43. showdown

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„Unn?" hörte ich Sofie schwach flüstern.

Das Bild was sich vor uns auftat war so unwirklich.
Die immer glückliche, immer lächelnde Unn, stand zitternd nur einen Schritt vom Tod entfernt.

„Unn was machst du da?" Milas Stimme stockte.
„Verschwindet."
Unns stimme zitterte so sehr wie ihr Körper.
„Bitte Unn, das willst du doch gar nicht"
Sofie klammerte sich an meinem Arm fest.
„Ihr kennt mich nicht, also bitte... bitte tut nicht so. Verschwindet."

„Und dich springen lassen?"

Mit ganzer Kraft versuchte ich meinen Tonfall ruhig und sicher wirken zu lassen, auch wenn sich die Panik in mir schon bemerkbar machte.

Laias toter Körper, bleich und mit tiefen senkrechten schnitten in den Pulsadern kam mir vors innere Auge.

Doch das war nicht Laia, das war nicht meine kleine Schwester.
Ich konnte das bevorstehende noch verhindern.

Langsam und vorsichtig machte ich einen Schritt nach dem anderen auf sie zu, wie an ein verängstigtes Tier was jede Sekunde aufschrecken und davon rennen könnte.

„Unn, warum tust du das? Rede mit mir."

Sie lächelte schwach, eine einzelne Träne bahnte sich über ihre Wange.

„Viel zu lange hab ich diesen Moment heraus gezögert. Ich... will nicht mehr leben, ich bin müde."

„Müde sind wir alle. Das Leben macht einen müde. Aber der Tod ist keine Lösung."

„Was weißt du denn schon?" ihre Frage klang beinahe belustigt, würde nicht so viel Verzweiflung darin mitschwingen.

„Es wird Menschen geben die niemals über deinen Tod hinwegkommen werden. Menschen die dich über alles lieben."
„Davon gibt es keine!"
„Nicht mal einen einzigen?"

Unn schwieg.

„Ich weiß nicht was du fühlst und vermutlich hast du genug Gründe hier zu stehen. Aber ich bitte dich" ich holte tief Luft „bitte komm da weg. Ich verspreche dir das du einen Weg finden wirst wieder einen Sinn zu finden. Ich werde dir helfen, versprochen!"

Meine Worte hingen in der Luft, zum Greifen nahe.
Hatte ich sie überzeugen können?
Innerlich flehte ich darum.
Nochmal jemanden in meinem Umfeld sterben zu lassen könnte ich nicht verkraften. Auch wenn ich von Unn mit am wenigsten jemals mitbekommen, noch nie wirklich mit ihr gesprochen und überhaupt jemals groß Kontakt gehabt hatte... allein schon bei dem Gedanken sie tot und mit gebrochenen Gliedmaßen auf der Straße liegen zu sehen verkraftete ich nicht.

„Wenn du schon nicht für dich am Leben bleiben willst, dann tu es für deine Liebsten."

Tatsächlich schien ich etwas in ihr zu rühren, denn langsam sank sie an der Brüstung nach unten, klammerte sich mit ihren schmalen Fingern mit abgekauten Nägeln, an dem Geländer fest, vergrub ihr Gesicht in der Armbeuge.

Jetzt musste ich schnell schalten.
In wenigen Sekunden war ich bei ihr, lehnte mich über die Brüstung und packte sie fest, aber nicht zu fest, hob ihren erschlafften Körper hoch und hob sie auf die sichere Seite des Daches.

Keine Abwehr, kein Protest, sie ließ es zu das ich sie vorsichtig auf dem Boden absetzte.
Gleich darauf waren auch Mila und Sofie neben ihr und umarmten sie fest.

Während Sofie beruhigend auf sie einredete schaute Mila zu mir und richtete sich dann wieder auf.

„Der Zettel, der in deiner Tasche war. Der Liliane. Glaubst du... der könnte vielleicht von ihr gewesen sein?"

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