~Leaving Home~

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Die Stunde der Abreise rückte immer näher. Ich saß an dem Fenster, an der linken Seite des Zimmers und beobachtete die Menschen. In diesem Augenblick fühlte ich mich nicht wie der Grund für diesen Aufbruch, sondern wie eine Beobachterin. Ich sah von oben auf das Geschehen herab, doch verändern konnte ich nichts. Ich hasste es, nur zu beobachten und nichts verändern zu können. Bran hätte mich damit aufgezogen, wenn er hier gewesen wäre. Er hätte gelacht und ich hätte ihm meine Strickarbeiten an den Kopf geworfen. Danach hätte ich ihn durch Winterfell gejagt, bis wir an den Ställen ankamen. Wir wären aufgestiegen und geritten. Irgendwo hätten wir angehalten, er hätte mich vom Pferd gehoben und wir hätten mit Holzschwertern gekämpft. Er hatte mich trainiert, mit mir geübt und nun war ich gut, besser als gut. Benjen und Ned konnte ich mühelos besiegen. Bran zu besiegen war schwieriger. Man musste eine List anwenden, um zu gewinnen. Im Bogenschießen war ich dafür besser. Niemand konnte mich besiegen.

Ich vermisste diese Zeit. In mir wünschte ich mir so sehr, dass sich diese Zeit wiederholen könnte. Das ich wieder mit Bran kämpfen könnte und mit Benjen trainieren. Aber wir alle entwickelten uns weiter. Ich war mit Robert Baratheon verlobt und Bran war mit Caitlyn Tully verlobt. Er würde Winterfell erben. Was würde mit Ned und Benjen passieren? Würden sie fortgehen? Oder würden sie hier bleiben? Alles war so ungewiss.

Es klopfte an der Tür und ich warf noch einen letzten Blick auf mein Zimmer. In der rechten Ecke brannte ein kleines Feuer in dem Kamin. Links stand mein Bett und daneben der Kleiderschrank. In ihm hatte ich meine Schwerter und meinen Bogen versteckt. Aber ich würde sie nicht mitnehmen dürfen. Mein Blick wanderte zu der Anrichte und ich hob die Kette auf. Es war ein Medaillon und es zeigte einen Wolf in einem Meer aus Winterrosen. Bran hatte sie mir geschenkt. Ich nahm sie und legte sie an. Dann trat ich zur Tür hinaus, ohne mich noch einmal umzudrehen.

Im Hof waren schon alle versammelt. Ich verabschiedete mich von Mutter und Vater und stieg dann auf mein Pferd auf. Bran nickte mir zu und gab den Befehl los zureiten. Ich wollte ihm folgen, als ich meinen Namen hörte.

"Lady Lyanna" Ich drehte mich um und sah Wylis, wie er uns entgegenlief. Ich wendete mein Pferd. Als er ankam, verbeugte er sich und drückte mir eine Figur in die Hand. Als ich sie genauer besah, stellte ich fest, dass es ein aus Stroh geflochtener Wolf war. "Danke Wylis", lächelte ich und nahm seine Hand.

"Ich musste mich noch verabschieden", sagte er.

"Ja, leb wohl Wylis", antwortete ich und mir stiegen Tränen in die Augen.

"Komm Wylis" Die alte Nan war nach vorne getreten und wollte Wylis wegführen.

"Mögen die alten Götter Euch den Weg weisen", sagte sie. Wylis ließ meine Hand los und ich wendete mein Pferd erneut. Niemand sollte die Tränen sehen.

Sie alle, Freunde, Bekannte und Bewohner von Winterfell, standen am Tor und winkten uns zu, als wir Winterfell für immer verließen. Ich drehte mich um und sah die Fahne der Starks an dem Turm wehen. Schnee fiel.

Würde ich Winterfell je wieder sehen?

Würde ich jemals wieder mit Bran reiten und mit Benjen kämpfen?

War das alles, was mir blieb? Eine Erinnerung an die guten Tage?

Nein, das würde es nicht sein. Ich würde Winterfell jede Nacht in meinen Träumen sehen. Dort würde ich sie alle wiedersehen, Bran, Ned und Benjen und auch die alte Nan und Wylis.

Dort würde ich immer Zuflucht finden. Winterfell war mein Zuhause. Und Winterfell war da, wo ich war. Ich war schließlich eine Stark. Winterfell war kein wirklicher Ort, es war ein Teil von mir. Solange ich lebte, würde mein Winterfell existieren.

