~Generosity~

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Um 5 Uhr , als das Licht bereits schwand, endete das Turnier für den Tag. Nicht unglücklich, endlich aufstehen zu können, erhob ich mich bereitwillig. Ich hatte den gesamten Tag gesessen und allein die Aussicht, etwas Bewegung zu bekommen, zauberte mir ein Lächeln ins Gesicht.

"Und ich soll Euch wirklich nicht zurückbegleiten?", fragte Robert verwundert. "Es wird bald dunkel."

"Nein danke. Eben deshalb möchte ich die letzten Stunden des Tages noch nutzen. Ich sehe Euch heute Abend beim Fest", sagte ich zu Robert. Er wollte gerade zu etwas ansetzen, als er von Ned unterbrochen wurde.

"Lass sie, sie wird schon nicht zu weit gehen. Ich habe einen Brief erhalten, den ich dir gerne zeigen wollte", sagte er und Roberts Neugier siegte.

"Ich freue mich auf heute Abend", verabschiedete er sich, um dann meinem Bruder zu folgen. Die anderen Gäste folgten ihnen. Ich selbst entschied mich allerdings noch etwas spazieren zu gehen. Vom Turnierplatz führte ein kleiner Pfad tief in den Wald hinein und endete ein paar 100 Meter weiter bei den Pferdeställen.

"Lady Lyanna", hörte ich auf einmal eine Stimme hinter mir. Ich drehte mich um und blickte direkt in die Augen von Prinz Rhaegar.

"Ich habe Euch gar nicht kommen gehört", sagte ich und lächelte ihn an.

"Nun, mir sind einige Gerüchte zu Ohren gekommen und ich wollte nur wissen, ob sich meine Vermutung bestätigen lässt", er schmunzelte.

"Ich weiß nicht, wovon Ihr redet", sagte ich gespielt schockiert.

"Doch, ich denke das tut Ihr. " Wieder sah er mich mit einem durchdringendem Blick an.

"Was würdet Ihr mir denn vorwerfen wollen?", fragte ich schließlich.

"Nun, mir ist zu Ohren gekommen, dass heute eine Frau, einige der Knappen einer der besten Ritter verprügelt hat. Aber davon wisst Ihr nichts, oder?", er zog eine Augenbraue hoch.

"Ich ? Nein, das würde sich nie für eine Lady gehören."

"Dann werde ich mich wohl weiter umsehen müssen", seufzte er gespielt.

"Unter uns, sie hatten es verdient", flüsterte ich.

"Das habe ich nie in Abrede gestellt", sagte er.

"Nun, Ihr müsst sie mächtig eingeschüchtert haben. Keiner von ihnen traut sich mit der Sprache herauszurücken. Erst als ihre Ritter mit Prügel drohten."

"Wahrscheinlich war der seelische Schmerz höher, als die physischen Qualen ", lachte ich.

"Davon bin ich überzeugt. Sich Schwäche einzugestehen ist schwieriger als alles andere." er nickte.

"Ihr seid die Verlobte Roberts, nicht wahr?", fragte er dann. Die Frage kam überraschend.

"Ja, ich habe es erst vor kurzem erfahren.",antwortete ich.

"Und liebt Ihr ihn?"

"Ist das wichtig? Ich habe schon lange aufgehört auch nur daran zu denken, denn sonst würde ich es mir nur noch schwieriger machen, als es ohnehin schon ist." Ich sah ihn nicht an, sondern blickte auf den Boden des Waldweges.

"Ich bin nicht so naiv zu glauben, dass jede Ehe glücklich ist."

"Nun, ich würde es nicht naiv nennen", widersprach Rhaegar mir.

"Wie würdet Ihr es dann nennen?", wollte ich wissen.

"Zu wissen, dass man sich etwas wünscht, es aber vermutlich nie erreichen wird, ist etwas anderes, als es zu verleugnen. Man muss für seine Wünsche einstehen."

~The Dragon and the Wolf~Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt