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"Das fühlt sich schön an ... Hier, mit dir.", murmelte Jungkook und ich spürte meinen Herzschlag, der sich stetig verschnellerte, deutlich. Und Gott, ich war drauf und dran, mich in ihn zu verlieben. Hoffnungslos und unaufhaltsam.

▪︎

Dieser Abend blieb kein Einzelfall, denn in den folgenden Wochen geschah es oft, dass ich ihn nach der Arbeit nach Hause begleitete. Wir lernten sogar einige wenige Gerichte zusammen, zu deren Zubereitung wir beide in der Lage waren.

Und jedes Mal, wenn ich ihn verließ, dachte ich, ich würde ihn kennen und könnte ihn einschätzen. Und jedes Mal, wenn ich ihn wieder besuchte, überzeugte er mich vom Gegenteil und überraschte mich. Jungkook hatte so viele Facetten und sie alle beeindruckten mich.

Ein Mal setzte er sich an den großen Flügel, der sein Wohnzimmer schmückte und spielte einen unheimlich komplizierten Song, von dem er sagte, es wäre sein Lieblingsstück und ich wusste noch nicht einmal, dass er Klavier spielen konnte.

Manchmal zeigte er mir Songtexte, die er selbst geschrieben hatte und als ich sie las, wurde mir klar, welch eine unleugbar poetische Seele er in sich trug.

Doch es war schon am Anfang nicht nur schön, denn es gab Momente, in denen seine Macho-Persona Besitz von ihm ergriff, wenn ihm alles zu viel wurde.
In manchen Augenblicken überforderte ihn meine Nähe oder meine bloße Anwesenheit. Dann wurde er panisch und wollte mich von sich stoßen, weil in ihm wieder der Gedanke aufkam, dass all das falsch war.

Er ließ mich körperlich allgemein nicht zu nah an ihn heran. Wann immer es zwischen uns auszuarten drohte, ergriffen ihn Angst und Unsicherheit und jedes Mal beruhigte ich ihn, indem ich ihn sanft in meinen Armen hielt und ihm bewusst machte, dass meine Nähe ihm Geborgenheit spenden konnte und ihn nicht verunsichern musste.

Ich verstand ihn. Er war einem Mann noch nie so nah gewesen und wir standen noch am Anfang. Und doch hatte ich das Gefühl, wir machten stetig Fortschritte. Wir stritten manchmal aufgrund von belanglosen Kleinigkeiten, doch es dauerte nie lange, bis wir uns einigen konnten.

Wir hatten noch nicht darüber gesprochen, ob wir der Sache zwischen uns einen Namen geben wollten. Wir wussten noch nicht, ob wir unser Verhältnis klarer definieren sollten. Doch was wir wussten, war, dass wir Gefühle füreinander hegten, die fernab von dem Hass lagen, den wir am Anfang noch zu empfinden dachten.

Ich wollte ihn nicht unter Druck setzen, denn das, was er mir gab, war mehr als ich jemals erwartet hätte. Hätte mir jemand damals erzählt, was alles passieren würde, ich hätte ihn ohne zu Zögern einen Lügner genannt. Oder ihn für verrückt erklärt.
Dabei war ich verrückt. Ich war verrückt nach diesem Jungen, dessen Kopf dort auf meinem Schoß lag, während meine schlanken Finger durch sein dichtes Haar fuhren.

"Es tut mir leid, dass wir immer in dieser langweiligen Wohnung rumhängen. Ich würde dich so gerne ausführen, so richtig. Ich würde gerne mit dir die tollsten Dates erleben. Aber ich habe solche Angst, dass uns Kollegen meines Vaters sehen oder Bekannte meiner Mutter. Die beiden kennen die halbe Welt.", murmelte er geknickt.