Wir ritten bis Sonnenuntergang auf dem Königsweg. Es war der größte Landweg, welcher Königsmund und Winterfell verband. Maidengraben tauchte neben uns auf und verschwand wieder. Wir würden in einem Gasthaus Rast machen und dann unseren Weg nach Harrenhal fortführen. Harrenhal. Ich wusste nur einige wenige Dinge über Harrenhal. Sie war die größte Burg in ganz Westeros, sogar größer als der rote Bergfried in Königsmund. Sie befand sich in den Flusslanden, nordwestlich von Königsmund und südlich des Trident. Das Land hatte einst den Eisenmännern gehört, bevor es von Lord Harrens Großvater erobert worden war. Zum Schutz vor den Eisenmännern, befahl er eine Festung zu bauen. Die größte, die jemals gebaut wurde. Es dauerte über drei Generationen sie fertig zu stellen. Und nun lud Lord Whent zu einem großen Turnier ein. Es sollte 10 Tage dauern. 10 Tage! Sollte es funktionieren, wäre es das größte Turnier, welches jemals ausgerichtet worden war. Laut Bandon würden alle wichtigen Lords von Westeros anwesend sein. Robert würde da sein, genauso wie Prinz Rhaegar Targaryen, der Kronprinz der sieben Königreiche. Er würde mit seiner Frau Elia Martell anreisen. Mehr wusste ich über ihn nicht. Sein Vater, Aerys 2. regierte Westeros von Königsmund aus. Es wäre unwahrscheinlich, dass er kommen würde. Er hatte den roten Bergfried schon seit Jahren nicht mehr verlassen. Man nannte ihn den Irren König, aufgrund seiner Herrschaft. Jeder hoffte, dass Rhaegar ein besserer Herrscher werden würde.

"Wir sollten bald Rast machen", sagte Bran und ritt zu mir.

"Wann werden wir Harrenhal erreichen? ", fragte ich ihn.

"Wenn wir nicht aufgehalten werden, werden wir in 5 Tagen ankommen. Am Abend ist ein großes Bankett angelegt, an dem wir teilnehmen. Einen Tag später wird das Turnier offiziell eröffnet", war seine Antwort. Ich nickte.

"Wirst du mitreiten?"

"Nein", antwortete er mir.

"Ich würde gerne mitreiten", seufzte ich.

"Du wärst besser als sie alle", er schmunzelte.

"Aber leider wäre das gegen die Vorschriften.Das Turnier ist dafür da, die Stärke des eigenen Hauses zu demonstrieren."

"Und du meinst, dass es eine Schande wäre, wenn sie eine Frau besiegen würde?", lächelnd sah ich ihn an.

"Nun, es wäre jedenfalls etwas, über das man noch lange reden würde. Aber Lya, diese Turniere sind gefährlich. Es kommt immer wieder vor, dass man versucht seine Gegner vorab zu vergiften. Außerdem wurden schon viele Männer von den Lanzen durchbohrt ", er seufzte.

"Ich will dich nicht dort oben sehen, ich meine es ernst."

Ich nickte. Ich wusste, dass Bran nur um meine Sicherheit besorgt war, dennoch gefiel es mir nicht. Ich war kein Kind mehr. Ich wusste sehr wohl über die Gefahren des Lebens bescheid und ich wusste auch, dass ich mich ihnen stellen musste. Was bedeutete es, eine Lady zu sein, wenn ich nicht einmal über mein Leben entscheiden durfte? Ich wünschte mir etwas anderes. Wenn ich heiraten würde, dann für Liebe und nicht um die Frau von Robert Baratheon zu werden.

Wir ritten für 5 Tage. Die raue Landschaft des Nordens verblasste und der Königsweg weitete sich nach südwesten aus. Es fiel kein Schnee mehr und die Sonne schien stärker und wärmer, als sie es jemals im Norden getan hätte. Es war schön, das Sonnenlicht zu spüren. Zu der Zeit, als wir in den Flusslanden eintrafen, war der Norden ganz verschwunden. Wachen empfingen uns und führten uns durch die Flusslande, bis zur Festung. Vor dem gewaltigen Tor von Harrenhals hielten wir an.




~The Dragon and the Wolf~Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt