Kapitel 17

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Es ging mich rein gar nichts an, trotzdem konnte ich meinen Blick nicht abwenden oder meinen Füßen befehlen, umzukehren. Es war ihre Sache und trotzdem war ich ein bisschen perplex. Sie passnten zwar gut zusammen... Aber ging das so schnell!?

Mina und Evan, Evan und Mina, Gesicht in Gesicht, Zunge im jeweils anderen Hals. Sie lösten sich immer wieder mit lauten Schmatzgeräuschen voneinander, um wahrscheinlich überhaupt mal Luft zu bekommen. Mina war wohl doch nicht so unschuldig, wie sie rüber kam, trotzdem hatte ich das Gefühl, dass ich sie beschützen musste- Und sei es vor einem gebrochenen Herz.

Du musst sie vor gar nichts beschützen, zumindest das kann sie selbst entscheiden. Außerdem: Seit wann kümmerst du dich bitte um andere? Evans Hände lagen auf ihrem Hintern und sie drückte ihn am Nacken zu sich runter. Gerade hatte ich mich aus meiner Schockstarre gelöst, als die Blicke der Beiden auf mir lagen.

,,Sorry, ich dachte hier draußen wäre etwas... Gefährliches." murmelte ich und grinste entschuldigend. ,,Na ja, es... Ähh..." begann Mina und verschränkte die Arme vor ihrem zerknitterten Shirt. ,,Evan, ich gehe jetzt besser." lächelte sie ihm zu und er nickte grimmig und ging schnellen Schrittes davon.

,,War es wirklich so laut?" hauchte sie und schaute beschämt zu Boden. Auch wenn ich sie durch die Dunkelheit nicht richtig sehen konnte, würde ich wetten, dass sie einen hochroten Kopf hätte. ,,Zumindestens so laut, dass es meinen Schlaf gestört hat. Keine Sorge, ich streiche es einfach aus meinen Gedanken." sagte ich und rückte auf der Liege bis ganz zu Wand, damit sich Mina neben mich legen konnte.

,,Ich weiß, es klingt komisch, aber ich glaube ich habe mich so richtig in ihn verknallt. Aber wenn wir es öffentlich machen würden, dann wäre ich als Flittchen sofort abgestempelt und wahrscheinlich sogar rausgeschmissen." erklärte sie flüsternd und seuftzte. Es war komisch, dass mir jemand seine Gefühle so offenbarte. Vermutlich waren Mina und ich jetzt sowas wie Freunde. ,,Hmm... Nimm's mir nicht übel, aber ich kann dazu nicht viel sagen." murmelte ich.

,,Natürlich nicht. Aber deswegen mag ich dich auch." sie gähnte einmal und drehte sich auf die Seite. Dieses Mädchen konnte wirklich unglaublich schnell einschlafen.

*** 1 Woche später ***

,,Auf die Kehle, mit dem Ellenbogen!" schrie Tyler, während Mina und ich trainierten. Wir hatten beschlossen, dass Mina mich angriff und ich ihre Schläge abwehrte. Das war kein Problem, aber ich muss echt sagen, dass sie sehr schnell lernte, ihre Schläge immer genauer und härter wurden und sie die Tritte gezielt setzte. Sie wandte die Abfolge von Schlägen an, die ihren Gegner außer Gefecht gesetzt hätten, wenn dieser sich nicht wehren würde.

,,Okay Mina, das waren jetzt um die drei Stunden, jetzt bin ich dran." rief ich und machte das 'Auszeit' Zeichen, nachdem ich an der Sonne abgelesen hatte, wie lange wir schon hier waren. Sie war aus meiner Sicht noch etwa einen halben Meter über den Baumwipfeln, also hatten Tyler und ich noch zweieinhalb Stunden.

In der ganzen Woche war unser Duell immer unentschieden ausgegangen, egal wie sehr ich oder er uns anstrengten. Wir hatten noch knapp zweieinhalb Stunden, ehe es ganz dunkel war.

Ich schnappte mir einen verschließbaren Krug und trank den Liter Wasser auf Ex aus. Dann streckte ich mich flach auf dem Boden aus und Mina tat es mir gleich. ,,Wenn du weißt, dass es bald zum Kampf kommen könnte, dann ist es gut, wenn man sich auch seelisch darauf vorbereitet." meinte ich, als sich auch Tyler neben mich hockte und zustimmend nickte.

,,Ist es schwer, Leute zu töten?" fragte Mina völlig unvermittelt und ich setzte mich ruckartig auf. ,,Was fragst du mich das?" fuhr ich sie an. ,,Ich meine ja nur, du machst so einen Eindruck, als ob du... Na ja, und dazu kommt auch noch, dass du kämpfen kannst und das Besser, als ich jemals einen habe kämpfen sehen. Na gut, bis auf Tyler vielleicht, aber er ist ja nicht besser, sondern genauso gut." Tyler schnaubte verächtlich. ,,Um auf deine Frage zu antworten: Es ist nicht schwer, andere zu töten. Es ist nur schwer zu entscheiden, ob du gerade Freund oder Feind vor deinem Visier hast." er stand auf und klopfte seine Hose ab und ich versuchte, ihn nicht verwundert anzuschauen. Da hat er so recht.

,,Na, ich bin dann ja durch für heute, ich muss noch Mara helfen, Tiere auszunehmen." Mina seuftzte theatralisch. ,,Augen zu und druch! Bis nachher!" sie drückte mich und winkte Tyler kurz, dann lief sie von der Lichtung.

,,Wie viele Leute hast du schon getötet?" wollte Tyler wissen und ich drehte mich zu ihm. ,,Keine Ahnung." ,,Ungefähr?" harkte er weiter nach. ,,Ich weiß es nicht, verdammt!" ,,Jetzt werde doch nicht zickig." Ich schaute ihn missbilligend an, denn ich hatte absolut keine Lust, mich mit ihm zu streiten.

,,Wie wäre es, wenn wir nur 'ne halbe Stunde Zweikampf machen? Ich habe Messer dabei, dann könnten wir noch ein bisschen werfen. Ach ja, und meinen Bogen und Pfeile." ,,Können wir, okay." ,,Gut, dann lass uns anfangen." Noch bevor ich meine Kampfstellung einnehmen konnte, schmiss er mich über seine Schulter und haute mir auf den Hintern, dabei lachte er laut und vergnügt. ,,Lass mich runter oder ich brech dir jeden einzelnen Wirbel!" ,,Haha, das kannst du in so einer Situation gar nicht!" er drehte sich im Kreis und ich zappelte mit den Beinen, doch er hielt sie fest umklammert. ,,Schön zu sehen, wie du dich verhälst, wenn du so hilflos bist." ,,Es wird schön sein, wie du am Boden liegst und um Gande bettelst!" Er lachte noch lauter und ich kniff ihm so fest ich konnte in den Rücken. Zu blöd, dass ich meine Nägel immer komplett runter schnitt.

,,Du weißt schon, dass mich das geil macht?" rief er und drehte mich noch mal im Kreis. ,,Das hast du jetzt gerade nicht gesagt!" gab ich zurück ,,Und jetzt lass mich endlich runter! Ich werde dich sowasvon umbringen!" Plötzlich ließ er seine Hände von mir und ich fiel genau vor seine Füße.

,,Na das wollen wir doch mal sehen!" er wollte meine Handgelenke packen, doch ich trat ihn in den Magen, ehe ich aufspringen konnte und ihn attackierte. Zu gut kannte er meine typischen Schläge, die er mühelos abwehrte, als stellte ich meine Taktik komplett um, sodass ich bald meine ersten Treffer landete. Nur dumm, dass er es mir nachmachte und auch ich einiges einstecken musste.

Irgendwann lagen wir beide platt am Boden und versuchten, wieder zu Atem zu kommen. Schließich reichte Tyler mir einen weiteren Krug, dessen Wasser ich gierig trank. Von der Seite bemerkte ich Tylers Blick.

,,Warum schaust du mich ständig so komisch an? Hör auf damit." ,,Ich versuche dich einzuschätzen, Val. Und das versuche ich so lange, bis ich denke, dass ich alles von dir kenne." ,,Das ist- du bist krank!" ,,Eigentlich nicht. Siehst du Misstrauen nicht als eine Eigenschaft?" ,,Gut zu wissen, dass du mir nicht traust." ,,Also bitte, was erwartest du auch, bei den Umständen, unter denen du hier bist. Außerdem vertraust du mir ja auch nicht." ,,Das stimmt allerdings. Tyler, versuch nicht, mich besser einzuschätzen. Früher oder später bin ich eh weg." Wohl eher später. ,,Nicht, wenn ich es verhindern kann." ,,Ich habe täglich mehrere Stunden, um von hier zu verschwinden." ,,Nur blöd, dass du keine Ahnung hast, wo du dich genau befindest, was?" grinste er spöttisch und zuckte die Schultern. ,,Also, wie sieht's jetzt aus mit Messer werfen?"

Der Anfang des EndesWhere stories live. Discover now