Eine Chance

71 1 0
                                    


Der erste Morgen in Schneefeld brach für mich an. Es war noch dunkel. Nur ein paar helle Streifen waren am Himmel. Mein erster Blick fiel auf Susanne, die irgendwo unter ihrer Lockenpracht und der Bettdecke lag.

Ich stand leise auf, um sie nicht zu wecken, und lief aus dem Zimmer. Nachdem ich im Bad gewesen war, schaltete ich das Licht in der Wohnküche ein, suchte mir einen Platz und fing an, mich zu dehnen. Nur weil ich jetzt hier war, wollte ich nicht mein Training aufgeben.

Kurz bevor ich mit meinen Übungen fertig war, kam Nina ins Wohnzimmer und sah mich kurz erschrocken an.

„Morgen", sagte ich und lächelte.

Sie grüßte zurück und meinte: „Das ist so ungewohnt, dass ich nicht die einzige Frühaufsteherin bin."

Ich zuckte mit den Schultern: „Mein Zeitempfinden ist gerade total im Eimer, aber ich stehe auch so früh auf. Meine Freundinnen und ich haben samstags immer Choreos entwickelt, wenn nicht grade irgendeine Sportmannschaft unserer Schule ein Spiel hatte."

„Ach ja", sagte Nina, „Jürgen hat erzählt, dass du Cheerleader bist...oder warst. Hier in der Umgebung gibt's keinen Verein, den wir dir anbieten könnten."

Das hatte ich befürchtet, aber so schlimm war das gar nicht. Ich war den Cheerleadern beigetreten, weil ich irgendetwas beitreten musste und meine beste Freundin Captain der Cheerleader war. Ich tanzte zwar gerne, aber nicht um jemanden anzufeuern.

„Willst du mit Joggen kommen?", fragte Nina plötzlich. Ich nickte und lief in mein Zimmer, um bequeme und vor allem warme Kleidung zu suchen.

Zehn Minuten später war auch Nina bereit und wir liefen los. Eine Weile liefen wir durch die Gegend. Vorbei an mehreren Wohnhäusern, einem Discounter und einem Kiosk. Nina hielt und zeigte auf einen Plattenbau: „Da ist momentan die Heine-Gesamtschule drinnen, auf die du auch ab morgen gehst."

„Schön ist was anderes", rutschte es mir heraus.

Nina seufzte: „Das ist nur eine Notlösung. Das eigentliche Schulgebäude musste abgerissen werden und wird jetzt neugebaut. Ab nächstem Jahr wird es genutzt werden können. Mir gefällt das hier auch nicht. Es ist dreckig und auch abrissbereit."

Wir joggten weiter. Die Mehrfamilienhäuser wurden kleiner, als wir an einem Hügel ankamen, und sie besaßen kleine Vorgärten. Weiter oben stand ein Altersheim, vor dem ein großer Park angelegt worden war. An einer Stelle ging der Hügel steil hinab. Dort wurde Nina langsamer und stellte sich an ein Geländer. Ich kam neben sie und sah auf Schneefeld hinab. Wir waren nicht weit oben, weshalb ich fast nur die Häuser sah, an denen wir vorbei gerannt waren.

Nina wandte sich mir zu: „Ich möchte dich etwas fragen, Miriam. Jürgen hat es dir vielleicht schon erzählt...ich führe hier eine kleine Tanzschule. Würdest du vielleicht aushelfen wollen? Natürlich erst nachdem ich gesehen habe, was du drauf hast."

Ich überlegte kurz: „Irgendwie würde ich gerne weiter trainieren. Warum eigentlich nicht?"

Nina strahlte: „Sehr schön. Eine meiner Mitarbeiterinnen macht eine Tanz-AG an der Schule. Da kannst du auch mittrainieren. Oder bei mir. Und jetzt zeig mir, was du drauf hast."

„Hier?"

Nina nickte. Ich zog mein Handy aus der Tasche und wählte Boombayah von Blackpink. Wen es Lieder gab, mit denen man sein Tanztalent zeigen konnte, dann ja wohl mit koreanischen. Dann drückte ich ihr das Handy in die Hand, zog die Jacke aus und wartete, bis Nina die Play-Taste drückte. Ich ließ die Musik in mich einfließen und ließ mich von ihr mitziehen. Mit jedem Schritt hatte ich mehr das Gefühl zu fliegen, während ich für Nina wohl eher mit jedem Schritt bitchiger aussehen musste. Als sie mir das Smartphone zurückgab sagte sie aber: „Das war wirklich gut."

Rich Girl DownWhere stories live. Discover now