Kapitel 34

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Zuneigung: Empfindung des Wohlwollends, oft mit dem Gefühl der Liebe verbunden.

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Ich konnte nichts sagen. Noch nie war Jay so ehrlich zu mir gewesen!

„Ist schon, in Ordnung. Ich hätte das nicht sagen sollen. Ich hätte..." Jay schaute beschämt auf den Boden, seine Wangen nahmen einen leichtrötlichen Schatten ein.

Ich musste doch etwas tun! Ich war in Jay verliebt, genauso wie jedes andere Mädchen auch. Der Unterschied war nur, dass Jay mir gerade seine Gefühle gestanden hatte!

Und ohne weiter nachzudenken, umschloss ich Jays Gesicht mit meinen Händen, nährte mich ihm an und drückte meine Lippen auf seine.

Und obwohl Jay für den ersten Moment überrascht war, küsste er mich zurück. Unsere Lippen bewegten sich synchron zueinander.

Seine Hände fanden meine Hüfte und zogen mich auf seinen Schoß, ohne den Kuss zu unterbrechen.

Um Luft zu holen, lösten wir uns voneinander. „Heißt das, wir versuchen es?" er hatte wieder sein strahlendes, selbstsicheres Grinsen auf seinem Gesicht.

„Aber wir können Ben nichts davon sagen. Er würde uns umbringen" Jay verdrehte seine Augen.

„Ich bin viel zu stark, als dass mir Ben nur ein Haar krümmen könnte" meinte er, hob seine Arme, um seinen Bizeps zu präsentieren.

Den Kopf schüttelnd, lachte ich. „Du bist so selbstgefällig" sagte ich augenrollend, „Aber ich meine es ernst, Ben darf nichts davon erfahren, zumindest vorerst"

„Wenn du das willst, können wir das machen. Aber das wird echt schwer, alles vor Ben zu verheimlichen" ich nickte und lächelte ihn an, „Danke".

Er zog mich näher zu sich und drückte mir einen Kuss nach dem anderen auf.

Bevor wir uns auf den Rückweg nach Hause machten, holte mir Jay eine weitere Decke hinaus, die ich um mich legte, damit ich nicht fror. Schließlich war es inzwischen schon recht kühl geworden.

„Ich will nicht, dass du schon gehst" meinte Jay und lächelt mich, schon fast schüchtern, an. Ich saß auf dem Beifahrersitz in der Auffahrt von Jays Haus, immer noch in die Dekce eingewickelt.

„Es ist schon halb 12, Luke macht sich wahrscheinlich schon Sorgen und morgen ist Schule" sagte ich zu ihm.

„Ich weiß" ein wenig enttäuscht schaute er drein, bevor er mich zu ihm herüberzog und mich küsste.

„Jetzt geh schon, bevor ich es mir anders überlege" lachte er. Ich schüttelte meinen Kopf; na ja, das war und blieb Jay im einen Moment eine einfühlsame Person und im nächsten Moment schroff.

„Ciao" meinte ich nur, stieg schnell aus dem Auto aus und rannte schnell zu meiner Haustüre, in der Hoffnung, dass mich niemand sah.

Nachdem ich die Türe aufgeschlossen hatte, warf ich einen kurzen Blick in Jays Richtung, bevor ich ins Haus verschwand.

Ich bereitete mich nach dem Schließen der Türen schon darauf vor, einen aufgebrachten Luke vorzufinden und ging in meinem Kopf schon mögliche Ausreden durch, während ich in zeitlupenähnlicher Geschwindigkeit meine Schuhe auszog.

Als ich mich jedoch umdrehte, fand ich das restliche Haus seelenruhig vor. Komisch. Auf dem Tresen in der Küche fand ich einen Zettel, auf dem er mir mitteilte, dass er bei Jade war.

Im Wohnzimmer stellte ich fest, dass Jays Decke nach wie vor fest um mich gewickelt war. Ich löste sie von mir, roch an dem Material und stellte noch den leichten Geruch von Jay fest. Beim Zusammenlegen dachte ich mir, dass ich sie Jay so bald, wie möglich zurückgeben würde.

Keine halbe Stunde lag ich in meine Bettdecke eingekuschelt im Bett. Und obwohl ich nicht glücklicher hätte sein können, ging mir diese eine Frage einfach nicht aus dem Kopf: wieso ich?

Wieso war ausgerechnet ich die Person, der Jay seine Liebe gestand? Wieso nicht Madison, die vermutlich kein Gramm Fett am Körper hatte? Wieso nicht Chloe, die mit ihrem langen, perfekt aussehendem Haar, jedem Jungen den Kopf verdrehte? Wieso nicht Jackie, die mit ihren großen Brüsten und tiefen Ausschnitten, die Blicke auf sich zieht?

Weil ich bin doch nur ich!

Ich bin Lilian, die das ein oder andere Gramm zu viel auf den Hüften hat, die ihre Haare meist zu einem Pferdeschwanz zusammengeknotet hat, weil es geschickter ist, die einfach nur durchschnittlich.

Wobei durchschnittlich wohl auch das falsche Wort war. Für die meisten Mädchen war ich zu burschikos und konnte womöglich gar nicht als Mädchen zählen. Für sie war ich meist gar nicht existent, ein Schatten zwischen den großen Football-Spielern.

Und: was sollte an mir anders sein, als an all den anderen Menschen?

Vor allem war es mit mir doch viel schwieriger! Schließlich gab es noch Ben!

Wie sollte ich Ben jemals erklären, dass Jay und ich zusammen waren? Würde sich zwischen uns doch etwas ändern, so wie er es immer befürchtet hatte?

Natürlich würde sich etwas ändern! Nichts konnte ewig so bleiben wie es war. Aber ich konnte doch nicht meinen besten Freund verlieren!

Aber wenn Ben erstmal nichts davon erfahren würde, dann würde sich nichts ändern. Ich könnte meinen besten Freund behalten und wäre glücklich mit Jay.

Konnte es so einfach sein? Von einfach kann hier nicht die Rede sein, wenn Jay und ich unsere Treffen verheimlichen müssen.

Aber vorübergehend klingt es nach einem gut realisierbaren Plan, um Ben als besten Freund behalten zu können.

„Erinnerst du dich an unseren Fingerschwur?" fragte Ben, als wir wie oft in dem Sommer in der achten Klasse an seinem Pool saßen und die warmen Sonnenstrahlen genossen. „Welchen denn?" fragte ich und nahm mir eine Traube von dem Teller, der neben uns stand. „Den wegen Jay" murmelte er schon fast. Als würde Jay uns belauschen. „Ben, ich hab dir doch gesagt, du brauchst dir keine Sorgen machen. Jay ist ein Idiot und er wird mich niemals dir wegnehmen. Wie sollte er denn auch? Als würde ich unsere Freundschaft jemals in Gefahr bringen." Ben verzog sein Gesicht, ihn schien die Antwort nicht zu gefallen. Wie kam er überhaupt auf das Thema? „Ich hab einfach Angst. Was soll ich nur ohne meine beste Freundin machen?" er schaute traurig auf den Boden und wich meinem verwirrten Blick aus. „Das wird nicht passieren," ich hielt ihm meinen kleinen Finger hin, den er zögerlich mit dem Seinen griff, „Uns wird nie irgendetwas trennen. Wir sind beste Freunde für immer"

Auf dem FeldWhere stories live. Discover now