Auf und davon!

155 18 0
                                    

Es stand Bors nicht zu, neugierige Fragen an die heilige 'Zolotaya Baba' zu stellen. Und dennoch plagten ihn selbst diese Fragen. Auf jeder Minute der 'Flucht aus den Bergen' hatten Bors die vielen Fragen bewegt. Die Herrin Marica hätte ihm vielleicht sogar Antworten gegeben. 

Die 'Flucht aus den Bergen'- eine solche Flucht war es aus Sicht von Bors auch. Die Herrin hatte den jungen Erwählten zur Eile angetrieben. Obgleich Marica angeschlagen und sogar verletzt wirkte- sie wollte um Nichts auf der Welt am Ort des Heiligtums, des 'Tschum', ausharren und ruhen. Sie bestand auf eine schnelle Flucht aus dem geschützten Tal am oberen Lauf des Flusses Auspija. Hinab in die weiten Ebenen der westsibirischen Sümpfe und Wälder wollte Marica- so schnell es eben möglich erschien. 

Doch warum? Diese Frage bewegte Bors Stunde um Stunde. Die Neugierde auf eine Beantwortung dieser Frage lies Bors Gedanken um verschiedene Optionen freien Lauf. Diese Varianten waren nur Vermutungen- doch Bors lies es zu, dass diese Vermutungen einen Platz in seiner Gedankenwelt bekamen und sich zu Bildern formten.

Und Marica? Unbeeindruckt von den Schneemengen, welche zwischen den Bäumen in verschiedenen Höhen gefallen waren, suchte Marica Parthenope einen Weg, der sie mehr und mehr von den Bergen des Ural- Gebirges und vom Heiligtum des Tschum wegführte. Und diese hastige Flucht schien für Marica selbst, ein Weg ohne Wiederkehr zu werden. Die Herrin schien einem inneren Kompass zu folgen, der Sie und Bors jede Minute weiter fort von den angestammten heiligen Plätzen der Mansen an den östlichen Ausläufern des Ural führte. Die Herrin erklärte sich bislang nicht- weder über die Geschehnisse vor der Flucht, diesen gefühlten Hilfeschrei an die Erwählten oder wohin sie nun ihre Schritte durch den Schnee zu lenken hatten. Sie schien auch keine Rast oder Pause zu benötigen. Bors hatte zuweilen sogar Probleme, nahe an ihr dran zu bleiben. Und dies, obwohl er ein kräftiger junger Mann war, der Arbeit und auch Anstrengungen gewohnt war.

Erst als die eiskalte Nacht schon nahe war, suchte die Herrin nach einer Möglichkeit und einem Platz für eine Rast und Übernachtung. 

Marica und Bors hatten bereits am ersten Tag eine erstaunliche Strecke zurück gelegt. Das komplette untere 'Auspija'- Tal hatten die Zwei ohne Biwak oder Notlager durchwandert. Man war schon nahe der Mündung der 'Auspija' in den größeren Fluss 'Loswa', als man ein Lager zwischen umgestürzten Bäumen errichtete. Und heute, am zweiten Tag der Flucht, hatte Bors anfänglich vermutet, die Herrin wolle nach Süden gehen- dorthin, wo die größeren Orte und Siedlungen zu finden waren. Doch Marica ging nach einer Querung der Loswa direkt weiter in Richtung Osten. Bors erkannte am frühen Nachmittag, dass man tief im Mansischen Gebiet war. Selbst er kannte diese Wälder und Lichtungen hier von früheren Jagden.

Und nun suchte Marica erneut einen Lagerplatz. Endlich eine Gelegenheit für Bors, die lange Zeit des Schweigens wieder zu unterbrechen.

"Herrin? Hier in der Nähe gibt es einen bekannten Unterschlupf, den wir Mansen in den Zeiten der Jagd gern nutzen. Auch denkbar, dass es dort kleinere Vorräte gibt. Es ist eine Art von kleiner Schutzhütte- über viele Jahre entstanden."

"Ist es weit von hier?", fragte Marica.

"Nein Herrin. Wir könnten Glück haben, dass wir dort vor der aufziehenden Nacht eintreffen. Dort könnte man auch ein Feuer anzünden."

Bors frohlockte bei der Vorstellung an ein knisterndes, warmes Feuer. Üblicherweise ließen die Jäger für die nächsten Bewohner immer ein wenig Trockenfleisch zurück und in einer Ecke getrocknetes Holz. Es war ein ungeschriebenes Gesetz, diese Vorräte wieder für die Nächsten aufzufüllen. Doch ein Not- Quartier- wie es Marica und Bors suchten- war davon ausgenommen.

Marica war einverstanden. Dies zeigte sie, indem die Herrin mit einer Geste andeutete, das Bors nunmehr den weiteren Weg zu der Hütte führen sollte. Er hatte voran zu gehen.

Marica - Die Letzte der SirenenTempat cerita menjadi hidup. Temukan sekarang