"Das ist schon okay, Kookie. Wirklich.", versichterte ich ihm. Ein leichtes Lächeln bildete sich auf seinem Gesicht, was immer geschah, wenn ich ihn mit diesem Spitznamen ansprach.
"Ich kann dich verstehen. Ich würde auch nicht wollen, dass mein Vater uns so sieht.", fügte ich noch an.

Er sah zu mir hoch.
"Aber ich dachte, du hast schon Erfahrungen mit Jungs.", gab er verwirrt zurück.
"Ja, aber ich habe nie jemanden mit nach Hause gebracht. Es war auch mit niemandem jemals so, wie mit dir.", murmelte ich und beugte mich lächelnd zu ihm herunter, um ihm einen flüchtigen Kuss auf die Lippen zu drücken.

"Außerdem glaube ich, mein Vater weiß das gar nicht. Er kennt mich gar nicht richtig. Und ich glaube, wenn er es wüsste, würde er auch nicht gerade positiv darauf reagieren.", sprach ich weiter, als ich mich wieder aufgerichtet hatte.

"Wieso denkst du das? Hat er das gesagt?", fragte Kookie.
"Nein, er hat sich nie wirklich zu Homosexualität oder in meinem Fall Bisexualität geäußert.
Er hat eher so getan, als würde sie nicht existieren. Ich habe ihn nie darüber sprechen hören. Aber meine Schwester war mal mit einem Mädchen befreundet, das offenkundig lesbisch war. Sie haben zusammen an einem Projekt gearbeitet und als mein Vater davon erfahren hat, hat er sie rausgeworfen und meiner Schwester den Kontakt mit ihr verboten und meine Mutter hat nichts dagegen gesagt."

"Das heißt also, im Prinzip haben wir das gleiche Problem mit unseren Eltern.", antwortete der Junge auf meinem Schoß.

"Ich denke, das Problem haben viele. Leider.", seufzte ich und ich spürte, wie in mir Frustration aufstieg. Auch Kookie schien das zu bemerken, denn er setzte sich auf und nahm meine Hände in seine.

"Hey, wenn ich mit dir schon keine schönen Dates haben kann, dann will ich dir wenigstens zeigen, wie schön du bist.", sagte er mit einem Lächeln und zog mich von der Couch hoch, nur um mit mir an der Hand in sein Schlafzimmer zu eilen und den Kleiderschrank zu öffnen.

"Kookie, was hast du vor?", fragte ich etwas ängstlich, da ich keine Ahnung hatte, was gerade in seinem Kopf vorging.
Er griff nach einigen wild gemusterten Teilen und drückte sie mir in die Hand.
"Zieh das an!", sagte er nur und ich besah die Kleidungsstücke in meinem Händen.

"Ist ... das etwa von Gucci?", fragte ich mit aufgerissenen Augen.
"Ja, aber ich trag das nie.", zuckte er mit den Schultern.
"Das ist doch nicht dein Ernst.", flüsterte ich ungläubig.
"Jetzt mach schon!!!"

Als ich mich schließlich umgezogen hatte, stand Jungkook mit offenem Mund da und musterte mich von oben bis unten.
"Holy fuck.", hauchte er und mir fiel die Kamera in seinen Händen auf.

"Jungkook ... was soll das werden?"
"Ich habe schon ein paar Mal mit dem Gedanken gespielt dich zu zeichnen, aber ich hab' es mir nicht zugetraut deine Schönheit 1:1 auf eine Leinwand zu übertragen. Aber sie einzufangen und mit einem Foto festzuhalten ... Ich denke, das krieg ich hin.", grinste er verschwörerisch.

Unsicher spielte ich mit meinen Fingern. Ich war berührt von dieser schönen Idee, aber in mir stieg eine beißende Nervosität auf. "Bist du sicher, dass ... ich ... -"

"Tae! Schnauze jetzt und auf die Couch mit dir!", wies er mich an und zeigte auf die dunkle Ledercouch, auf der wir eben noch zusammen gesessen hatten.

Spotlight | Taekook [✔]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt