Kapitel 33

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Verdammt, ein ganzes Leben bist du darauf vorbereitet worden, dass du diszipliniert bist und dann laässt du dich ausgrechnet von einem Jungen ablenken. Von einem Jungen. Ein Junge, der nur hier ist, weil du nicht gut genug warst.
Hättest du ihn überzeugen können, nein, hättest du ihn überwältigen können, dann wäre das alles gar nicht passiert.
Dein Leben wäre weiterhin ordentlich und rutiniert gelaufen und du wärst ehrenwürdig im Kampf gestorben.
Aber nein, er musste ja alles auf den Kopf stellen. Wegen ihm hintergehst du deine eigenen Leute, nutzt ihr Vertrauen aus, nur weil du IHM vertraust. Das kann nicht sein. Das darf nicht sein.

Ich schaute mir den Grundriss und den Querschnitt des Regierungsgebäudes an, doch meine Gedanken waren ganz woanders und deswegen hätte ich mich ohrfeigen können.

Du machst es einfach so: Du besorgst die Papiere, durchsuchst so ein bisschen den einen oder anderen Raum. Solltest du etwas finden, wendest du dich wieder an Tyler. Sollte da absolut nichts sein, schleust du Tyler mit in das Gebäude. Sollte er nichts finden, dann sorgst du dafür, dass er genauso schnell wieder von hier verschwindet wie er hergekommen ist.

Ich zog die Knie an und so hockte ich eine Weile in dem großen Ohrensessel in der Bibliothek. Die Zettel hatte ich in ein großes, dickes Buch gelegt, damit sie nicht gleich erkennbar waren. Am Liebsten hätte ich mit einem Messer meine Gedanken an Tyler herausgeschnitten.
Seine Hände hatten sich so gut angefühlt, seine Lippen so perfekt... Scheiße nochmal, hör sofort auf damit!!! Er hatte so gut gerochen, eine Mischung aus Sonne und salzigen Wind. Halt. die. Klappe. Er sah so perfekt aus, die hellblonden Haare im Kontrast zur dunkelgebräunten Haut. Seine starken Muskeln... Du erhängst dich gleich. 

Ich legte den Kopf in das Buch und atmete einmal ganz tief durch. Die Temperatur hier war ganz erträglich, denn die Luft war nicht ganz so abgestanden, es roch jediglich nach alten Büchern und Staub, dem ganz normalen Bibliothek- Geruch.

Ich schaffte es tatsächlich, mich auf die Pläne zu konzentrieren, als die immer etwas hektische Verwaltungsassistentin der Regierung auf mich zugeeilt kam. Was wollte die denn hier?

,,Miss Bennet, wie gut, dass ich sie hier treffe." sie lächelte mich halbwegs an und schob ihre kleine Brille in die Haare.
,,Misses Moore, was verschafft mir die Ehre?" fragte ich und schlug das Buch zu.
,,Ich habe ihre neue Stelle. Der Commander hatte mir aufgetragen, ihnen mitzuteilen, dass Sie von nun an erstmal als Personenschützer von Doktor Miller sind."
,,Wow, okay. Danke." sagte ich und zog überrascht die Augenbrauen hoch.
,,Am Montag ist der Einweisungstag für alle, die neu bei der Regierung anfangen. Eigentlich darf ich es gar nicht sagen, aber:" sie beugte sich zu mir und senkte ihre Stimme. ,,Eigentlich wären sie auf den westlichen Stützpunkt verlagert worden, aber der Commander persönlich hat sein Wort eingelegt, dass sie eine höhere Stelle bekommen sollten." sie kicherte einmal kurz und ich nickte.

,,Gut, das war es schon. Montag, um sieben Uhr am Haupteingang. Und tragen sie ihre Uniform, sonst werden sie nicht erkannt." Mrs. Moore schob sich wieder die Brille auf die Nase und stöckelte wie eine Ente auf Pumps und im Bleistiftrock zurück.
Als Personenschützer. Das war irgendwie cool.
Die paar Leute, die noch in der Bibliothek waren, starrten mich an und ich warf ihnen einen stechenden Blick zu, den sie nicht wagten zu erwiedern.

