Nun war es feucht und heruntergekommen und nur die anmutige, steinerne Fassade erzählte von dem verblassenden Glanz. Nach dem Tod der Riddles war das Anwesen durch etliche Hände gegangen, aber keine Familie hatte lange darin gewohnt und nun stand es bereits Jahrzehnte leer. Schon seit Helen denken konnte waren die verzweifelten Versuche des Gärtners Frank Bryce, die Villa zu erhalten von vorneherein zum Scheitern verurteilt.

Zoe Dumbledore und das Trimagische TurnierWhere stories live. Discover now