Kapitel 42

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Tobys P.o.V.:

"Verdammte scheiße!" rief ich, als die Kleine zusammenbrach und bewusstlos in Jakes Armen hing. "Wir müssen irgendwas tun!" Mein Bruder musterte kurz ihren schlaffen Körper, bevor er sie hochhob und nach oben marschierte. Verwirrt rannte ich ihm hinterher und sah wie er sie in mein Auto legte. Würde er ihr helfen?

"Ich schicke dir gleich eine Adresse, bring sie dorthin und sag, dass du in meinem Namen kommst und er ihr helfen soll. Er wird sich auskennen." Mit diesen Worten deutete er mir einzusteigen, was ich dann auch nach kurzem Zögern tat. Jake wusste was zu tun war, er hatte im Moment einen klareren Kopf als ich. Hektisch startete ich den Wagen, legte den Gang ein und düste mit viel zu hoher Geschwindigkeit über die brüchigen Straßen in Richtung Hauptstraße.

Mein Kopf war gleichzeitig voller Gedanken und irgendwie doch so leer, ich wusste echt nicht, was mit mir los war. Was ich denken sollte, was ich denken durfte. Es fühlte sich an, als wäre ich auf Autopilot gestellt, während ich fuhr. Und ich hoffte einfach nur, dass nicht noch ein unschuldiger Mensch auf meiner Liste stehen würde.

Auf der Namensliste dessen Tode ich verursacht hatte.

Andererseits wäre es vielleicht auch gut wenn sie sterben würde. Sie müsste dann nicht mehr bei uns leiden. Es war eine scheiß Idee gewesen, sie mitzunehmen, aber ich wollte einfach nur einem Konflikt mit meinem Bruder entgehen und sah dies als die beste Lösung.

Was war nur aus mir geworden? Wo war der herzlose Tobias hin, dem alles egal war? Seit wann kümmerte mich der Tod so sehr? War ja nicht so, als wäre ich ihm nicht schon tausendmal gegenüber gestanden und hätte ihm mit einem trotzigen Grinsen zugewunken, bevor ich ins Reich der Lebenden zurückgekehrt war.

Irgendwie hatte ich mich schon so an Lina gewöhnt. An das Gefühl eine Frau im Haus zu haben, nicht mehr alles selbst machen zu müssen... eine Puppe zu haben, an der ich meinen ganzen Frust abladen konnte. Auch wenn das alles andere als richtig war. Bei sowas war ich einfach viel zu egoistisch. Das vibrieren meines Handys schreckte mich aus meinen Gedanken. Jake hatte mir die Adresse geschickt.

Mit kurzen Handriffen hatte ich sie ins Navi eingegeben und fuhr entlang des blauen Striches, der mich in eine sehr abgelegen Gegend führte. Aber was wunderte es mich, das waren eben Jake und seine mysteriösen Kontakte. Ich hoffte einfach nur, dass derjenige zu dem ich geführt wurde, wusste was zu tun war und uns helfen könnte. Es waren nur noch wenige Minuten bis zum Ziel, die mir viel zu langsam vorkamen. Immer wieder wich ich irgendwelchen Fahrzeugen oder Menschen aus, die mir schockiert hinterher brüllte. Doch mir war egal, was diese Spießer von mir hielten, das Einzige was sie von mir zu sehen bekamen, war mein Mittelfinger.

Auf meiner Rückbank lag ein Mädchen, das um sein Leben bangte und ich ließ nicht zu, dass es starb. Vor einem alten Gebäude angekommen, sprang ich aus dem Auto, nahm Lina auf den Arm und rannte zu der Tür an der ich Sturm klingelte. Ihr Atem war schwächer geworden und kam es mir nur so vor, oder war ihre Hautfarbe ebenfalls deutlich blasser geworden? Es schien als würde von Sekunde zu Sekunde mehr Leben aus ihr verschwinden. "Ich komme ja schon! Nimm deinen scheiß Finger von der Klingel. Was ist los mit d..."

Die Tür schwang auf und ein großgewachsener Mann mit blonden Haaren kam zum Vorschein, der geschockt auf das Mädchen in meinen Armen sah. "Bring sie rein." Er fragte noch nicht einmal wer ich war, was ich hier wollte, woher ich ihn kannte. Nein, er ließ mich einfach in sein Revier und führte mich zu einem Metalltisch, wo ich sie ablegen sollte.

Der Raum in dem wir uns befanden sah genauso aus, wie man sich ein typisches Behandlungszimmer im Krankenhaus vorstellte. Der Typ schien also ein Arzt zu sein, hoffentlich war er gut und kannte sich in seinem Fach aus. Kaum hatte ich Lina abgelegt, hatte er sich schon über sie gebeugt, ihren Puls gemessen und in ihre Augen geleuchtet, während er mich mit Fragen löcherte, auf die ich ihm nur spärlich antwortete. Ich wusste nicht, wieviel er wusste, über was ich reden durfte und über was nicht.

"Wie viele hat sie genommen?" fragte er weiter und hängte sie an ein EKG wo man kurz darauf ihren schwachen Herzschlag auf einem Bildschirm erkennen konnte. "Ich weiß nicht... laut Jake um die 18..." Als ich den Namen meines Bruders erwähnte schwang sein Blick kurz prüfend zu mir, bevor er sich weiter an die Behandlung machte. "Jake..." murmelte er leise in Gedanken vertieft, bevor er eine Spritze zur Hand nahm und diese in ihren Bauch stach. "hat sie erbrochen?"

Jeder seiner Handgriffe wirkte so geübt, als würde er sowas jeden Tag machen müssen. "Ja. Jake hat sie direkt dazu gezwungen." Meine Augen waren starr auf ihren Herzschlag gerichtet, der zwar stetig aber doch sehr schwach war. Was hatten wir ihr nur angetan? Wir hatten sie um ein Haar in den Selbstmord getrieben.

"Gut... ich habe ihr jetzt hundertprozentigen Alkohol in die Leber gespritzt, sodass sie den Giftstoff der Drogen nicht aufnehmen kann, mehr kann ich im Moment leider nicht tun... aber ich werde jetzt noch eine allgemeine Untersuchung durchführen und sie durchchecken, deshalb würde ich dich bitten, nach draußen in den Gang zu gehen." Es war klar, dass er sie nur untersuchen wollte, weil er meinen Bruder kannte.

Ich hoffte er würde nichts finden, oder wenn er etwas fand, dass er nicht direkt die Polizei verständigen würde. Stumm und ohne jeglichem Widerstand lief ich nach draußen und setzte mich auf den Boden, wo ich darauf wartete, dass ich wieder zu ihr durfte. In meinem Kopf konnte ich noch immer das Bild vor mir sehen, wie sie so schwach und zerbrechlich auf dem riesigen Metalltisch lag.

Und umso länger es sich in meine Gedanken einbrannte, desto unruhiger wurde ich, bis ich dann nach meinem Handy griff, da ich es keine Sekunde mehr ohne Ablenkung aushielt. Fünf neue Nachrichten von 'Jake'. Warum zum Teufel hatte er mir fünf Nachrichten geschrieben? Er schrieb mir normal nie! Gab es Probleme?

J: Seid ihr schon dort?
J: Wie geht es ihr?
J: Schalt das Handy aus!
J: Sofort!
J: Du wirst geortet!!! Wir verständigen und über Renés Handy!!!

Die letzten drei Nachrichten hatte er erst vor ein paar Minuten abgeschickt, weshalb ich sofort seinem Befehl befolgte und erst dann bemerkte, dass ich niemanden kannte, der René hieß. Es musste sich dabei also um den Arzt handeln, der gefühlte Stunden später aus dem Raum kam und die Tür hinter sich schloss.

Hektisch sprang ich auf und stellte mich direkt vor ihn. "Hast du was gefunden?"

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⏰ Last updated: Jul 25, 2019 ⏰

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