~Brave New World ~

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Die aufgehende Sonne tauchte das vor mir liegende Meer in ein sanftes rotes Licht. Die dornische Küste war noch weit entfernt und ich zweifelte nicht daran, dass noch einige Stunden vergehen würden, bis das Schiff den sicheren Hafen erreichen würde, aber allein die Aussicht auf den Horizont zauberte mir ein Lächeln auf das Gesicht.

Wie so oft herrschte um mich herum ein geschäftiges Treiben. Matrosen fixierten Seile, drehten die Segel und riefen sich gegenseitig, für meine Ohren ruppig klingende, Worte zu. Trotz allem wusste ich, dass sie es nicht so meinten. In den drei Tagen, die wir nun schon an Bord der Valyria verbracht hatten, war mir mehr und mehr aufgefallen, dass sich die Matrosen beinahe wie eine kleine Familie verhielten. Die meisten waren mir gegenüber nicht gerade freundlich gesinnt gewesen, da sie befürchteten, dass eine Frau ihnen Unglück bringen könnte, aber mit der Zeit scheinen sie sich an mich gewöhnt zu haben.

Ich hatte es zur Gewohnheit gemacht an Deck spazieren zu gehen und trotz des Treibens schaffte ich es, Seilen, Segeln und den Matrosen geschickt auszuweichen. Es war ein unglaubliches Gefühl, den leichten Seewind und die sich am Bug brechende Gischt zu spüren. Das Meer schien nie wie am Tag zuvor zu sein. Es war unberechenbar, mit den hohen Wellen und den ruhigeren Passagen dazwischen. Weder Rhaegar noch unsere Begleiter fanden viel Gefallen an den Schönheiten unserer Überfahrt. Sie verbrachten die meiste Zeit unter Deck und beschäftigten sich mit den Nachrichten über einen bevor stehenden Krieg. Ein Krieg schien nun unausweichbar und obwohl ich mein Bestes tat, um Rhaegar zu helfen, lag Roberts Nachricht doch wie ein drohender Schatten über uns allen.

Am wenigsten Gefallen fand Ser Oswell Whent an der Überfahrt. Im Gegensatz zu Rhaegar, mir, Ser Hohenturm und Ser Dayne , litt er unter schwerer Übelkeit. Ich konnte es ihm noch nicht einmal verdenken, schließlich kam es besonders in der Nacht zu stärkeren Winden. Ein Zeichen für unsere baldige Ankunft. Da niemand die Zeit fand, sich um ihn zu kümmern, sah ich es als meine Pflicht an, nach ihm zu sehen und ihn dazu zu bewegen, kleine Mengen des Zwiebacks zu sich zu nehmen. Einer der Matrosen hatte mir getrocknetes Fleisch angeboten, aber selbst mir hatte sich der Magen beinahe umgedreht, als mich der faulige Geruch erreichte. Diese Nahrung schien bereits seit mehreren Wochen ungenießbar zu sein.

Seltsamerweise schien mir diese Beschäftigung alles andere, als unangenehm zu sein. Ich genoss die Unterhaltungen mit Ser Whent, in denen er über seine Jugend und sein Verhältnis zu seinem älteren Bruder Lord Whent sprach. Diese Erzählungen schienen den Erinnerungen aus meiner Kindheit so fremd zu sein, dass es mir eine Vorstellung von einem anderen Leben gab. Das Leben im Norden war anders, schwieriger. Das bedeutete nicht, dass es schlechter war, es war einfach nur anders. Ser Oswell würde sich freuen, wenn ich ihm die Nachricht unserer baldigen Ankunft mitteilen würde, da war ich mir sicher. Als ich meine Position am Deck aufgab und an seine Tür klopfte, antwortete er mir zum ersten Mal nicht.

Als ich die Tür öffnete, fand ich den kleinen Raum verlassen vor. Von Ser Oswell war keine Spur zu erkennen. Seltsam war auch, dass jemand aufgeräumt haben musste, denn die wenigen Gegenstände, welche den Raum zierten, lagen wieder auf ihren angestammten Plätzen. Erst, als ich vor Ser Dayns Kajüte anhielt, vernahm ich seine Stimme.

Niemand nahm Notiz von mir, als ich eintrat. Sie alle waren über eine ausgebreitete Karte gebeugt, welche den beinahe den gesamten Raum einnahm.

"Das ergibt keinen Sinn. Die Lannister würden dem niemals zustimmen. Lord Tywin ist die Hand des Königs. Warum sollte er sich Robert anschließen ?" Ser Hohenturm schüttelte den Kopf.

"Das sehe ich ähnlich. Von den Lannistern dürften wir keine Gefahr erwarten. Mir bereiten eher Jon Arryn und die Flusslande Sorgen. Wenn wir nicht wachsam sind, dann...", Rhaegar hatte sich erhoben und deutete auf einen Punkt, südlich von Hohenehr. Als er mein Eintreten bemerkte, stockte er und sah mich besorgt an.

~The Dragon and the Wolf~Where stories live. Discover now