Kapitel 37

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An der Ost- und Südmauer war genauso wenig passiert, wie im Norden, nur ein paar Sichtungen. Die Sonne senkte sich und die Uhr um Truck zeigte 17:47 Uhr. Also waren wir fast genau zwölf Stunden unterwegs. Im Rückspiegel sah ich den Staub durch die Reifen aufwirbekn, als wir in die besonders karge Westseite fuhren.

Tyler hatte den Kopf an die Scheibe gepresst und die Augen geschlossen, so wirkte er eigentlich viel jünger. Zu gerne hätte ich gefragt, an was er denkt, richtete dann aber meinen Blick fest auf die Straße. Endlich kam der große Wachturm in Sicht und man konnte erkenne, dass sich hier viel mehr Soldaten versammelt hatten, als bei den übrigen Toren.

,,Wir sind dann gleich da." sagte ich und versuchte meine Stimme neutral und ernst klingen zu lassen. Tyler streckte seine Beine aus und gähnte. ,,Gut. Aber willst du die vier Stunden Fahrt wieder auf dich nehmen?" ,,Was sollen wir denn sonst machen? Wir müssen wohl oder übel zurück, wenn du nicht im Auto schlafen willst." patzte ich. ,,Von hier aus ist es doch nicht weit bis in die Innenstadt, höchstens eine Stunde." ,,Schon, aber was willst du da?" ,,Meinem Bruder 'Hallo' sagen. Der arbeitet in der Bank." ,,Könntest du das nicht ohne mich machen?" fragte ich, denn ich hatte absolut keine Lust in irgendwelche Schwierigkeiten zu kommen, ich konnte mir ja denken, dass das Verhältnis nicht das allerbeste ist. ,,Wenn wir schonmal in der Gegend sind... Und außerdem könntem wir dann noch die Clubs unsicher machen!" grinste er schelmisch, was meine Mundwinkel ebenfalls nach oben schnellen ließ. ,,Selbst wenn ich ja sage, könnte ich ja schlecht in meiner Uniform daher kommen." ,,Dann nehmen wir uns ein Hotelzimmer. Und suchen was Schickes in nem Laden. Dauert keine halbe Stunde." lachte er. ,,Ja klar und wer finanziert den Spaß?" ,,Äh, hast du eigentlich schonmal auf dein Bankkonto gesehen? Ich will ja nichts sagen und normalerweise würde ich ja auch alles bezahlen, aber da ich weder dein Mann, noch ein Gentleman bin..." neckte er. Ich überlegte, wie lange es her war, dass ich meinen Kontostand überprüft hatte. Ich hatte nie den Wunsch gehabt, mir irgendwas zu kaufen, mir irgendwas anzuschaffen, schließlich hatte ich in der Kaserne alles, was ich brauchte.

Bei der Bundeswehr verdiente man nicht schlecht, schließlich war man in ständiger Bereitschaft, sein Leben zu opfern, außerdem hatten die meisten augebildeten Offiziere schon eine Familie. Dazu kam noch, dass ich praktisch Seite an Seite mit der Regierung arbeitete und als Leibwächter fiel die Gage garantiert nicht gerade schmal aus. Die ganzen Papiere hatte ich zwar abgeheftet, aber nach meinem Gehalt hatte ich mich nie erkundigt.

,,Von mir aus können wir das machen." rutschte es mir hinaus und wollte es sofort wieder zurücknehmen, als Tyler mich überrascht ansah. ,,Wow, hätte nie gedacht, dass in die ein bisschen Spontaneität steckt!" ,,Klappe. Wir sind jetzt da." wies ich ihn zurecht und stellte den Wagen am Straßenrand ab.

,,Im Namen der Regierung. Irgendwelche Vorkomnisse?" ratterte ich meinen Text herunter und stand respekteinflößend vor der Patrouille, die flüchtig salutierten. Im Schnitt waren hier biszu zwanzig Leute mehr, als an den anderen Stützpunkten. Sie warfen sich untereinander verwirrte und fragende Blicke zu, aber keiner antwortete. ,,Ich frage nochmal: Irgendwelche besonderen Vorkomnisse?" zischte ich bedrohlicher. ,,Ma'am, wir dürfen leider keine Auskunft geben, eine Anweisung von Doktor Miller persönlich." ,,So? Nur zu Schade, dass ich in seinem Auftrag hier bin." blaffte ich und machte einen Schritt auf den zu, der die Antwort gegeben hatte, sodass er von einem Bein auf's andere trat.

