Kapitel 35

5.2K 263 3
                                    

,,Wie war es?" fragte Tyler, er hatte mich vor den Schlafsälen abgefangen. Seine Stimme war neutral, nicht mal sein übliches Grinsen war da und ich hatte Mühe, ihm ins Gesicht zu schauen. ,,Lass uns in die Cafeteria gehen. Da kann man uns nicht so leicht hören." erwiederte ich, worauf er nickte.
Es war seltsam, mit ihm zu reden. Am Liebsten hätte ich sein Gesicht zwischen die Hände genommen und ihn geküsst. Aber das ging nicht, ich war schließlich diejenige gewesen, die ihn abgewiesen hatte. Außerdem würde das nicht funktionieren, denn es hatte die hauchdünne Mauer, die sich so mühsam aufgebaut hatte, wieder niederreißen.

Ich rutschte auf die lange Holzbank und er ließ sich circa dreißig Centimeter neben mir nieder, dann musste ich erstmal tief Luft holen, denn eigentlich waren die Sachen ja streng vertraulich. Den ersten Schritt in Richtung 'Staatsverrat' wäre dann gleich getan.
,,Die Leute von Außen machen der Republik im Westen am meisten zu schaffen. Die meiste Konzentration des Militärs liegt dort, damit sie dem Wiederstand stand halten können. Miller hat sich sogar schon mit den Vorsitzenen anderer Städte in Verbindung gesetzt. Er hat zwar nicht direkt gesagt, aber ich meine, dass wir uns bald in einem kleinen Krieg befinden und zwar nicht, wie du vorausgesagt hast, gegen andere Städte, sondern gegen deine Leute von Außen." Ich lehnte mich nach hinten und sah, wie sich Tylers Stirn in Falten legte.

,,Ist wenigstens gut, dass du nicht um den heißen Brei herum redest. Deswegen werde ich es auch nicht tun. Ich muss zurück. Wenn du- wie du es sagst- ein Krieg zwischen Stadt und den Stämmen ausbrechen sollte, dann muss ich die Nachricht verbreiten. Denn ich kenne die Republik, sie wird skrupellos vorgehen."
,,Du kannst jetzt nicht einfach zurück gehen." platzte ich heraus und augenblicklich drehten sich einige Köpfe zu uns, die mich leiser werden ließen.
Warum denn nicht?" fragte er. Weil ich dich hier brauche. ,,Weil ich ja noch gar nicht weiß, ob es überhaupt soweit kommen wird. Tyler, du kannst nicht einfach so gehen, ohne das es überhaupt festeht. Vielleicht wird sich die Lage ja auch wieder beruhigen."

Plötzlich packte er mich an den Schultern. ,,Valerie, die Lage wird sich nie mehr beruhigen. Die Außerlebenden haben einen Schwachpunkt gefunden und den werden sie auch ausnutzen. Manchmal habe ich das Gefühl, dass du gar nicht verstehst, was es bedeutet, dass die Stadt ihre Trupps in die Wälder schickt, um wahrlos zu morden, manchmal auf die ekelhafteste Weise."

Ich machte mich von ihm los und rutschte ein Stück nach hinten. ,,Manchmal habe ich das Gefühl, dass du gar nicht verstehst, dass ich durch die Wasters meine Familie verloren habe. Denkst du, ich mache das alles hier nur zum Spaß? Das ich mich hier ausbilden lasse, bedeutet mir viel mehr, als nur eine gute Militärkarierre, in der ich gutes Geld verdiene. Es bedeutet, dass ich Menschen schützen kann, damit sich nicht das Selbe durchmachen müssen, wie ich." Er musterte mich wieder eingehend, aber diesmal war das typische Grinsen, das normalerweise darauf folgen würde, meilenweit entfernt.

,,Und wer schützt die Menschen da draußen, die auch ihre Familien verlieren? Wir befinden uns schon seit mehreren Jahren in einer Art Krieg- aber inoffiziel." er fuhr sich mit gespreitzen Fingern durch die Haare, sodass sie in alle Richtungen abstanden. ,,Wir stehen auf zwei verschieden Seiten, wenn wir etwas verhindern wollen, dann müssen wir zusammen arbeiten." ergänzte Tyler und fixierte einen Punkt an der Wand. Ich seufzte, etwas, was in letzter Zeit zur Angewohnheit geworden war.

,,Was ist, wenn wir beide versuchen, neutral zu  bleiben? Ich versuche, mich nicht mehr auf die Seite der Regierung zu stellen und du versuchst, nicht auf der anderen Seite zu stehen. Erstmal müssen wir herausfinden, was es jetzt mit  dem Krieg auf sich hat, dazu ist in drei Wochen nochmal ein Treffen, aber ich bin mir sicher, dass ich jetzt schon mehr herausfinden kann. Und dann wäre noch die Sache mit dem Zeug, das einen angeblich unverwundbar macht." ,,Es macht dich schnellheilend und du kannst keinen Schmerz empfinden... Das muss irgendwie alles zusammenhängen. Überleg doch mal, mein Clan wusste nicht annähernd etwas von einer Schwachstelle in eurem Mauersystem und außerdem ist euer Militär so skrupellos, wenn hunderte von Leuten versuchen würden, einzudringen, würden sie ein paar große Bomben werfen und es wäre Ruhe im Karton." sagte er verbittert und kniff die Augen zusammen.

Ich unterdrückte das Bedürfnis ihm zu wiedersprechen. ,,Und was soll das ganze dann sein?" zischte ich und schluckte meine aufwallende Wut herunter. ,,Ein Bluff. Es gibt bestimmt keine Auseinandersetzung, die euer System bedroht." er lachte einmal humorlos auf. ,,Ich würde darauf setzen, dass Miller die Regierenden der anderen Städte austrickst, damit sie hierher kommen..." ,,...Und dann wird ein Mordanschlag auf die verübt, während unsere Trupps mit dem eingespritzen Zeug in die anderen Städte einmaschieren." vollendete ich seinen Satz und musste selbst kurz grinsen, aber eher wegen seiner Theorie. ,,Schätzchen, das ich viel zu weit hergeholt. Das könnte nicht klappen, wie..." mir fehlten schon fast die Worte, um seiner Vermutung zu wiedersprechen.

,,Das wäre aber eigentlich nur logisch, Schätzchen. Frag doch mal Miller, ob du zu der Westfront fahren darfst. Ich wette, er sagt nein, aber nicht etwa, weil es zu gefährlich für dich wäre und er dich schützen will oder Ähnliches, nein. Eher weil es gar keine Ausschreitungen gibt." gab er zurück und presst die Lippen aufeinander.

,,Okay, gut. Wir werden der Sache auf den Grund gehen, auch wenn ich es nicht so ganz glauben kann..." ,,Dieses Wochende können wir ja mal eine kleinen Tour entlang der Mauer unternehmen. Außerdem wollte ich noch jemanden besuchen." unterbrach er mich. ,,Wieso entlang der Mauer? Und wen willst du besuchen?" ,,Naja, du bist Unteroffizier und ich... könnte ja jemand sein, der höher gesetzt ist, als die Wachen an der Mauer." schlug er vorsichtig vor. ,,Ich bin höher gesetzt als die Wachen an der Mauer. Wenn du sagen willst, dass wir sich befragen sollen, dann können wir das machen." ging ich darauf ein und er nickte. ,,Ach ja und ich wollte meinen Bruder besuchen." Tyler zog seine Mundwinkel leicht nach oben. ,,Deinen Bruder?" ,,Ja stell dir vor, meine Eltern haben sogar zwei Kinder gezeugt."

Der Anfang des EndesWhere stories live. Discover now