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Wie sollte ich das nur jemals wieder gerade biegen?

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Die Zeit verging und der allgemein sehnsüchtig erwartete Tag der Premiere rückte unaufhaltsam näher. Diese bloße Vorahnung versetzte die gesamte Produktion in Aufruhr und der Stress hing in der Luft wie schwere Gewitterwolken; verheißungsvoll und nicht zu übersehen.
Über uns braute sich etwas zusammen, zweifellos. Und wir würden dort im Regen stehen, uns selbst einreden alles liefe großartig und uns anschließend, gänzlich durchnässt, die Frage stellen, was man hätte besser machen können.

So ging es mir mittlerweile jeden Tag und es fühlte sich an, als würde dieses Gefühl schon Jahre andauern.
Ich stand im Regen, unfähig mich vom Fleck zu bewegen. So als hätte ich jegliche Motorik binnen Sekunden verlernt. Und ich konnte dem Gewitter über mir nur untätig dabei zusehen, wie es meine Umgebung einnahm und zu beherrschen begann.

Und das Schlimmste war, ich spürte nicht einmal die kühlen Tropfen auf meiner Haut. Ich war inmitten einer Situation, die ich weder begriff, noch wirklich zu erleben schien.
Ich sah Menschen gehetzt umher rennen, der Druck und Stress war ihnen dicht auf den Fersen, doch es schien mir so fern.

Meine Kleidung triefte bereits, ich fröstelte in diesem ungehaltenen Sturm und das kundbringende Kratzen in meinem Hals machte mich darauf aufmerksam, dass es Nachwirkungen haben würde.
Wieso sollte ich auch weglaufen? Der Sturm verfolgte mich, wohin ich auch zu fliehen versuchte. Denn er tobte in meinem Inneren und nahm mich so sehr ein, dass ich vor lauter Wind und Regen meine Hand nicht vor Augen sah. Es gab nichts mehr, außer dieses tobende Unwetter über allem, was ich tat und durch sein beinahe unüberwindbares Schutzschild konnte mich nichts erreichen. Nicht die kleine Blume am Straßenrand, die die Stärke besaß, all dem Unkraut zu trotzen und sich anmutig in die Höhe zu strecken. Nicht der einsame Sonnenstrahl, der sich mit vollstem Widerstand durch die dichten Wolken kämpfte. Keine Vorahnung auf eine bessere Zeit, auf einen wolkenlosen Himmel, konnten die mächtigen Windböen durchdringen, die sich ohne Rücksicht um mich schlängelten und mir meinen festen Stand raubten.

Doch wann stand ich stabil? Wann waren meine Füße am Boden verankert, bereit jedem noch so starken Sturm zu trotzen? Würde ich je in der Lage sein, unbeeindruckt dem Chaos entgegenzublicken und nicht den Wunsch zu verspüren, mich in die hinterste Ecke meines Bewusstseins zu zwängen und zu warten, bis der alles verschlingende Sturm vorüber gezogen war?

Ich war hier und ich konnte nicht fliehen. Ich konnte nicht vor seinen undurchdringlichen Augen fliehen, vor seiner einnehmenden Aura konnte ich mich nicht schützen und ich entkam nicht seiner tiefliegenden Anziehung, die er auf mich hatte.

Ich sah Jungkook jeden Tag, doch er sah mich nicht. Er sah mich nicht mehr so an wie zuvor. Er sah durch mich hindurch, versuchte alles, was er in mir gesehen hatte, aus seinem Kopf zu verbannen, auf dass es nie mehr zurück kommen möge. Ich erkannte das, wenn ich ihn nur ansah.

Ich fühlte mich, wie ein Zuschauer in meinem eigenen Leben. Ich hatte keinen Einfluss auf das Geschehen und musste schmerzlich dabei zusehen, wie sich alles verselbstständigte. Alles um mich herum schien ein Eigenleben zu führen, in dem ich nicht die geringste Rolle spielte.

Ich bemerkte nicht einmal, wie anders ich auf einmal war. Ich war apathisch und egal, was passieren würde, es würde mich nicht aus meiner Schockstarre reißen, die mich eisig gefangen hielt und mich festfror an dem Punkt, an dem ich mich befand.

Ich wusste keinen Ausweg aus dieser Falle, die ich mir selbst gestellt hatte. Es war, als würde ich es nicht fertig bringen, die Fesseln zu lösen, die ich mir selbst angelegt hatte, bevor mir die Luft ausging und ich letztlich in dem Chaos ertrank, das ich verursacht hatte.
Die Premiere näherte sich, sie pirschte sich an wie ein Raubtier es bei seiner Beute zu tun pflegte und in mir keimte der Wunsch auf, mich aus dem Staub zu machen und nie mehr zurückzukehren.

Ich konnte den Gedanken nicht ertragen, auf der Bühne zu stehen, mitten im Scheinwerferlicht, und mich den Menschen zeigen zu müssen; vor ihnen zu stehen und mir sicher zu sein, dass niemand einen blassen Schimmer haben würde, was sich in mir abspielte, während ich eine Szene spielen würde, deren Ende bereits vorprogrammiert war.

Niemand würde wissen, was Jungkook mir bedeutete. Der Mensch, der mit mir auf dieser Bühne stehen würde und in mir mehr Gefühl auslöste, als ich jemals bei irgendetwas anderem verspürt hatte.

Ich wollte noch immer in die Welt herausschreien, wie voll mein Herz war, wann immer ich ihn ansah. Ich wollte jedem erzählen, was ich für ein unglaublich dummer Idiot war, weil ich es geschafft hatte, dieses bezaubernde Wesen gegen mich aufzuhetzen und das nur, weil ich ihm näher sein wollte, als mir vergönnt war.

Niemand fühlte meinen Schmerz, doch ihn vor anderen darzulegen, offen und unverfälscht ... das würde ihn vielleicht lindern.

Und als sich meine Schwester an einem dieser Abende, die viel zu rasch in undurchlässige Dunkelheit gehüllt wurden, nach meinem Wohlbefinden erkundigte, da brach jegliche Anteilnahmslosigkeit an meinem eigenen Gefühlsleben in sich zusammen und alles floss aus mir heraus, wie aus einem gebrochenen Damm.

Meine Schwester trotzte unerschrocken dem Tsunami meiner inneren Gedankenwelt. Sie hielt der Flut meiner Selbstvorwürfe und Hilfslosigkeit stand und fungierte als Stütze für mein kraftloses Selbst.

"Es kann doch nicht einfach vorbei sein.", brach der erste Satz aus mir heraus. Er fiel, wie der erste Dominostein und zog darauffolgende ungeordnete Bekundigungen meiner tiefsten Gedanken mit sich, die mich befielen, sobald ich am Morgen meine Augen aufschlug.

Ich fürchtete, Jungkook würde nie mehr das Erste sein, das ich nach dem Anbruch eines neuen Tages erblickte. Und das ließ alle Dämme brechen und alles, das ich in den stillen Gewässern der kompromisslosen Verdrängung zu ertränken versucht hatte, bahnte sich nun den steilen Weg über meine Wangen und fiel auf dem schnellsten Weg bis zum Grund.

Zumindest bis meine Schwester jede einzelne meiner Tränen auffing, ehe die salzige Flüssigkeit auf dem Boden der Tatsachen aufkommen würde.

Spotlight | Taekook [✔]Där berättelser lever. Upptäck nu