Angstvolle Unruhe

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Marica Parthenope war in angstvoller Unruhe.

Sie brach ihre Meditation unverhofft- und zum wiederholten Male- ab. Es erschien ihr unmöglich, sich selbst in einen ruheschaffenden Zustand zu versetzen, um ihre Umwelt wahrzunehmen.

Die Ursache ihrer inneren Unruhe war kein feststellbarer Einfluss.

Derlei Einflüsse konnte es hier in der winterlichen Abgeschiedenheit geben, wie das Umstürzen eines Baumes im Nahbereich ihrer Behausung oder des Tempels oder ein verirrtes Tier auf der Suche nach notwendiger Nahrung.

Beides war in der langen Zeit des sibirischen Winters nicht ungewöhnlich. Die Bäume arbeiteten unter der schweren Schneelast und nur die Gesunden schafften es Jahr für Jahr auf ein Neues, die unwirklichen Bedingungen standhaft zu überstehen. Mit den Tieren verhielt es sich ebenso. Oft war es die Verzweiflung und quälender Hunger, welche manches Wild so nah zu bewohnten Plätzen trieb- manchmal war es vielleicht auch die Neugierde. Jedoch sahen die Tiere, selbst Wölfe oder Bären- in ihrem zu Weilen grausam wirkenden Wesen- in Marica keine Beute. Selbst die gefürchteten Raubtiere schienen ihre Einzigartigkeit zu spüren und zu respektieren, dass Sie hier diesen Ort für sich beanspruchen durfte und ihr kein Schaden zugefügt werden darf.

Marica war nicht an diesen Ort gebunden. Es war kein Ort der Verbannung für sie, sie hatte diese Abgeschiedenheit vor über 700 Jahren für sich entdeckt und gewählt. Sie konnte sich bewegen, wohin es ihr beliebte- dennoch verlangte es ihr nicht danach, sich die großen Städte anzusehen und umher zu streifen in der Welt. Hier hatte sie selbst die Sicherheit für sich entdeckt, welche sie suchte und auch benötigte, um ihre Kräfte durch Meditationen unter Kontrolle halten zu können.

Der Volksstamm der indigenen Ukrah- und vor allem die Mansen verehrten Sie. Doch maßvoll und nicht erdrückend.

Marica hatte es schon anders erlebt. In den alten Zeiten unter den Kelten, Griechen und Römern.

Hier wurden keine riesenhaften Tempel oder Statuen errichtet, um ihr Ehre zu erweisen. Hier war sie nur für sich.

Als Sirene war sie eine Nymphe und ein Naturwesen, die Edelste der Sirenen- doch leider auch seit vielen Jahren die letzte ihrer göttlichen Art und Herkunft.

Sie kannte die Berichte- das, was die Leute über Sirenen sprechen oder schreiben. Lockende Weibsgestalten sollen sie sein, welche mit dem Gesang ihrer Stimme bezaubern und die einfachen Menschen töten und verspeisen. Und auch mit dem Begriff der Nymphen verbinden die heutigen Menschen nur ausschweifendes Leben und ausgeprägten Drang nach sexuellen Lustbarkeiten und Genüssen.

Doch kein heute lebender Mensch kennt die wahre göttliche Bestimmung der Sirenen und Nymphen. Sie hielten seit Anbeginn die Natur und die dort wandelnden Lebewesen im Einklang.

Vier waren sie vormals- vier gottgeborene Sirenen. Jung, attraktiv und von makelloser Schönheit- fähig, auch selbst einen Gott oder Halbgott zu gebären- jedoch nur als Kinder männlichen Geschlechts, den weibliche Kinder können sie durch das alte Göttergebot nicht austragen.

Wie ihre drei Schwestern, so machte auch Marica viele Fehler. Fehler, welche sie heute bereut und auch Fehler, welche sie fast innerlich zu zerbrechen drohten. Zumindest in diesem Punkt waren die Sirenen den Menschen gleich.

Ihr erster Fehler- welchen sie sich jedoch viel zu spät selbst eingestand- war es, sich selbst als Göttin vor den Menschen zu geben. Nicht wie hier bei den Mansen in verhaltener Art und Form, sondern vor langer Zeit unter Ausnutzung all ihrer Kräfte und Fähigkeiten.

So erhob sie sich in der Gegend des heutigen Burgund in Frankreich seinerzeit zum ersten Mal über das einfache Volk der Kelten. Die heutigen Erkenntnisse aus der Region von damals haben nur Teile ihres alten Lebens aufgespürt am Mont Lassois, dem 'Berg der Zeugen', wo man ihr, Marica, huldigte und Opfer gab.

Marica - Die Letzte der SirenenTahanan ng mga kuwento. Tumuklas ngayon