Kapitel 37

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Am Rande der Verzweiflung nahm ich mein Handy in die Hand und rief Manu an. Hoffentlich war die Suche bei ihm besser verlaufen, als bei mir und er hatte sie gefunden. Nach wenigen Sekunden hob er auch schon ab und redete direkt darauf los. "Hast du sie?" fragte er ohne Umschweife, weshalb ich frustriert die Schultern fallen ließ. "Nein, sie ist nicht auffindbar... was sollten wir jetzt machen? Wenn sie zu den Bullen geht, sind wir geliefert!"

Ein schmerzhaftes Pochen hatte sich hinter meiner Stirn festgesetzt, welches einfach nicht verschwinden wollte, alleine der Gedanke daran, wegen so einer kleinen Bitch in den Knast zu wandern, verursachte unerträgliche Kopfschmerzen bei mir. "Ich fahre jetzt noch einmal alle Nebenstraßen ab. Simon hat vorhin Bescheid gegeben, dass er sich die alte Waldhütte vornimmt..." Seine angeschlagene Stimme verriet mir, dass er ebenfalls nur ungerne an die Konsequenzen dachte.

"Ich gehe noch ein Stück weiter, aber wenn ich sie in 10 Minuten nicht habe, kehre ich um und informiere Jake. Hoffentlich fällt dem was ein..." Seufzte ich und zerrte entmutigt an meinen Haarspitzen, was eine blöde Angewohnheit von mir war, wenn ich mit einer Situation nicht klar kam. "Mach das. Bis nachher und viel Glück." Nachdem ich mich ebenfalls verabschiedet hatte, lief ich noch ein wenig tiefer in den Wald und musste mit erschrecken feststellen, dass die Sonne bereits am Untergehen war.

In der Dunkelheit würden wir sie unmöglich finden! Ich musste die geringe Chance, die ich noch hatte, nutzen und mich beeilen. So als würde mein Leben davon abhängen, was es in gewisser Weise ja auch tat, stürmte ich durch den Rest des Waldes, bekam Äste und Nadeln ins Gesicht. Wodurch die Wut in mir nur noch weiter anstieg. Die Tiere, die sich gerade erst in ihre Verstecke begeben hatten, um sich ihren wohlverdienten Schlaf zu holen, schreckte ich durch mein Getrampel auf, wodurch mehrere Rehe wild und ohne Ziel vor Augen durch die Gegend sprangen.

Einerseits taten sie mir in gewisser Weise leid, doch andererseits war es mir scheißegal, immerhin musste ich Lina finden, bevor es dunkel wurde. Warum war Jake überhaupt so fahrlässig und hatte nicht kontrolliert, ob sie auch wirklich die Tür offengelassen hatte? So war er sonst doch auch nie! Das Pochen in meinem Kopf wurde stärker und mein Atem ging, dank der Anstrengung, auch nur noch stoßweise. Ich sollte wohl lieber doch regelmäßiger Sport machen, anstatt mich mit Alkohol und Zigaretten zu vergnügen.

Spätestens im Gefängnis würde mir sowieso nichts anderes mehr übrigbleiben, als tagtäglich Gewichte zu stemmen, um nicht wie ein Weichei dazustehen. "Fuck!" Ich war am Ende des Waldes angelangt und konnte den Wutausbruch nicht mehr länger zurückhalten. Jetzt war es gelaufen. Meine letzte Hoffnung, sie doch noch zu finden, wurde soeben zerstört. "Jake wird völlig ausrasten." murmelte ich und fuhr mir verzweifelt durch die Haare, während ich mich umdrehte um zurückzugehen, als auf einmal in einiger Entfernung ein leises Quietschen ertönte.

Wie von der Tarantel gestochen fuhr ich herum und trat näher in die Richtung, aus der ich dachte das Geräusch gehört zu haben. Das Glück schien anscheinend doch noch auf meiner Seite zu sein. Denn ich hatte sie gefunden. Voller Panik war sie aufgesprungen, als ihr eine Spinne über die Hand gekrabbelt war und hatte sich dabei selbst verraten. Für einen Moment war ich wirklich erleichtert sie zu sehen, doch in der nächsten Sekunde wurde ich auch schon von einer unberechenbaren Wut überwältigt und ich hoffte echt für die Kleine, dass sie sich jetzt nicht zu viel Scheiße erlaubte.

Zornig stieß ich sie gegen den Baum, hinter dem sie noch vor wenigen Augenblicken gesessen hatte und riss ihren Kopf an ihren Haaren hoch, sodass ihr ein schmerzliches Wimmern entfloh. "War das dein scheiß ernst?" zischte ich stinksauer und ignorierte ihren wehleidigen Blick geflissentlich. Es würden noch viel schlimmere Qualen auf sie zukommen, wenn ich Jake von ihrer Flucht berichten würde. "Das wirst du noch sowas von bereuen."

Mein Griff um ihr, vom Duschen noch feuchtes Haar, verstärkte sich, zog ihr Gesicht noch näher zu mir. "B-bitte." Ihre zierlichen Finger schlangen sich um meine geballte Faust, wobei mir ihre aufgerissene, blutende Haut an den Fingerknöcheln auffiel. Sie hatte also wirklich das Fenster mit ihrer bloßen Hand eingeschlagen. Dummes Miststück. Wutschnaubend ließ ich von ihr ab, umgriff stattdessen ihr Handgelenk um sie dann rücksichtslos zurück nach Hause zu zerren. Wobei es mir scheißegal war, dass sie alle zwei Meter stolperte und fast auf die Knie landete.

Ich hätte eigentlich noch viel grober mit ihr umgehen sollen, aber ich wollte jetzt erst einmal so schnell wie möglich nach drinnen gelangen, nicht dass sich hier noch irgendwelche dumme Jugendliche herumschlichen und uns entdeckten. Während dem Nachhauseweg rief ich Simon und Manu an, damit sie nicht mehr weitersuchen mussten. Man merkte bei Beiden sofort, wie die Spannung von ihnen abfiel, als ich ihnen die Neuigkeiten berichtete.

Lina blieb zum Glück ruhig und das einzige Geräusch das sie von sich gab, war ein leises, kaum vernehmbares Wimmern, welches sich vermehrte, je näher wir dem Haus kamen. "Hör auf hier rumzuheulen, das hast du dir selbst eingebrockt, als musst du auch mit den Konsequenzen leben." Grummelte ich und öffnete die Tür, als wir nach gefühlten Stunden endlich angekommen waren.

Mein Bruder war anscheinend noch immer mit seiner Bitch beschäftigt, wie man deutlich hören konnte und da ich wusste, dass er mich die nächsten Tage hassen würde, wenn ich ihn jetzt unterbrechen würde, beschloss ich, dass es wohl besser wäre, wenn ich vorerst meine Klappe, bezüglich Lina halten würde.

Anstatt also zu ihm zu gehen und sie zu verpetzen, lief ich in mein Zimmer, im Wissen, dass mir die Kleine folgte und warf mich sogleich aufs Bett und steckte mein Handy nebenbei ans Ladegerät. Jake würde sowas von ausrasten, wenn ich es ihm erzähle, aber das hatte sie sich selbst eingebrockt. Zum Glück hatte ich sie noch rechtzeitig gefunden, bevor es jemand anderes hat. Jemand der ihr womöglich geholfen und uns somit in den Knast verfrachtet hätte.

Captured! - Slow UpdatesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt