Kapitel 26

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,,Wir müssen unsere Sachen hierlassen." sagte ich, während ich den Rest des Laibes Brot aus dem Rucksack nahm und den letzten Krug Tyler gab. Ich brach das Brot durch und reichte ihm eine Hälfte. ,,Die werden uns nicht vertrauen,wenn wir mit einer Tasche Proviant und Waffen da ankommen würden." Tyler nahm sich ein paar Messer hinaus und mit dem einen zog er einen Schnitt durch seine Hose. ,,Stimmt. Dann wollen wir mal den Image von Ausgestoßenen treu werden." rief er und ich tat es ihm gleich, denn die Idee war nicht schlecht. Mein Shirt verlor einen Ärmel und meine Knie wurden aufgeschrammt und zu guter Letzt rupfte ich ein wenig Moos aus dem Waldboden und rieb mir mit der feuchten Erde darunter mein Gesicht, Hände und Ellenbogen ein.

Wir sahen wirklich aus, wie welche, die tagelang durch einen Wald geirrt sind. Ich verstaute so viele Messer wie möglich in meinen Stiefeln und unter meinem Shirt, Tyler hing sich seinen Bogen um und leerte den Köcher bis auf zwei Pfeile, als ich ihn fragend anblickte, erklärte er:,,Irgendwie mussten wir ja jagen gehen, was? Und es würde komisch kommen, wenn wir unsere Waffen nicht mitgenommen hätten." Ich machte ein zustimmendes Geräusch und surrte den Rucksack zu, während ich das Brot aß. ,,Und was machen wir mit den Rucksäcken?" fragte er mit vollem Mund. ,,Sobald eine Einheit hier lang gehen würde, würden sie sie auf jeden Fall entdecken und wir sind nur noch drei Stunden entfernt von der Stadt... Wir könnten sie versenken." ,,Gut, ich weiß, wo ein Bach ist, ungefähr 'ne halbe Stunde von hier." ,,Dann los."

***Tylers P.o.V***

Ich konnte ihre Gedanken praktisch bis hier her hören. Warum machte sie sich so einen Kopf darum, was passieren könnte? Es würde alles glatt gehen, immerhin war ich jetzt um einiges schlauer als mit fünfzehn. Und wenn sie uns erwischen sollten, dann könnten wir immer noch fliehen.

Es ist etwas an den Plänen der Regierung dran und zumindest ich würde alles daran setzen, sie zu enthüllen und es wäre nicht schlecht, wenn ich dabei eine Vertrauensperson hätte. Ich musterte Valerie von hinten, wie sie ihren Zopf enger zog, aus dem sich vereinzelnde Strähnen gelöst hatten, wie sich fast lautlos ging und immer darauf bedacht, Geräusche oder Ähnliches zu hören, die uns das Leben kosten könnten. Ich konnte gut verstehen, warum sie zu den Besten in der Stadt gehörte, denn ich hätte ihr fast die Rolle der Liv abgekauft, wenn ich ihr nicht in die Augen gesehen hätte.

Die blauen Augen, deren Blick niemals warm werden würde, weil sie schon zuviel gesehen hatten. Ich wusste, dass ich die einzige Person war, mit der sie jemals ein längeres Gespräch geführt hatte, mal ganz davon abgesehen, dass ich ein passabler Gegner für sie war. Und ich wusste auch, dass sie mich nicht einfach so ins offene Messer laufen lassen würde.

Wenn man sie ohne ihre Soldaten Kleidung gesehen hätte, sondern mit Jeans und T-Shirt, vielleicht ein wenig Mascara, dann würde man nie im Leben auf die Idee kommen, dass sie bei der Elite ist. Oh ja, ich wusste, was Mascara ist, an meinen freien Wochenden war ich oft genug in der Stadt gewesen und das als Fünfzehnjähriger.

Das Leben ist da, um es zu genießen und in den ersten zwanzig Jahren meines Lebens war so viel passiert, dass ich darüber ein Buch schreiben könnte.

Mein Vater- tot

Meine Mutter- wahrscheinlich auch, sie war von heute auf morgen nicht mehr da und keiner hatte sie gesehen

Mein Bruder- musste ich zurücklassen, er war ohnehin ein Arsch.

Kaum war er achtzehn geworden dachte meine Mutter wohl, dass sie und sitzen lassen könnte. Er hat einen Job in der Bank bekommen und hatte nach der Arbeit immer Frauen Besuch und es war ihm ganz egal, was ich machte, ich fragte mich, ob er überhaupt wusste, dass ich auf die Militärschule ging. Vielleicht hat er in den fünf Jahren auch noch nicht mal gemerkt, dass ich weg bin, ich werde ihn mal einen kleinen Besuch abstatten, wenn unsere Lage es zuließ.

Wieso denken ich denn jetzt auch über meine "Familie" nach?

,,Okay, der müsste tief genug sein." unterbrach Valerie meine Gedanken und ich bemerkte erst jetzt, dass wir direkt vor dem Bach standen. Mittlerweile war es wohl eher ein Fluss, denn der Wasserspiegel war ernorm gestiegen.

,,Dann mal rein damit." Ich nahm den Rucksack ab und schmiss in ins Wasser. ,,Und was machen wir mit denen?" fragte ich, während ich die beiden Gewehre ins Gras legte. ,,Also ich finde die zu schade zum Versenken." meinte ich dazu. Diese Gewehre waren keine leichte Beute gewesen, und ich hatte mir bei dem Diebstahl einen Finger gebrochen.

,,Wir könnten sie in das Dickicht legen. In diese Dornen geht garantiert keiner." schlug Valerie vor und ich nahm es mit einem Nicken hin. Die Monition schob ich unter die Äste und häufte ein bisschen Erde darüber.

,,Dann wollen wir mal. Auf ins Verderben." murmelte sie. ,,Oder, auf um einen Krieg zu verhindern." verbesserte sie enthusiastisch und sie warf mir einen vernichteten Blick zu.

Und so machten wir uns auf den Weg. Dreckig, mit ein paar Messern und voller Ungewissheit.

Der Anfang des EndesWhere stories live. Discover now