Kapitel 19

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,,Liv?" rief eine Stimme nach mir. Ich hatte ich an den Namen immer noch nicht gewönt, also drehte ich mich erst nach zwei Sekunden um, um zu sehen, dass Evan auf mich zukam.
 Es war schon fast ganz dunkel, also sah ich nur seine Silhouette. ,,Du musst mir helfen..." fing er an.

Denk dran, für ihn bist du noch Liv, also sei nett! ,,Und wie?" lächelte ich ihn gefälscht an. ,,Oh man, das ist echt nich leicht für mich." sagte er verlegen. ,,Ach komm, so schlimm ist es schon nicht." ,,Also, es geht um Mina und... Und ich..." stotterte er herum. OH NEIN! Dafür bin ich echt der falsche Ansprechpartner, da kannst du selbst Tyler besser um Rat fragen. ,,Jaaa?" Ich hob abwartend die Augenbrauen. ,,Also, du bist doch sowas wie ihre Freundin und... und ich wollte mal fragen, was sie von mir denkt." Darf man mit dem Schwarm einer Freundin über ihre Gedanken und Gefühle über ihn reden? Absolut keine Ahnung! ,,Ehmm... Ehrlich gesagt weiß ich auch nicht, was ich dir dazu sagen soll, aber sie mag dich auf jeden Fall... sehr sogar." ,,Wirklich!?" freute er sich. Ja, du Trottel! Ich sage es schließlich nicht einfach nur so.

,,Und wie soll ich sie jetzt anreden? Also... Seitdem sie und ich...", er schluckte, ,,uns geküsst haben, ist das Verhältnis zwischen uns irgendwie anders." Untertreibe doch noch mehr! Wenn ich nicht dazwischen geplatzt wäre, dann hättet ihr es hinter dem Zelt getan! ,,Wenn du sie ansprechen willst, dann sprech sie an... Frage sie doch, ob sie mit dir Messer werfen gehen will oder so."

,,Messer werfen als erstes Date?" Hier gibt es Dates? ,,Dann lade sie zum Picknick ein oder was weiß ich. Irgendwas Romantisches, die wird schon was einfallen, Großer." ich tippte ihn gegen die Stirn, wobei ich mich auf Zehenspitzen stellen musste. ,,Wenn man dich genauer kennt, dann bist du gar nicht so, wie man auf dem ersten Blick glaubt." meinte er und schüttelte lächelnd den Kopf.

Du musst echt vorsichtiger sein! ,,Und wie du gegen Tyler gekämpft hast... Das war nicht nur die Grundausbildung, das weiß ich." er musterte mich prüfend, dann fügte er grinsend hinzu: ,,Aber jeder hat seine Geheimnisse. Und Danke!" er drückte mich einmal kurz, dann lief er in Richtung Lagerfeuer davon. Ich machte mich auf den Weg zum Zelt, da ich schon gegessen hatte und setzte mich auf meine Liege.

Ich ließ mir alles durch den Kopf gehen. Einerseits konnte ich Tyler schon aus Prinzip nicht mitnehmen, andererseits wäre ich schneller da und es wäre sicherer. Aber wie sollte es dann weiter gehen? Man könnte ihn wegsperren und die Mission zuende bringen. Oder ich könnte auf das ''Geheimnis'' setzten, ihm vertrauen und wenn es sich als absolute Scheiße entpuppte, dann könnten wir ihn immer noch wegsperren und beenden, was wir begonnen hatten.

Das klang nicht schlecht. Aber meinte er das wirklich ernst, dass er mitkommen würde? Gedankenversunken schnürte ich meine Schuhe auf und steckte die Messer unter das dünne Larken der Trage und prüfte, ob die anderen auch noch da waren.

Zum Schlafen zog ich mir ein kurzes Top an, das Mary mir gegeben hatte, da es ich nachts immer noch nicht abkühlte und es mit Mina noch wärmer war, da sie sich während sie schlief, förmlich an mich klebte. Da wird Evan später aber viel Spaß haben. 

,,Sowas solltest du öfter tragen, dann könntest du schon fast als weiblich durchgehen." spottete Tyler hinter meinem Rücken und ich drehte mich genervt zu ihm um. ,,Deine Kommentare kannst dir sonst wo hin stecken und jetzt hau ab." ,,So so, du brauchst mich also nur zum Trainieren? Brauchst du nicht jemanden zum Quatschen? Mina ist ja nicht hier." ,,Ich brauche keinen zum Quatschen." ,,Richtig. Du bist ja das Gegenteil von jedem typischen Mädchen. Aber wir könnten doch Busenfreunde werden. Es gibt schließlich für alles ein erstes Mal." lachte er vergnügt.

,,Hast recht, es wird wohl dein erstes und letzte Mal sein, dass dir jemand dein Genick bricht. Verpiss dich." ,,Na na, nicht so vulgär, Kleines. So was ist jetzt mit unserer Busenfreundschaft?" ,,Sie wird nie existieren außer in deinen Gedanken." ,,Eines Tages ganz bestimmt." ,,Niemals." ,,Oh doch." ,,Nein." ,,Doch." ,,Verdammt noch mal, VERSCHWINDE!" ,,Du kriegst Falten, wenn du dich immer so aufregst." quietschte er mit hoch gestellter Stimme und klimperte übertrieben mit den Wimpern. ,,Und du fängst dir gleich eine, wenn du nur Schwachsinn von dir gibst." Er seutzte und gab sein Spiel auf.

,,Wie soll ich an dich heran kommen, wenn du auf nichts eingehst?" ,,Wie wäre es mit: Gar nicht!?" knurrte ich und lehnte mich an die Wand. ,,Tyler, du nervst. Geh jetzt." ,,Sag bitte." ,,Bitte. ,,Kannst du auch ganze Sätze reden?" ,,Tyler geh jetzt, oder ich vergesse mich." ,,Macht nichts, Paul ist eh bis ganz spät weg." Selbstbeherrschung, Valerie. Ich holte tief Luft, ballte meine Hände zu Fäusten und ließ sie wieder locker. Tyler sah mich abwartend an. ,,Auf was wartest du? Uriniere dich hinfort!" ich machte eine wedelnde Handbewegung.

,,Was? Hinfort urinieren?" prustete er. ,,Etwas weniger vulgär, als ''Verpiss dich'' oder?" meinte ich und betrachtete mit gespieltem Interesse meine kurzen, dreckigen Fingernägel. ,,Wo du recht hast... Na gut. Bis morgen." Ich würdigte ihn keines Blickes.

Der Anfang des EndesWhere stories live. Discover now