Vor allem hätte ich als Personenschützer auch Zutritt zu allen Räumen, zumindest dachte ich das. Doktor Miller war der Regierungsführer. Eigentlich mochte ich ihn, denn auf Fernseh Übertragungen machte er einen authentischen und volksnahen Eindruck, also denke ich mal, dass ich gut mit ihm klarkommen würde.
Ich stopte die Zettel aus dem Buch in meine Hosentasche und machte mich auf den Weg in die Trainingshalle. Ich musste mich abreagieren und ganz wichtig: meinen Kopf freibekommen, sonst könnte ich heute nicht einschlafen, ohne einen Gedanken an Tyler zu verschwenden.
Sein Name flog wie eine Seifenblase durch meinen Kopf und ich musst unbedingt die Nadel finden, mit der ich sie zerstechen konnte.

***

Total kaputt schleppte ich mich zu den Schlafsälen. Heute hatte mich zu Höchstleistungen getrieben und es war einfach nur ein gutes Gefühl. Tylers Lippen auf meinen waren zwar besser, aber... Fresse.
Ich seuftzte und setzte mich auf den Rand meines kleinen Bettes. Ich würde das alles schaffen. Ich würde es schaffen, unsere Knutscherei zu vergessen, ich würde es schaffen, diese unnötigen Gedanken an ihn zu vergessen. Und ich würde es schaffen, hinter die Pläne der Regierung zu kommen.
Das würde ich hinkriegen. Ja. Meinst du nicht, dass du ein klein wenig zu optimistisch bist?

*** Tylers P.o.V ***

Verdammt. Wie hatte dieses Mädchen es nur geschafft, mein Herz zu brechen? Ich war mir in meinen Gefühlen gar nicht so sicher gewesen. Wie sagt man so schön: Das, was man am Meisten braucht, bemerkt man erst, wenn man es nicht haben kann. Oder so ähnlich.
Das Militär hatte sie kaputt gemacht. Klar, ich konnte nicht dem Militär die Schuld in die Schuhe schieben, aber ich hätte sie ganz sicherlich nicht unter diesen Umständen kennengelernt, wenn sie das Leben einer ganz normalen Frau eingeschlagen hätte. Und sie hätte mir ganz bestimmt nicht unter diesen Umständen das Herz gebrochen.
Ich wusste zwar nicht, ob mein Herz wirklich gebrochen war, aber ich dachte, dass es ich wohl so anfühlen musste, wenn jeder Gedanke ihr galt. Ihrem Gesicht, ihren Lippen, ihrem Körper, ihren wunderschönen Augen.
Man, das hört sich so schwul an. Aber es ist so.

Ich begann meine zwölfte Runde um den ganzen Gebäudekomplex zu laufen und so langsam meldete sich das Stechen in den Waden, das ich so dringend brauchte, denn es lenkte mich von den Schmerzen im Kopf ab.
War das Herz wirklich nur reine Kopfsache? Wenn ja, dann müsste ich ja jeden Gedanken an sie verbannen können. So schwer kann das nicht sein.
Es würde nur auf die Prüfung gestellt werde, wenn wir zusammen arbeiten müssen, wenn wir gegen die Regierung vorgehen.
Hmm, dieser Gedanke klang doch nicht schlecht, oder?
Wir zwei gegen die Regierung. So wie ich dich Clans gehört hatte, die Kontakte in anderen Städten hatten, wäre diese Stadt die, mit dem größten Waffenarsenal.
Also praktisch wir zwei, gegen den Rest der Welt.
Zumindest nur so lange wir zwei, bis die Stadt dem Druck von Außen nicht länger stand halten kann und die Mauern für längere Zeit fallen, sodass genug von meinen Leuten hier herein können. Das würde die ganze Sache dann schon um Einiges vereinfachen.

Egal was für linke Pläne die Vorsitzenen der Stadt hinter den mehrfach gesicherten Türen hütete, ich würde alles daran setzen, sie zu verhindern.

Der Anfang des EndesDonde viven las historias. Descúbrelo ahora