~ Winter Is Coming ~

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Auf meinem Weg zu den Ställen schlüpfte ich an mehreren Wachen ungesehen vorbei. Die Dunkelheit, die in den Ecken der Gänge herrschte, machte es mir besonders einfach, mit den Schatten zu verschmelzen und eins mit der Stille zu werden. Dennoch musste ich vorsichtig sein. Die Mauern der großen Festung waren alt. Jeder Schritt schien in den Ecken widerzuhallen, jedes Echo ließ mich zusammenzucken. In den dunkelsten Nischen schienen Silhouetten der vergangenen Tage auf mich herabzusehen und Zeugen meines Vorhabens zu werden. Ich zwang mich, an der Festhalle vorbeizugehen, ohne einen letzten Blick auf meine Brüder zu werfen.

Ich wusste, dass sie dort waren, vermutlich saßen sie an der Tafel von Lord Whent und dachten über das weitere Vorgehen nach. Über mich. Brandon, mit seinen vor Wut zusammengekniffenen Augen, Ned, welcher ihm beruhigend eine Hand auf die Schulter legte und Benjen, mein kleiner Bruder, welcher seinen Blick in die Ferne gerichtet hatte und sich als einziger fragte, was wohl passieren würde. Was unser aller Leben nun bereithalten würde. Selbst an Robert dachte ich. Es war nicht seine Schuld gewesen, dass ich ihn nicht lieben konnte. Noch weniger war es seine Schuld, dass ich fortlief. Er war nicht der Täter, nicht derjenige, welcher die Leben aller anderer zerstörte. Das war ich. Das alles war meine Schuld. Eine Schuld, welche ich niemals begleichen konnte, weder bei meinen Brüdern, noch bei Robert. Eine Träne rann an meiner Wange herunter, als ich mich von dem hell erleuchteten Raum abwandte und ins Freie trat.

Die Nacht war kalt und das Unwetter tobte immer noch. Das war alles, was ich wahrnahm. Es interessierte mich nicht, dass mein Kleid durch den Regen durchnässt war, dass meine Schuhe auf dem nassen Rasen nur noch wenig Halt fanden oder, dass der Himmel alle paar Sekunden durch einen weiteren Blitz hell erleuchtet war. Es war nichts im Vergleich dazu, wie ich mich fühlte. Ich beeilte mich, den Vorplatz zügig zu durchqueren , aber an einer Stelle bleib ich für einen Moment stehen. Es war die Stelle, an der Rhaegar vor ein paar Tagen gestanden hatte und zu mir hoch gesehen hatte.

Mein Blick wanderte zum Turmfenster. Eine einzelne Kerze brannte noch und warf ein sanftes, aber schwaches Licht auf die Fensterscheibe. Regen rann daran herunter und bildete komplexe Muster. Das war es aber nicht, was mich verharren ließ. Für einen Moment schien es so, als stände dort oben jemand. Eine Person, in Schwarz gekleidet, welche mich beobachtete. Sie bewegte sich nicht, hatte den Blick gesenkt und auf einen festen Punkt hinter mir fixiert. Die stechenden Augen ließen mich zittern. Beim nächsten Donnerschlag und dem darauf folgenden erneuten Aufleuchten des Himmels war die Person verschwunden und die Kerze erloschen.

"Mylady Stark", eine Stimme ertönte hinter mir. Ich erschrak und fuhr herum. In dem fahlen Licht fiel es schwer, die Person zu erkennen, aber als mein Blick auf den roten Drachen und die dunkle Uniform fiel, erkannte ich , um wen es sich handelte. Ser Arthur Dayne reichte mir seine Hand.

"Wir dürfen keine Zeit verlieren. Unsere Abreise wird schon sehr bald erkannt werden und wir brauchen einen Vorsprung." Ich nickte nur und ließ mich von ihm mitziehen. Obwohl er beinahe rannte , konnte ich schritthalten. Eine Anspannung ging von ihm aus, größer als bei dem Turnier. Jetzt erkannte ich meinen Fehler von damals. Weder er noch Rhaegar hatten gekämpft. Es war ein Spiel gewesen, als sie mit den Lanzen aufeinander zu geritten waren. Niemand hatte ernsthaft versucht seinen Gegner endgültig zu besiegen. Das hier war anders. Die heitere Stimmung, der letzten Tage, war endgültig verflogen und etwas anderem gewichen. Ser Dayne wusste, was auf dem Spiel stand. Er wusste, dass eine Niederlage ihm teuer zu stehen kommen würde.

Er zog mich immer tiefer in den Wald , hinter den Stallungen, hinein. Nur einen Moment später erreichten wir eine kleine Lichtung, nicht größer, als mein Zimmer in der Festung gewesen war. Die Bäume tanzten im Wind und boten trotz der dichten Baumkronen nur wenig Schutz vor dem Unwetter.

~The Dragon and the Wolf~Where stories live. Discover now