,,Er meinte, dass die Leute, die über die Vorkomnisse Bescheid wissen, hier ab und zu einen Abstecher machen würden, Ma'am. Bitte nehmen Sie's mir nicht übel, aber sie sind wie es scheint, nicht eingeweiht, Ma'am. Tut mir leid." ,,Nun, wie es aussieht, bin ich das wirklich nicht." knurrte ich und machte die Macht-Dass-Ihr-Wegkommt- Geste. Sie hoben einmal kurz die Handkante an die Schläfe un setzten ihren Rundgang fort.

,,Du hast so gut wie recht. Es ist hier auf jeden Fall etwas im Gange und es gefällt mir ganz und gar nicht." murmelte ich an Tyler genwandt und fuhr mit den Finger über den rauen Stein, aus dem die Mauer gebaut war. ,,Also, was wollen wir...?" ich hielt in der Frage inne, denn als ich mich umdrehte, war dort kein Tyler mehr. ,,Mister Hunter?" rief ich und sah mich um und lief zurück zum Auto, das hinter einem Abschnitt geparkt war, vor dem der Eingang zu dem Wachturm lag.

,,Hunter?" rief ich nocheinmal, diesmal etwas lauter. ,,Entschuldigen Sie, Ma'am, suchen sie jemanden?" sprach mich ein großer Mann an, offenbar der Basisleiter, wie ich an seiner Uniform erkennen konnte. ,,Meinen Kollegen, der mit mir hierher gekommen ist." Ich drehte mich um meine eigene Achse, aber nirgendswo die leiseste Spur von ihm. ,,Oh, habe ich auch nicht gese..." Er wurde von einem lauten Poltern aus dem Wachturm unterbrochen. ,,Was war das denn?" wollte ich ungläubig wissen und lief zu der Tür, die ich aufzog. In einem Wachturm war ich schon ewig nicht mehr gewesen, seit der Grundausbildung in etwa. ,,Ma'am, sie sind nicht befugt, in..." setzte der Mann an. ,,Doch, bin ich. Ich komme im Namen der Regierung." ,,Aber das kann nicht sein, denn..." ,,Das kann sehr wohl sein." Erneut ertönte ein Rumpeln, aber unterhalb von uns. ,,Sind Sie sicher, dass hier alles in Ordnung ist?" ,,Es tut mir wirklich leid, das zu tun, Miss." Der Offzier holte aus und hätte mit der Handkante genau in meine Kehle getroffen, wenn ich ihm nicht ausgewichen wäre. Er startete einen neuen Versuch und schubste mich brutal gegen mehrere Kisten, die an der Wand aufgestapelt waren, dann stürtzte er sich auf mich und ich sah die Spitze einer Spritze in seiner Hand aufblitzen, die er mir in den Hals rammen wollte. Ich packte seinen Arm und trat ihn in den Magen, sodass er zwei Schritte zurücktaumelte. Diese paar Sekunden genügten, um an das Messer in meiner Hose zu kommen und als er den nächsten Versuch startete, mir die Spritze reinzudrücken, schlug ich das Messer durch sein Fuß in den weichen PVC Boden. Er schrie qualvoll vor Schmerzen auf und krümmte sich, während er die Spritze fallen ließ, sodass sie mir vor die Füße rollte. Morphin. Betäubungsmittel.

Ich tat nur Gutes, indem ich ihm die Spritze gab, denn so war der Schmerz nicht ganz so furchtbar. Nunja, vielleicht hatte ich ihm durch das Messer auch seine ganze Militärkarriere versaut, aber das war mir im Moment egal.

Was für mich zählte war, dass ich Tyler so schnell wie möglich findete.

 

Der Anfang des EndesWhere stories live. Discover now