Kapitel 43

18.5K 632 77
                                    

Gespräch: Gedankenaustausch über ein bestimmtes Thema, das mündlich stattfindet

--

Nach der Schule ging ich zum Büro des Coaches, so wie er es gestern gesagt hatte. Ich hatte bereits Ben verabschiedet.

Kurz bevor ich das Büro erreicht hatte, tauchte Jay neben mir auf. „Ich warte hier auf dich, hab keine Angst; was soll der Coach schon zu dir sagen?"

Mein Blick fiel kurz auf die Tasche, die um seine Schulter hing, und mir kamen die Worte von Ben zuvor wieder in den Kopf.

War ich auch nur eine von vielen, die von Jay um den Finger gewickelt wurde? Spielte er mir das alles nur vor?

Mit diesen Worten im Kopf, klopfte ich an die Tür des Coaches und nach dem „Herein", öffnete ich die Tür, um sie wenige Momente später hinter mir zu schließen.

„Lilian, nehmen Sie Platz" ich war überrascht, dass mich der Coach beim Vornamen nannte, folgte dann aber seiner Aufforderung.

„Wie geht es Ihnen? Ich nehme an, dass das gestern ein ziemlicher Schock war?" fragte er. „Mir geht es gut, danke. Ein Schock war es definitiv" nickte ich mit dem Kopf.

„Sie wollen am Wochenende spielen, oder?" fragte er mich und ich nickte stark mit dem Kopf, „Auf alle Fälle".

Er legte seine Ellbogen auf dem Tisch vor sich ab und faltete seine Hände unter seinem Kinn zusammen, dann nickte er langsam.

„Hören Sie zu, jemanden verletzt spielen zu lassen, ist nicht zugelassen, aber weil ich weiß, dass sie so oder so spielen werden, einigen wir uns in der Mitte, ja? Sie werden in den kommenden Tagen Ihr blaues Auge, so gut wie möglich überschminken. Morgen kommen Sie nicht ins Training und wenn Sie das befolgen, werde ich ein Auge zudrücken und Sie fahren mit nach Seattle"

„Natürlich, Coach. Vielen, vielen Dank!" ich sprang begeistert auf, „Lilian, sollte eine Situation jemals erneut eskalieren, halten Sie sich da bitte raus. Es versteht sich natürlich, dass jemand, der handgreiflich wird für das kommende Spiel gesperrt wird".

„Ich werde es versuchen, Coach. Und nochmal vielen Dank" damit verließ ich das Büro und fiel in Jays Arme.

All die vorherigen Überlegungen, die ich hatte, waren mit einem Mal, wie weggeblasen. Die Freude übermannte mich einfach.

„Gute Nachrichten?" fragte er mit einem Grinsen auf dem Gesicht. Und ich erzählte ihm, was wir besprochen hatten.

„Darf ich dich nach Hause fahren?" fragte er und lächelte mich an „Gerne". Eine halbe Stunde später war ich Zuhause.

Ich hatte noch gut eine Stunde bevor Luke nach Hause kommen würde und Fragen stellen würde.

Also setzte ich mich in mein Zimmer und machte meine Hausaufgaben. Wieso waren Hausaufgaben überhaupt notwendig? Schule an sich war schon ganz in Ordnung: man sah seine Freunde, konnte seine Hobbies, wie Sport ausleben, und nebenbei lernte man noch etwas. Aber Hausaufgaben? Die mussten echt nicht sein.

„Lily, ich bin Zuhause" ertönte es nach einer Weile von unten. „Ich habe was vom Italiener mitgebracht" rief er und in Sekunden schnelle, stand ich neben Luke in der Küche und nahm die Pizzaschachtel in meine Hände.

„Also, wie kam das zustande, das zwischen Jay und dir?" fragte Luke, als wir uns setzten, um zu essen. Seine Stimme war gelassen und das ließ mich auch innerlich ein wenig zur Ruhe kommen.

„Na ja, als der Coach uns vom Feld verwiesen hatte, weil wir uns wieder gestritten hatte, meinte Jay es wäre das beste Frieden zu schließen."

„Und Frieden sieht so aus?" unterbrach mich Luke und schaute mich zweifelnd an. „Es hat sich einfach so entwickelt" ich zuckte mit den Schultern.

„Du weißt, aber schon, wie das mit Liebe funktioniert?" fragte er und sein Gesichtsausdruck ähnelte noch immer einem Fragezeichen.

„Luke, ich bin 16 Jahre alt, ich weiß, wie das funktioniert" verdrehte ich genervt die Augen. Er hob abwehrend seine Hände.

„Von dir hat man eben nur gehört, was Jay für ein Kotzbrocken ist und plötzlich seid ihr zusammen?", „Er ist auch häufig genug ein Kotzbrocken, aber er ist auch fürsorglich, lustig,..." weiterkam ich nicht, weil mich Luke erneut unterbrach.

„Ich will nicht zu viel wissen" wank er ab, „das kannst du gerne mit deinen Mädels besprechen, ich bin da nicht die richtige Ansprechperson". „Welche Mädels denn?" fragte ich ihn.

Er wusste genau, dass ich nur Jungen, als Freunde hatte. Ich hatte mich schon immer mit Jungen besser verstanden, als mit Mädchen. „Das stimmt. Ich will es trotzdem nicht wissen" zuckte er mit den Schultern.

„Ich muss dir ja nicht sagen, dass ich es keine gute Idee finde, dass ihr es nicht Ben erzählt. Aber ihr solltet es ihm sagen, bevor es jemand anderes tut" er hob seine Augenbrauen, um dem Satz die nötige Bedeutung zu schenken.

„Ich muss dir ehrlich gestehen, ich hatte Angst vor dem Moment, wo du einen Jungen mitbringst, der nicht nur dein Kumpel ist" lachte Luke plötzlich und kratzte sich am Nacken.

„Wieso?" fragte ich verwirrt und ich musterte Luke genau. Obwohl ich mir vorgestellt hatte, dass Luke ärgerlich sein würde und mir eine Szene machen würde, war er die Ruhe selbst.

Er machte mir sogar den Eindruck, als wäre er darüber froh, wie das Ganze gelaufen war. Das überraschte mich.

Spätestens in diesem Moment wusste ich, dass mich Luke wegen der Beziehung nicht anschreien würde oder es am Ende des Gespräches komplett eskalieren würde. Und ich muss gestehen, dass ich ihm dafür unglaublich dankbar war. Schließlich stand Jays und meine härteste Prüfung noch bevor – das Gespräch mit Ben.

„Ich überlegte mir die ganze Zeit, wie ich reagieren sollte. Ich bin dein großer Bruder und dein Erziehungsberechtigter" er stoppte und schaute aus dem Fenster.

„Als großer Bruder sollte ich es dir auf gar keinen Fall erlauben einen Freund zu haben. Als Erziehungsberechtigter sollte ich dich unterstützen und dich vor schlimmen Ereignissen bewahren" er seufzte.

„Wie soll ich dir aber meine Beziehung zu Jade erklären, dir aber eine Beziehung verbieten? Das kann ich nicht machen" er stoppte einen Moment, dann schaute er mir direkt in die Augen.

„Vor allem weil es Mum und Dad dir auch nicht verboten hätten" es bildeten sich Tränen in seinen Augen.

„Sie hätten dich sogar noch dazu ermutigt, weil es Jay ist" lachte er und eine Träne fand seinen Weg seine Wange hinunter.

„Mum und Eva hätten eine Party geschmissen, wenn sie es erfahren hätten" nun lachte ich auch und versuchte meine Tränen zu unterdrücken.

„Danke" murmelte ich und griff nach seiner Hand, worauf er mich anlächelte.

Nach einer Weile begann Luke wieder, „Ähm, sollen wir das Gespräch mit Hummel und Bienchen führen" fragte er nervös und fuhr mit seinen Fingern über die Tischkante. Es dauerte eine Weile, bis ich verstanden hatte von was er redete.

„Auf keinen Fall, und versuch nicht einmal das anzusprechen" drohte ich ihm mit gehobenem Finger.

Erleichtert lachte Luke auf und öffnete endlich seine Pizzaschachtel. Ich tat es ihm gleich und war sofort von dem wunderbaren Duft von Pizza umfangen. Es roch fantastisch.

„Auf deine Verantwortung" sagte er mit einer Stück Pizza in der Hand, „Ich will nur nicht in einem Jahr meinen Neffen großziehen" sagte er.

„Luke, deinen Neffen wirst du erst in zwei Jahren auf dem Arm halten" grinste ich ihn an und Luke warf mir einen drohenden Blick zu, den ich jedoch ignorierte.

Auf dem FeldWhere stories live. Discover now