Sein letzter Schwur

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Sein letzter Schwur

Als ich langsam wieder die Augen öffnete, hatte ich das Gefühl, dass mir der Kopf schwirrte. Ich war wie benebelt und brauchte einige Sekunden, bis ich wieder klar denken konnte. Und mit der Klarheit kam auch die Erinnerung zurück, die mir nicht nur einen Schreck in die Glieder jagte, sondern mich auch noch unglaublich wütend machte.

,,Sherlock...du kannst was erleben!", brachte ich knurrend hervor und taumelte noch etwas, als ich mich aus dem Bett erhob, in welches Sherlock mich gelegt hatte.

Er hatte mich außer Gefecht gesetzt! Hatte mich betäubt und dann ganz offenbar mit John im Schlepptau das Weite gesucht, um...ja, was hatten die Zwei vor? Es konnte nichts Gutes sein und die Tatsache, dass Sherlock mich ohnmächtig zurückgelassen hatte anstatt mich mitzunehmen, konnte nur bedeuten, dass er im Begriff war, etwas sehr Dummes zu tun. Warum konnte er nicht einmal nicht auf eigene Faust losziehen? War ihm denn nicht klar, dass sein Plan, was auch immer das für einer sein mochte, nicht funktionieren konnte?

So schnell es mir meine noch anhaltende Benommenheit erlaubte, eilte ich aus dem Zimmer die Treppe herunter und hörte bereits die aufgebrachte Stimme von Mycroft, der regelrecht tobte.

,,Ich bringe ihn um! Wenn ich Sherlock in die Finger kriege..."

Offenbar war ich nicht die Einzige, die Sherlock außer Gefecht gesetzt hatte, um seinen idiotischen Geheimplan in die Tat umsetzen zu können. Und als ich in die Küche kam, fegte Mycroft wie ein Tornado durch den Raum, während ihm der Zorn buchstäblich ins Gesicht geschrieben stand.

,,Er tut niemals das, was man ihm sagt. Ständig bringt er sich in Schwierigkeiten und ich darf hinter ihm aufräumen. Man sollte ihn einsperren!", fauchte er, doch als er mich sah, war sein Gesichtsausdruck von völliger Verblüffung gezeichnet. ,,Evelyn? Was machen Sie denn hier? Ich dachte, Sie wären bei meinem Bruder...zusammen mit Dr. Watson."

,,Tja, Mycroft...tut mir leid, Sie enttäuschen zu müssen. Aber nicht nur Sie wurden von Sherlock ins künstliche Koma befördert.", erwiderte ich ungerührt und Mrs. Holmes musterte mich besorgt.

,,Geht es Ihnen gut, Evelyn?"

,,Ja! Wenn man mal davon absieht, dass ich Sherlock die Hölle heiß machen werde, wenn ich ihn erwische."

Mrs. Holmes tätschelte mir die Schulter und versuchte offenbar, mich zu besänftigen. Aber auch sie schien etwas gereizt zu sein, wobei niemand von uns die Wut von Mycroft übertreffen konnte, die sich aber nun auch ein kleines bisschen in Panik umzuwandeln schien.

,,Das ist nicht gut...das ist gar nicht gut. Nein...das ist noch viel schlimmer als ich dachte. Und ich hatte noch gehofft, dass es nicht in einer Katastrophe enden würde. Aber, dass Sie hier zurückgeblieben sind...das lässt mich das Schlimmste befürchten!", sprudelte es aus ihm heraus und ich runzelte die Stirn.

,,Was meinen Sie, Mycroft? Was hat meine Anwesenheit mit dem Ausmaß der Situation zu tun?"

,,Verstehen Sie denn nicht, Evelyn? Sherlock bezieht Sie doch sonst auch in alles mit ein. Ja...ihr beide seid in solchen Dingen doch schon fast so unzertrennlich...wie Pech und Schwefel. Dass er Sie aber ebenfalls außer Gefecht gesetzt hat, kann nur bedeuten, dass er Sie zu Ihrem eigenen Schutz nicht eingeweiht hat. Und das wiederum bedeutet ohne Zweifel, dass er etwas plant, was ihm das Genick brechen könnte."

Mycroft war mit seinen Nerven gänzlich am Ende und auch mir drehte sich nun regelrecht der Magen um. Was führte Sherlock nur im Schilde? Ich bekam es auf einmal mit der Angst zu tun, denn diese Situation rief die dunklen Erinnerungen an jenen Tag in mir zurück, wo wir alle glaubten, Sherlock hätte sich vom Hochhaus in den Tod gestürzt. Ich betete verzweifelt, dass John ihn von jeglicher Dummheit abhalten konnte, denn er war ja irgendwie Sherlocks Stimme des Gewissens.

Sherlock - Das Spiel des TodesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt