~I See With My Own Eyes ~

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„Braucht Ihr eine Einweisung?", fragte mich der Mann, welcher mir den Bogen reichte.

"Ich denke nicht", antwortete ich und lächelte ihm dankbar zu.

"Ihr werdet verlieren", flüsterte Rhaegar mir ins Ohr und zog sich dann zurück.

„Das werden wir sehen", sagte ich schließlich, als ich den Bogen spannte. Dieser war sehr leicht, weswegen die Spannkraft deutlich geringer war, als bei den Bögen, die ich normalerweise verwendete. Es dauerte einen Moment, bis ich ihn austariert hatte, aber schließlich fixierte ich das Ziel mit meinen Augen und ließ den Pfeil fliegen. Er drehte sich einige Male in der Luft und schlug mit Kraft in die Zielscheibe. Er durchbrach das Holz und Stroh, aus dem die Scheibe gemacht war und fand seinen Weg in die Mitte.

"Nicht schlecht",gab Rhaegar zu.

"Nicht schlecht ? Der Pfeil ist genau in der Mitte eingeschlagen", verteidigte ich mein Können.

"Macht es erst einmal besser."

"In Ordnung", stimmte er mir zu und nahm mir den Bogen ab. Als seine Hand meine Finger berührte, zuckte ich zusammen, reichte ihm aber wortlos den Bogen. Meine Wangen färbten sich leicht rot.

Rhaegar brauchte ebenfalls nicht lange um den Bogen zu spannen. Dabei war seine Handhaltung ganz anders als meine. Ich konnte es nicht genau beschreiben, aber bei ihm sah es einfacher aus, so als würde er das Holz kaum selbst berühren. Der Pfeil löste sich wie von selber und für einen Moment hielt ich den Atem an, als er in die Scheibe einschlug. Er steckte direkt neben meinem, keine Hand hätte dazwischen gepasst. Dennoch lag meiner näher am Ziel. Ich konnte es nicht fassen. Ich hatte seine Haltung gesehen, die Art wie er den Bogen gespannt hatte. Er hätte gewinnen können, da war ich mir sicher. Ich hatte im Laufe der Jahre viele Techniken und Schützen gesehen und bei ihnen allen hatte ich genau bestimmen können, wie der Pfeil einschlagen würde, wo er es tun würde. Ich wandte meinen Blick ab und sah Rhaegar in die Augen. Das Violett blitzte leicht auf.

"Wie es aussieht, habt Ihr gewonnen Lady Lyanna", sagte er und nickte mir zu.

"Nun, ich habe Euch gesagt, dass ich gewinnen würde", stellte ich fest und lächelte ihn an.

"Dann bleibt mir nichts anderes übrig, als mich Euren Forderungen zu beugen", er begann zu lächeln und verbeugte sich leicht.

"Ich nehme Euch beim Wort", antwortete ich und zusammen entfernten wir uns von der Wiese. Als wir durch eine der kleineren Gassen gingen, erhaschte ich einen Blick auf eine Sonnenuhr.

"Wann beginnt das Turnier ?", fragte ich Rhaegar , als ich ihn darauf aufmerksam machte.

"In einer halben Stunde. Mir ist gar nicht aufgefallen, wie die Zeit vergangen ist. Wir müssen uns beeilen. Komm", sagte er und zog mich mit sich. Wir rannten an den Marktbesuchern vorbei , die uns seltsame Blicke nachwarfen. Es dauerte nicht lange, bis wir bei den Pferden ankamen. Sie standen noch an demselben Platz, an dem wir sie zurückgelassen hatten. Ich brauchte keine Hilfe , um mich in den Sattel zu schwingen und so gab Rhaegar seinem Rappen die Fersen und wir machten uns auf den Rückweg. In der Ferne konnte man Harrenhal schon ausmachen.

"Es ist besser, wenn ich noch einen Moment warte", schlug ich vor und Rhaegar nickte. Wir sollten nicht zusammen gesehen werden.

"Ich habe aber noch eine Frage." Rhaegar drehte seinen Kopf und sah mich erwartend an.

"Warum denke ich, dass ich weiß, worum es geht ?", er begann zu lächeln.

"Warum hast du verloren ? Bei dem Bogenschießen meine ich."

~The Dragon and the Wolf~Where stories live. Discover now