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"Du bist doch ein guter Schauspieler, richtig?", grinste er mich verschwörerisch an. Ich ahnte Schlimmes, doch nickte schließlich zögerlich.

▪︎

Jin erklärte mir lang und breit seine hinterlistigen Pläne und ich wunderte mich, dass dies die Zeit, die uns bis zur Mittagspause blieb, noch nicht gesprengt hatte. Jungkook war noch immer nicht aufgetaucht, was ich sehr begrüßte. Dennoch war es mir ein Rätsel, dass dieser Typ einfach nicht mehr zur Probe erscheinen konnte und niemand hinderte ihn daran. Naja, er konnte schließlich nicht gefeuert werden, weil seine Mutter das Stück finanzierte.

"Jin, jetzt mal im Ernst. Wir sind alle erwachsen. Als ob so ein kindischer Teenagerkram in diesem Alter funktioniert und außerdem-"
"Nichts da 'außerdem'! Mein Plan ist brilliant, Taehyung. Ich schreibe Skripte für die verschiedensten Stücke. Tragödien, Komödien. Ich kenne mich mit Intrigen aus.", merkte er theatralisch an.
"Außerdem, wie redest du mit deinem Hyung, der nebenbei bemerkt 'Worldwide Handsome' ist?"
Ich musste lachen, weil er durch diese Unterhaltung so sehr in seinem Element zu sein schien.

"Denkst du wirklich, ich sollte eine Intrige spinnen, statt einfach ein offenes und ehrliches Gespräch zu suchen?", fragte ich ihn ungläubig.
"Hast du jemals auch nur ein einziges Drama gelesen? Selbst Minna von Barnhelm brauchte eine Intrige, um ihren Verlobten dazu zu bringen, seinen Stolz hinter sich zu lassen, damit ihre Liebe gerettet werden konnte.", erklärte er.

Ich blickte ihn verwirrt an. Jin war wirklich eine Dramaqueen und das half mir in diesem Moment unheimlich den erdrückenden Ernst der Situation ein wenig zu vergessen und das Ganze lockerer zu sehen.

"Weißt du, Joonie hat mich wirklich ein bisschen mit reingezogen in seine Liebe zur Literatur. Er ist ein kleiner Nerd, musst du wissen.", erzählte Jin von seinem Freund und trug einen schwärmerischen Ausdruck auf dem Gesicht.
Ich mochte den Gedanken daran, dass die beiden zusammen gehörten; er hatte sich bereits so unaufhaltsam in mein Gedächtnis gebrannt, dass ich mir nichts anderes mehr vorstellen konnte.

"Also, nur fürs Protokoll: Ich soll Jungkook einen Flirt mit jemandem vorgaukeln, um herauszufinden, ob er denjenigen mehr tyrannisieren wird als zuvor?" fasste ich Jins langen Vortrag zusammen.

"Ganz genau, denn wenn er dich nur verabscheut, wird sich sein Verhalten nicht verändern und du wirst weiterhin sein Hauptopfer sein. Hat er jedoch Interesse an dir, so wird dein vermeintlicher Geliebter ihm ein Dorn im Auge sein und sein Verlangen nach dir wird ihn seine Konkurrenz ausstechen lassen wollen.", erklärte Jin mir noch einmal, was ich schon längst verstanden hatte.

"Kurz gesagt, ich soll ihn eifersüchtig machen?", brach ich den gesamten Plan auf den Kern herunter.
"So ist es. Du wirst das für idiotisch halten, es erzielt jedoch die gewünschte Wirkung. Er denkt womöglich, er kann sich seine Zuneigung zu dir ohne Verluste ausreden. Merkt er jedoch, dass ein anderer im Begriff ist, dein Herz zu gewinnen, wird er schnell erkennen, dass er etwas zu verlieren hat. Nämlich dich, an einen anderen. Seine Prinzipien werden schneller den Bach runter gehen, als du sagen kannst 'Jin sieht zum Anbeißen aus.' Vertrau mir.", beendete Jin seinen Vortrag.

"Und wer soll das Risiko eingehen, von Jungkook als persönliche Zielscheibe auserkoren zu werden?", stellte ich die entscheidende Frage.

"Hmm, mal sehen, wer kann gut schauspielern, vor allem dann, wenn es darum geht, die Liebe zu einer Person seines Geschlechts offen auszudrücken, steht dir nah und befindet sich unmittelbar in Jungkook's Umkreis?", fragte Jin zurück.
Und wir wussten beide, wer ihm vorschwebte. Er war auch mein erster Gedanke gewesen. Jimin.
Wir wussten beide, dass er sich zu Männern hingezogen fühlte und ich hatte in der Zeit, in der ich hier war, ein vertrautes Verhältnis zu ihm aufgebaut.

