~Carry On~

326 13 0
                                    


Ich weinte nicht. Nicht dieses Mal. Innerlich schrie ich, schlug gegen die Wände des Turmes, aber äußerlich glich ich einem Geist. Ich aß nicht, ich sprach nicht. Stattdessen saß ich am Fenster und blickte auf die Landschaft unter mir herab. Der Sand, die Hügel, hier und da die Spiegelung der Sonne auf dem heißen Untergrund,sie leisteten mir Gesellschaft. Man ließ mich allein oder zumindest versuchte man es. Rhaegar hatte am Anfang alles versucht, um mich zum Reden zu bekommen. Vermutlich wäre er besser damit klargekommen, wenn ich den gesamten Turm auseinander genommen hätte. Aber ich wollte nicht reden. Was hätte ich denn sagen sollen? Brandon, mein Bruder war tot. Gestorben in dem Gedanken, dass Rhaegar mich entführt und vergewaltigt hatte. Schließlich ließen sie mich in Frieden. Ich hätte sowieso keine Gesellschaft ertragen. Jedes Mal, wenn ich meine Augen schloss, sah ich Aerys erneut und dazu den brennenden Thronsaal. Brandons Gesicht.

Aber die Welt um mich herum schien sich im Vergleich dazu schneller zu bewegen. Mittlerweile hatte Robert Baratheon mehrere Häuser um sich versammelt und bereitete den Krieg vor. Haus Stark würde ihn folgen.

Es war gegen Mittag, als ich Geräusche im Vorhof vernahm. Pferdehufe scharrten auf dem sandigen Boden und selbst von meinem Zimmer aus konnte ich die Spiegelungen der Sonne erkennen, welche nur durch Metall hervorgerufen werden konnte. Schließlich erhob ich mich und trat auf das Fenster zu.

Rhaegar und Ser Dayn waren bereits dabei leichte Rüstungen anzulegen. Schwerter lehnten neben ihnen. Schneller, als ich es für möglich gehalten hätte, rannte ich auf die Tür zu und stürzte die Treppe herunter. Ser Oswell Whent, welcher sein Wort gerade an Rhaegar richtete, stockte, als ich auf den Vorhof trat. Sie alle sahen mich an, als hätten sie einen Geist gesehen.

"Geh nicht", flehte ich, als ich Rhaegar erreichte. Ich ergriff seine Hände, welche er ausgestreckt hatte, um mich aufzufangen.

"Es wird alles gut", versicherte er mir und versuchte nach meinem Arm zu greifen.

"Nein, lüge mich nicht an", verlangte ich und stieß seine Hände fort. Tränen rannen an meiner Wange herunter. Rhaegar versuchte noch mich festzuhalten, aber ich trat einen Schritt zurück.

"Lya, ich begebe mich in keine Gefahr. Ser Dayn und ich treffen uns mit einigen verbündeten Häusern. Das ist alles. Wir sollten nicht lange fort sein." Seine violetten Augen leuchteten im Licht der aufgehenden Sonne und für einen Moment schien alles in mir ihm Glauben zu wollen. Solange, bis sich Bandons Gesicht erneut in meine Gedanken stahl.

"Sprich nicht mit mir, als wäre ich ein Kind, Rhaegar", fuhr ich ihn an.

"Es tut mir leid", antwortete er. "Ich weiß, dass das alles schwierig für dich ist."

"Nein", antwortete ich uns schüttelte meinen Kopf. "Keiner von euch versteht, wie es mir geht." Vielleicht war das jetzt die Reaktion, auf welche alle gewartet hatten. Wut, Ärger. Wenigstens zeigte ich überhaupt eine Emotion.

"Mein Bruder ist gestorben und Ned steht in diesem verdammten Krieg auf der Gegenseite." Ich machte eine Pause, ehe ich fortfuhr.

"Du hast gesagt, dass ich nicht eingreifen soll und jetzt ist Brandon tot. Wenn ich nur mit Robert geredet hätte, dann hätte ich vielleicht etwas verändern können. "

"Es hätte nichts geändert." Ser Oswell trat vor und sah mich an. "Robert ist unberechenbar. Er wollte diesen Krieg. Vermutlich war deine und Rhaegars Flucht nur ein vorgeschobener Auslöser."

"Wagt es nicht Robert die Schuld zuzuschreiben. Er ist genauso wenig Schuld, wie wir. Aerys hat Brandon umgebracht, nicht Robert."

"Ihr verteidigt ihn ?" Ser Dayn sah mich streng an, während er mich musterte. Verachtung lag in seinem Blick.

"Natürlich, Robert ist kein Mörder", ich erwiderte seinen Blick.

"Im Krieg ist jeder ein Mörder. Da gibt es keine Ausnahmen." Wir beide starrten uns stumm an, unfähig dem anderen recht zu geben.

"In diesem Krieg geht es nicht länger um Lyannas vermeintliche Entführung. Der Erbe der Starks wurde von dem König hingerichtet. Es war nur eine Frage der Zeit, bis es zu einem Aufstand kommen würde und hier haben wir den eindeutigen Auslöser." Ser Oswell stellte sich zwischen uns.

"Wir können uns dem, was vor uns liegt, nicht länger entziehen." Rhaegar nickte Ser Oswell zustimmend zu. Er machte eine Pause, ehe er sich an Ser Dayn richtete.

"Es ist Zeit, wir sollten aufbrechen."

"Rhaegar", ich wusste, dass dies meine letzte Gelegenheit war, mit ihm zu sprechen. Er drehte sich nicht noch einmal zu mir um, aber ich wusste, dass er mir zuhörte.

"Versprich mir, dass du dich nicht gegen Ned oder Benjen stellst. Ich kann nicht noch jemanden verlieren, den ich liebe. Versprich es mir Rhaegar."

"Ist dir meine Sicherheit egal ?" Jetzt sah Rhaegar mich an.

"Nein", verzweifelt schüttelte ich meinen Kopf. "Natürlich nicht. Aber du kämpfst besser als jeder andere in ganz Westeros. In meinem Kopf sage ich mir immer und immer wieder, dass ich mir deswegen keine Sorgen machen muss, aber ich habe Angst, Rhaegar." Ich machte eine Pause, ehe ich fortfuhr." Deswegen bitte ich dich, geh nicht." Er überlegte einen Moment, aber schließlich wurden seine Gesichtszüge weich.

"Du musst dir keine Sorgen machen. Ich kann nicht sagen, wie der Krieg für uns alle aussehen wird, aber eines kann ich dir versprechen. Dieses Mal werde ich zurückkommen. " Er ergriff meine Hand, drückte sie leicht und wendete dann sein Pferd. Ich blieb noch lange dort auf dem Vorplatz stehen und blickte ihnen nach. Erst, als nur noch der Wind zu hören war, drehte ich mich herum.


~The Dragon and the Wolf~Where stories live. Discover now