1. noah & claire

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Noah

Gelangweilt betrat ich den Schulhof.
Es war kurz nach acht, und ich somit bereits an meinem ersten Tag auf der neuen Schule, zu spät.

Als ich dem Eingangstor immer näher kam, erkannte ich die Gestalt eines Mädchens, welches ebenfalls darauf zusteuerte.
Eine Rauchwolke umhüllte sie, deren Geruch mir auch sogleich in die Nase stieg.

Interessiert beobachtete ich sie, als sie schließlich kurz vor mir beim Eingang ankam.
Sie drehte sich um, schnippte den noch glühenden Stummel ihrer Zigarette weg und dabei streifte ihr Blick mich.

Kurz verharrte sie regungslos an der Tür, musterte mich nur, bevor sie sie aufzog und mich mit einer gehobenen Augenbraue schräg anlächelte.

Ihr weißes Hemd, was ihr Dekolleté und ihre Schultern freigab, war unordentlich in ihre viel zu weite Jeans gestopften, die wiederum von einem breiten schwarzen Gürtel um ihre Taille festgehalten wurde, an dem silberne Ketten hingen.

Auch ihren Hals hatte sie mit Schmuck behagen, an einer Kette hing ein Feuerzeug, an einer anderen ein Schlüssel.
Ihre schwarzen Haare waren unordentlich in einem Dutt nach oben gebunden, aus dem mehrere Strähnen hingen.
Eine Zigarette klemmte hinter ihrem mehrfach gepiercten Ohr.

Dieses Mädchen machte auf mich einen ziemlich merkwürdigen Eindruck, aber gleichzeitig fand ich sie interessant.

Sie grinste nun noch breiter, sagte aber immer noch kein Wort, und war in der nächsten Sekunde auch schon im Gebäude verschwunden.

Verwirrt schüttelte ich meinen Kopf über diese komische Situation und schlüpfte dann gerade noch durch die zufallende Tür.

[...]

Nach einer halben Ewigkeit stand ich nun endlich vor meinem Klassenzimmer.

Ich machte mir erst gar nicht die Mühe zu klopfen, sonder trat einfach ein.

Es war verdammt still, alle Schüler der Klasse glotzen mich neugierig an, was mich genervt die Augen verdrehen ließ.

„Hi, Noah, neuer Schüler." sarkastisch wedelte ich mit den Händen.

„Überraschung."

Den Lehrer, der wohl etwas überrumpelt von meinem Desinteresse war, ignorierte ich gekonnt und steuerte einen freien Sitzplatz in der hintersten Reihe an.

Meine Mitmenschen beachtete ich gar nicht, sondern warf mich einfach auf den leeren Stuhl , worauf der Unterricht anscheinend direkt fortgesetzt wurde.

„Das war wirklich aufschlussreich." hörte ich es plötzlich neben mir.

Kurz überlegte ich ob ich die Energie die ich aufwenden würde, meinen Kopf zu drehen und die Person die gesprochen hatte anzuschauen, mir nicht lieber sparen sollte, doch dann schaute ich doch zu ihr.

Und erblickte das Mädchen, welchem ich vorhin erst begegnet war.

Misstrauisch runzelte ich die Stirn.
Was wollte sie von mir?

„So schnell sieht man sich wieder." gab ich nur zurück, was sie schmunzeln ließ.

Dann streckte sie mir ihre, mit mehreren Ringen bedeckte, Hand entgegen.

„Ich bin Claire." sie grinste frech.

„Soll ich jetzt klatschen?"

„Lass dich nicht aufhalten."
Meine abweisende Art schien sie in keinster Weise zu beirren.

„Du... bist..." murmelte sie, schien aber mehr für sich und auch viel mehr in Gedanken zu sprechen, denn sie beendete ihren Satz nicht.

Aus irgendeinem Grund wollte ich wissen, was ich denn in ihren Augen war.
Und das wunderte mich, es war mir doch sonst auch alles egal...

Claire schüttelte leicht ihren Kopf, als würde sie versuchen ihre Sinne zu ordnen.
„Du bist hier neu, du kennst nichts und niemanden. Ich kann dir so einiges zeigen."

„Kein Interesse."

Sie grinste.

„Du lügst."

Ja, das tat ich, und es ärgerte mich.

[...]

Den Rest der Stunde, starrte ich aus dem Fenster und zählte die Minuten bis mich die Pausenglocke endlich befreien würde.

Obwohl ich es nicht wollte, schweifte mein Blick immer wieder zu Claire.
Sie war wirklich merkwürdig, und hatte nach unserem anfänglichem Gespräch kein Wort mehr mit mir gewechselt.
Auch jetzt kritzelte sie nur gedankenverloren auf ihrem Block herum, verfolgte den Unterricht genauso wenig wie ich.

Verdammt, ich wollte sie nicht interessant finden.
Ich wollte keine Sympathie für sie entwickeln, ich sträubte mich mit ganzem Willen dagegen.
Alles was ich wollte, war dieses so wie nächstes Jahr zu überstehen, mit einem Stück Papier von hier zu verschwinden um dann das zu tun was ich tun wollte.

Ohne Abi keine Zukunft, so war das eben.

Aber bis dahin wollte ich keine neuen Freunde machen.
Leute die sagten, man wäre befreundet obwohl man es eigentlich nicht ist.
Solche Menschen Beinen Probleme, und auf Probleme wollte ich konsequent vermeiden.

Ich hatte das merkwürdig sichere Gefühl, das Claire Probleme anzog, wie Licht die Motten.

Das klingeln riss mich aus meinen Gedanken.
Als es läutete, leerte sich das Klassenzimmer schnell.
Ich würde mir jetzt irgendwo einen ruhigen Platz suchen, Musik hören und mir vielleicht eine Kippe drehen.

Doch meine Pläne  wurden kurzerhand zu Nichte gemacht, denn ich hatte gerade mal den ersten Fuß auf den Gang gesetzt, da wurde plötzlich meine Hand gegriffen.

Sofort fuhr ich herum, und starrte verwirrt in das grinsende Gesicht von Claire.
Für einen Moment war ich wie hypnotisiert von ihren dunklen Mandelaugen.
Ihre Pupillen waren riesig.
Oder kam mir das nur so vor?

„Was wird das?"
Fragte ich, versuchte dabei so monoton wie möglich zu klingen.
Es passte mir gar nicht das dieses Mädchen es schaffte, mich so aus dem Konzept zu bringen.

Doch Claire verdrehte nur die Augen und lachte dann wieder ihr provokantes Lachen.

„Komm einfach mit, ich stell dich nh paar Leuten vor."

„Na da bin ich ja mal gespannt..." murmelte ich genervt und ließ mich tatsächlich von ihr mitziehen.

Sie führte mich durch mehrere Gänge, schien die Blicke, mit denen viele uns verfolgten, gar nicht zu bemerken.
Oder zu ignorieren.
Tatsächlich hatte ich das Gefühl das uns die halbe Schule hinterher glotzte und fragte mich woran das wohl lag.

Wir kamen in der scheinbaren Cafeteria an, und machten schließlich vor einem Tisch, weiter hinten am Rand, halt.

Drei Mädchen und zwei Jungen saßen hier, und bei allen fünf, kam mir schon die kotze hoch als ich sie nur schon von weitem sah.

Ich kannte diese Art Menschen.

Scum Where stories live. Discover now