Kapitel 24

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Alleine der Gedanke daran trieb mir die Tränen in die Augen, ich würde niemals frei sein, wenn ich nichts dagegen unternehmen würde. Ich war so in meinen Gedanken vertieft, dass ich die Duschgeräusche im Nebenzimmer nicht einmal mitbekam. Mit zitternden Beinen stand ich auf, musste mich an der Wand entlang tasten, da ich das Gefühl hatte jeden Moment umzukippen.

Hätte ich mich Mal lieber mehr auf die Geräusche im Nebenraum konzentriert, anstatt auf das Fenster, welches mich fast schon magisch anzog. Wir waren im Untergeschoss, das hieß, ich würde mir nicht alles erdenkliche brechen, wenn ich rausspringen würde. Naja... hoffentlich. Gänsehaut breitete sich auf meinem ganzen Körper aus, als ich den kalten Fenstergriff mit meinen Händen umschloss.

"Du unterschätzt uns, Puppe." Ich hatte das Gefühl mein Herz würde stehen bleiben, als die tiefe Stimme hinter mir ertönte. Mit weit aufgerissenen Augen fuhr ich herum und entdeckte Jake, welcher Oberkörperfrei und mit nassen Haaren gelassen vor seinem Kleiderschrank stand.

Desinteressiert wanderte sein Blick über den Inhalt des Schrankes, er dachte nicht einmal daran, mir in irgendeiner weise Aufmerksamkeit zu schenken. Ich war es ihm anscheinend nicht wert. Was meinte er damit, dass ich sie unterschätzen würde?

Ich unterschätzte sie doch nicht!... Oder etwa doch? "Na los, worauf wartest du noch? Öffne das scheiß Fenster." Noch immer beachtete er mich nicht, holte ein weißes T-Shirt aus dem Schrank und zog es sich an. Sollte ich? Bevor ich auch nur irgendwie weiter darüber nachdenken konnte, betätigte meine Hand schon den Griff und schob ihn nach oben... naja... sie versuchte es. Denn es ging nicht. Die Fenster waren abgeschlossen.

Ich hatte sie wirklich unterschätzt.

Enttäuscht drehte ich mich um und zuckte zusammen, als ich die Waffe in seiner Hand sah. Was hatte er vor?! Ohne mich zu beachten, steckte er sich die Pistole in den Hosenbund und legte den Saum des Shirts so darüber, dass sie vollständig darunter verschwand.

Erleichtert, dass er mich nicht töten wollte -zumindest nicht heute- atmete ich aus und lehnte mich an die kühle Fensterscheibe. Nebenbei beobachtete ich misstrauisch, wie er sich mit den Fingern durch die Haare fuhr und sie dann mit viel Haargel nach oben stylte. Warum hatte er mir bis jetzt noch keine Aufmerksamkeit geschenkt?

War ich etwa so uninteressant? Sonst klebten seine Augen doch auch immer an meinem Ausschnitt oder an meinem Hintern. Nicht, dass ich das gut fand, aber irgendwie hatte ich das Gefühl, dass er was vor hatte. Etwas, das mir gar nicht gefallen wird. "Komm her." Befahl er mir, ohne den Blick von seinem Spiegelbild abzuwenden.

Seine eine Hand strich noch immer die Haare zurecht, während sich in der Anderen die Geltube befand. Erst jetzt bemerkte ich die roten Striemen und blauen Flecken an seinen Armen, sowie die aufgerissene Haut an seinen Fingerknöcheln.

Es sah schmerzhaft aus... sehr schmerzhaft. Aber ihn schien es nicht zu kümmern... so als wäre er das bereits gewöhnt, vielleicht war er das ja auch. "Wird's bald?" Knurrte er und sah mich das erste Mal an diesem Tag an, seine Augen waren dunkel fast schwarz und seine Haltung angespannt, bedrohlich.

Außerdem waren seine Augen rot umrandet. Das hieß entweder er hatte geweint... oder Drogen konsumiert. Ich vermutete eher letzteres. Unsicher machte ich die ersten Schritte in seine Richtung, um ihn nicht noch mehr zu verärgern, doch der Schmerz in meinen Beinen ließ mich stocken. Ich konnte und wollte nicht mehr weiter gehen.

Jake wird ausrasten... er wird mich in der Luft zerfetzen, doch das nahm ich in Kauf. "Wenn du nicht sofort herkommst, wirst du gleich noch mehr Schmerzen haben!" Er war wütend... sehr wütend. Mein Körper sagte, ich könnte mich kein Stück mehr bewegen und doch quälte ich mich langsam Schritt für Schritt näher an ihn heran. Was tat ich hier nur?

Was würde er jetzt mit mir anstellen? Sein Griff war fest und schmerzhaft, als er meinen Arm ruckartig umfasste und mich an sich zog. "Ich hasse es warten zu müssen." Fauchte er und hob die Hand.

'Bei Jake würde ich mir, wenn ich du wäre nicht so viel Zeit lassen... denn er hat sich bei sowas meistens nicht so gut unter Kontrolle..." hörte ich in Gedanken noch Tobias' Stimme, ehe ein lautes Klatschen ertönte und sich ein unbeschreibliches Gefühl in meiner linken Gesichtshälfte breit machte.

Er hatte mich ohne zu zögern mit der flachen Hand geschlagen! Meine linke Wange brannte wie Feuer und als ich Blut schmeckte, wurde mir bewusst, dass ich Nasenbluten hatte. Toby hatte nie so fest zugeschlagen...

Tränen flossen über mein Gesicht, ließen es noch schmerzhafter pochen, während Jake mich nur zornig ansah. Wütend packte er mich am Hals und drückte mich fest gegen die Wand, sodass ich keine Luft mehr bekam und ich zappelnd wie ein Fisch an Land hinab hing.

Keuchend und mit brennenden Augen zerrte ich an seinem Arm, bettelte innerlich, dass er mich loslassen sollte. Aber er war so von seiner Wut geleitet, dass er meinen stummen Hilferuf einfach ignorierte. War das jetzt mein Ende?

Erwürgt von einem Psychopathen. -Würde das auf meinem Grabstein stehen? Ich wurde zunehmend schwächer, meine Gegenwehr erstarb. Einzig und allein meine Lunge war es, die noch um ihr Leben kämpfte. Krampfhaft zog sie sich zusammen bettelte nach Sauerstoff, welchen sie nicht bekommen würde.

Es fehlten mir nur noch wenige Sekunden bis zur Bewusstlosigkeit und schlussendlich bis zum Tod. Schwarze Schatten tanzten vor meinem inneren Auge, befreiten den letzten Rest an Panik in meinem Körper. Jake schrie mich an, doch ich verstand seine Worte nicht. Seine Mimik verriet mir jedoch, dass es nichts nettes war, das er mir an den Kopf warf.

Kurz bevor ich den letzten Rest an Leben in mir verlor, wurde ich losgelassen und fiel wie ein nasser Sandsack zu Boden, wo ich hustend und zusammengekrümmt lag. "Du hast echt ein scheiß Timing, kleiner Bruder." hörte ich verschwommen, während ich trotz der brennenden Luftröhre gierig Luft einatmete.

"Ich denke mein Timing war perfekt." Kam es gleichgültig von Tobias, welcher in der Tür stand und mir soeben das Leben gerettet hatte. "Was willst du hier?" Kam es sauer von Jake, was Toby grinsen ließ. "Alsooo wir haben eine gute und eine schlechte Nachricht, welche willst du zuerst hören?"

Keuchend schloss ich die Augen und hoffte es wäre alles nur ein Albtraum... Gleich würde ich zu Hause in meinem kuschelig warmen Bett aufwachen und über meinen verrückten Traum lachen. "Was für schlechte Nachrichten? Geht es um den Auftrag von gestern?" Zischte der Ältere und ballte seine Hände zu Fäusten, weshalb ich meine Augen schnell wieder öffnete.

"Ähm... ja..." unschuldig grinsend kratzte er sich im Nacken und warf Jake einen entschuldigenden Blick zu. "Was konnte da schieflaufen? Ihr hattet die scheiß Aufgabe, dass ihr ihn umbringt, mehr nicht!" "Ja... ich weiß..." Gab der Jüngere kleinlaut von sich. Wow... ich glaube, das war das erste Mal, dass ich ihn eingeschüchtert gesehen hatte.

"Was ist mit ihm?" Zitternd hob ich meine Hand und legte sie an meinen schmerzenden Hals, was nicht unbedingt die beste Idee war, das dieser sofort gegen die Berührung protestierte und noch mehr schmerzte.

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