Leb wohl, Mary Watson!

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,,Ich hoffe, du hast Recht!"

Ich spürte, wie mir wieder Tränen über die Wangen liefen und Ezra legte für einen kurzen Moment seine rechte Hand an meine Wange. Dann brach die Trauer aus mir heraus und er zog mich in seine Arme, während ich weinte und den Schmerz zuließ, der mich an den Tod von Mary jeden Tag erinnerte.

,,Es wird alles gut!", sagte Ezra leise und ich verbarg mein Gesicht an seiner Schulter.

,,Sie fehlt mir so sehr."

,,Ich weiß! Aber sie ist bei dir, Evie...sie ist bei dir."

Mary Watson

Geliebte Ehefrau und Freundin

Ruhe in Frieden

Als wir alle vor dem Grab standen und uns von Mary verabschiedeten, sah ich zu John. Sein Blick war leer und dennoch von tiefer Trauer erfüllt. Er rührte sich kaum, als ihm die Anwesenden ihr Beileid aussprachen und brachte nur ein schwaches Nicken zustande.
Ich spürte, wie Ezra meine rechte Hand ergriff und gemeinsam gingen wir zu John, der gerade Mrs. Hudson die Hand gab und sie ihm gut zusprach. Auch ihr flossen Tränen über die Wangen und sie wurde von Molly begleitet, die mit ihr nun zu einem Auto ging.

,,John!", sagte ich und er ließ es zu, dass ich ihn umarmte. ,,Es tut mir so leid. Ich bin immer für dich da...jederzeit."

,,Danke, Evelyn!", sagte er matt und ich gab ihn frei, als Ezra ihm die Hand gab und ebenfalls sein Beileid aussprach.

Während er ein paar einzelne Worte an John richtete, hatte ich auf einmal das Gefühl beobachtet zu werden und sah mich um. Ich entdeckte in sicherer Entfernung Sherlock, der reglos dastand und zu uns sah. Da John ihm ja die Schuld an Marys Tod gab, hatte ich Sherlock geraten, lieber nicht zu der Beerdigung zu kommen und er hatte meinen Rat offenbar befolgt. Aber mir war auch klar, dass er sich selbst auch von Mary verabschieden wollte und ich wollte ihm wenigstens das ermöglichen.

,,Ich glaube, wir sollten gehen. Je länger wir hierbleiben, desto schwerer wird es uns am Ende fallen.", sagte ich und Ezra und John stimmten mir zu.

Sie gingen voraus und ich folgte ihnen, ehe ich noch einen flüchtigen Blick zu Sherlock warf. Er bewegte sich nicht, aber ich wusste, dass er nur darauf wartete, dass wir außerhalb der Sichtweite waren. Und es war richtig, dass er sich von Mary verabschiedete, denn wir alle...würden mit ihrem Tod leben müssen.

Einige Tage später hatte ich die schlimmste Zeit nach der Beerdigung immerhin halbwegs überwunden und das war hauptsächlich der Verdienst von Ezra. Er hatte mir beigestanden und mich so lange getröstet, bis ich keine Tränen mehr vergießen konnte. Und schließlich hatte ich ihm offenbart, dass ich mich für ihn entschieden hatte und am gestrigen Abend war er wieder bei mir eingezogen, was mir den nötigen Halt gab, um die schwere Zeit durchzustehen.
Aber er konnte mir nicht bei dem helfen, was ich jetzt tun musste. Seit der Beerdigung hatte ich darüber nachgedacht, wie es nun weitergehen sollte und ich war zu einer schweren Entscheidung gekommen, die mich viel Überwindung gekostet hatte, aber unumgänglich gewesen war.

Ich erreichte die Baker Street und blieb vor der Tür 221b kurz stehen, ehe ich schließlich die Tür öffnete und ins Treppenhaus ging. Im Haus herrschte eine ungewohnte Stille und sie war so erdrückend, dass ich mich gleich Tonnen schwerer fühlte.
Langsam ging ich die Treppe hoch und öffnete zögerlich die Tür zur Wohnung von Sherlock. Als ich mich dem Wohnzimmer näherte, hörte ich mit einem Mal die Stimme von Sherlock, der sich niedergeschlagen an Mrs. Hudson wandte.

,,Falls Sie je meinen...ich wäre...anmaßend arrogant oder...ich würde mich überschätzen..."

,,Ja?"

,,Dann sagen Sie bitte einfach das Wort Norbury zu mir.", bat Sherlock und Mrs. Hudson klang ein wenig verwirrt.

,,Norbury?"

,,Nur das. Da wär ich Ihnen sehr dankbar.", sagte Sherlock matt und ich senkte leicht den Kopf, ehe ich das Wohnzimmer schließlich betrat und Mrs. Hudson mich bemerkte.

,,Oh, Evelyn! Wie schön Sie zu sehen."

,,Hallo, Mrs. Hudson!", sagte ich leise und warf ihr dann einen bittenden Blick zu. ,,Würden Sie...Sherlock und mich vielleicht kurz alleine lassen?"

,,Natürlich!", erwiderte sie und erhob sich aus dem Sessel, ehe sie auf mich zukam und mir die Schulter tätschelte. ,,Ich werde mal einen Tee machen."

Sie verschwand Richtung Treppenhaus und schloss die Tür hinter sich. Ich sah nun zu Sherlock, der in seinem Sessel saß, aber dieses Mal sah er mich an und brachte sogar ein schwaches Lächeln zustande.

,,Schön, dass...dass du hier bist.", sagte er und ich nickte kaum merklich, ehe ich ihn niedergeschlagen ansah.

,,Ich weiß, was du denkst, Sherlock...aber es ist nicht deine Schuld."

,,John sieht das anders.", brachte er hervor und ich kämpfte gegen die Trauer an.

,,Er steht unter Schock und trauert. Tief im Inneren weiß er, dass dich keine Schuld trifft."

,,Mary ist wegen mir gestorben. Die Kugel war für mich bestimmt und sie hat sie getötet.", widersprach Sherlock mir, aber ich schüttelte den Kopf.

,,Weil Mary dir das Leben gerettet hat! Das war ihre eigene Entscheidung und niemand hätte das vorhersehen können. Und Mary würde bestimmt nicht wollen, dass du dir jetzt dein Leben lang Vorwürfe machst."

,,Vermutlich!", meinte Sherlock und sein Blick richtete sich auf den Boden.

Ich sah ihn an und spürte, wie mein Herz sich tief im Innersten nach ihm sehnte. Aber ich würde es mir selbst brechen müssen, damit es heilen konnte und deshalb blieb mir keine andere Wahl, als an meiner Entscheidung festzuhalten.

,,Ich werde nicht in die Baker Street zurückkommen, Sherlock. Nach allem, was passiert ist...da...ich muss eine Zeit lang Abstand halten und das heißt auch, dass ich dir nicht mehr bei deinen Fällen helfen kann. Glaub mir...diese Entscheidung ist mir nicht leicht gefallen, aber ich sehe keine andere Möglichkeit."

Sherlock zeigte keinerlei Reaktion und ich hatte auch nichts anderes von ihm erwartet. Schließlich jedoch, nickte er nur stumm, aber wagte es nicht, mich auch nur eine Sekunde lang anzusehen.

,,Wenn du das so willst..."

,,Versteh mich bitte nicht falsch, Sherlock...wenn es einen anderen Weg gäbe...dann würde ich es nicht tun. Aber nur so kann ich diesen Abschnitt hinter mir lassen. Mein ganzes Leben war erfüllt von Trauer, Gefahren und Verlust...und ich will so nicht mehr leben. Obwohl es mir nicht leicht fallen wird, dir aus dem Weg zu gehen. Du bist mir wichtig, Sherlock und glaub mir, hätte Mary sich nicht vor dich geworfen, um dir das Leben zu retten...dann hätte ich es getan. Denn...ich könnte nicht damit leben...wenn du...sterben würdest...dafür bedeutest du mir einfach zu viel. Ein Teil von mir liebt dich, Sherlock und vermutlich wird dieser Teil dich auch für immer lieben, aber ich kenne deine Meinung bezüglich Gefühle und Beziehungen. Und da ich nicht von dir verlangen kann, dass du dich und deine grundlegenden Vorsätze für mich änderst...sollten wir fürs Erste eine nötige Distanz haben. Nur so können wir das alles hinter uns lassen und weiterhin Freunde bleiben."

Mir liefen Tränen über die Wangen und mein Herz fühlte sich an, als hätte man es in Scherben zerschlagen. Sherlock rührte sich immer noch nicht, aber ich konnte ihm ansehen, dass meine Worte ihn auf irgendeine Weise getroffen hatten.
Sein Schweigen war für mich Antwort genug und ich wusste, je länger ich blieb, desto schwerer würde mir der Abschied fallen. Deshalb sah ich niedergeschlagen zu ihm und weitere Tränen liefen über mein Gesicht.

,,Leb wohl, Sherlock!"

Mit diesen Worten wandte ich mich schweren Herzens von ihm ab und verließ die Wohnung. Als ich die Haustür der Baker Street schloss, wurde ich von meiner Trauer überwältigt und brach in weiteren Tränen aus. Der Schmerz zerriss mich förmlich von innen und ich fragte mich, wie ich ihn ertragen sollte.
Aber es war notwendig und obwohl es mir unendlich wehtat, war es dennoch die richtige Entscheidung gewesen. Und es war nun an der Zeit, dass ich nach vorne in die Zukunft sah. Und sie hatte schon begonnen...hier und jetzt!

Sherlock - Das Spiel des TodesWhere stories live. Discover now