In mir kam jedoch ein schlechtes Gewissen auf. Ich wollte ihn nicht in meine Angelegenheiten mit reinziehen und ich wollte ebenso wenig, dass er Jungkooks verbalen Attacken meinetwegen standhalten müsste.

Ich suchte ihn trotzdem nach der Mittagspause auf, die sehr angespannt verlief, da Jungkook mich wieder keines Blickes würdigte und das an mir zehrte. Den anderen fiel das nicht auf, denn genau genommen verhielt er sich wie immer, doch sie wussten nicht, was passiert war.
Es war alles so schrecklich kompliziert und ich wünschte, ich wäre nicht auf dieser Party gewesen.

Ich hätte weiterhin Jungkooks Anziehung auf mich unterdrücken können, wenn dieser Abend nicht gewesen wäre.
Denn ich hatte seine Nähe gespürt, sowie seine Verletzlichkeit und ich hatte gesehen, wie er sein konnte, wenn er sich nicht verhielt wie so ein ignorantes Arschloch.
Das verdrehte meine Wahrnehmung signifikant und dazu kamen noch Jins Theorien. Ich wagte es kaum, den Gedanken zuzulassen, doch irgendwie hoffte ich, er hatte Recht.

Jin meinte, er würde Hoseok Bescheid geben, dass meine Probe mit ihm später stattfinden würde, also hatte ich Zeit, um mit Jimin zu sprechen. Das Ganze war mir schrecklich unangenehm; ich wollte ihn gar nicht um so etwas bitten. Aber es würde wohl kein Zurück geben, nachdem ich Jin davon erzählt hatte. Er hatte einen, seiner Meinung nach, genialen Plan entwickelt und ich war froh, dass er sich meiner so annahm und irgendwie traute ich mich auch nicht, ihm zu widersprechen.

Und wenn ich ehrlich zu mir selbst war, brachte mich die Situation mit Jungkook so sehr um den Verstand, dass ich alles versuchen würde, um diese unangenehmen Spannungen aufzulösen.
Ich ertug seine bloße Anwesenheit in der Mittagspause ja kaum. Anfänglich wollte ich ihm unbedingt aus dem Weg gehen, aber nach all dem Unausgesprochenen, das zwischen uns in der Luft hing, wollte ich, dass sich diese Distanz entweder auflöste oder grundlegend manifestierte, sollte dieser Plan zum Scheitern verurteilt sein.
Und zuerst einmal würde ich auf die erste Möglichkeit anzielen. Er hatte mich so oft gedemütigt und zu seiner Belustigung benutzt, dass ich den Spieß nun eigentlich guten Gewissens umdrehen konnte.

Ich erzählte also Jimin die ganze Geschichte, die ich auch Jin erzählt hatte und ergänzte diese um Jins glorreichen Einfall, ihn als den Hauptbaustein der Intrige zu missbrauchen.

"Du und Jungkook also?", fragte Jimin und hob eine Augenbraue, nachdem ich meine Erklärung beendet hatte.
Ich nickte und fühlte mich unheimlich unbehaglich.
"Naja, Jins Interpretation seines Verhaltens klingt mehr als nur plausibel und dass ihr mich als eine Art Lockvogel verwenden wollt-", setzte er an, doch ich unterbrach ihn abrupt.

"Hör zu, es tut mir leid, ich hätte das niemals in Erwägung ziehen sollen, das ist so hinterlistig und falsch ...", fing ich an, doch Jimin sah mich ungläubig an.

"Jetzt lass mich doch ausreden. Ich finde die Idee großartig!", rief Jimin aus und klatschte aufgeregt in seine Hände, was er oft tat, wenn er sich freute.

"Tatsächlich?", fragte ich und mir wurde klar, warum Jimin und Jin so unheimlich gut miteinander auskamen.
"Und wie! Ich liebe Dramen und außerdem: Im Krieg und in der Liebe ist alles erlaubt. Natürlich helfe ich dir!", strahlte Jimin und es schien, als würden seine Augen für einen Augenblick gänzlich verschwinden, so breit grinste er.

"Das kann ja heiter werden!", lachte ich und bekam direkt eine Bestätigung von dem fröhlichen, zarten Jungen vor mir.
"Das will ich doch hoffen, Liebling!"

Spotlight | Taekook [✔]Where stories live. Discover now