Kapitel 15

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Mina rannte auf einen immer noch verdutzen Evan zu, und sie konnte ihn tatsächlich zu Boden reißen. Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen, denn es sah einfach zu komisch aus, wie die einssechzig kleine Mina den einsfünfundachzig großen Evan mit Schlägen bearbeitete.

,,Knie in den Magen! Hände auf den Boden, Mina!" feuerte ich sie an und bemerkte Tylers Blick von der Seite. ,,Was?" fuhr ich ihn an. ,,Nichts, nichts." entgengnete er und bedachte mich mit einem Schmunzeln zu. Wenn ich ihm erstmal die Zähne ausgeschlagen habe, nähe ich ihm die Lippen zu.

,,Evan, man! Jetzt wehre dich mal!" schrie Tyler und brach anschließend in Gelächter aus. ,,Mina, deine Handkante! Auf seinen Kiefer damit!" hielt ich dagegen, aber Mina stand auf und hielt Evan die Hand hin.

,,Aber er wehrt sich gar nicht." ärgerte sie sich. ,,Ich will keinen Menschen weh tun, die sich noch nicht mal wehren." sie verschränkte trotzig die Arme und sah Evan an, der sich am Hinterkopf kratzte. ,,Hast du Angst, mich zu schlagen, oder was?" fragte sie ihn herausfordend, doch Tyler kam seiner Antwort zuvor. ,,Ach Quatsch. Er hat vor nichts Angst. Revange! Evan, du brauchst auch nicht richtig zuzuschlagen, lass dich doch von der Kleinen nicht an der Nase herumführen!" ,,Ja ja, ist gut. Also Mina, von vorne." Mina nickte, dann trat sie ihm ohne Vorwanung in die Rippen, Evan jedoch fing ihren Fuß auf und drehte ihn, sodass Mina aus dem Gleichgewicht kam und hinfiel. Evam wollte ihr in die Magengrube treten, er hatte noch nicht mal ansatzweise Schwung drauf, um ihr wehzutun, doch Mina hielt seinen Fuß fest umklammert.

Es sah einfach zu komisch aus und ich musste zugeben, dass Minas Technik zwar ausbaufähig aber ungewöhnlich gut war für einen Anfänger. ,,Hat Evan von dir gelernt Tyler? fragte ich, ohne die Beiden aus den Augen zu lassen. Mina nahm all ihre Kraft mit in die Schläge, Evan vermutlich weniger als die Hälfte.

,,Ja, so halb. Das Kämpfen wird den Jungs hier mit in die Wiege gelegt, sie bekommen alles beigebracht. Aber du kennst ja meine Geschichte." antwortete er zerknirscht.

,,Okay, Stop, Auszeit. Ich ha- habe keine Luhuft mehr." rief Mina vollkommen außer Atem. Okay, die Ausdauer ist auch noch verbesserungfähig. ,,Das- das war aber nicht dein erster Kampf, oder?" wollte Evan wissen und setzte sich auf den Boden. Mina schaute nach unten. ,,Na ja, manchmal habe ich heimlich zugeschaut, wenn die Männer aus meinem Clan ihr Training hatten. Damals waren wir ja noch mehrere, um die vierzig Leute, nach dem ersten Überfall siebzehn und zwei sind gestorben, bevor wir das letzte Mal angegriffen worden sind. Genau deswegen mache ich das hier ja auch, um mich verteidigen zu können. Mich, und Leute, die ich liebe." Wieder herrschte schwere Stille in der Lichtung. ,,Beeindruckend. Aber ich glaube, ich bin nicht geeignet, um mit dir zu trainieren, das passt nicht." meinte Evan schließlich ausweichend.

,,Keiner könnte gegen Mina kämpfen, keiner der Mädchen, die in ihre Altersklasse passen, haben auch nur annähernd Erfahrung. Die einzige, die es machen könnte, wäre Liv, aber sie ist fast so gut wie ich." stellte Tyler fest. ,,Was heißt denn fast? Ich bin besser als du!" ,,Das glaubst du doch wohl selber nicht. Schließlich bist du nur eine angehende Biologie Professorin mit der Grundausbildung." konterte er und warf einen flüchtigen Blick zu Evan, der uns interessiert zuhörte.

,,Lasst uns essen gehen, gleich ist die Sonne weg." unterbrach er schließlich Tylers und meinen Kamof, den wir mit Blicken ausführten. ,,Gute Idee, ich bin zwar nur euer Gast, aber ich habe riesen Hunger." rief Mina und zog Evan hoch. ,,Wo ist das Essen?" fragte sie und machte große Augen, sodass sie schon fast verrückt aussah, was Evan zum Lachen brachte. ,,Komm mit." er nahm sie an die Hand und somit ließen sie Tyler und mich auf der Lichtung zurück.

,,Na da haben sie aber zwei gefunden." meinte Er auf einmal nachdenklich und ich nickte. In dieser Sache gab ich ihm recht. Die Beiden passten wie die Faust auf's Auge.

,,Tyler, wie lange habe ich geschlafen?" ,,Heute? Keine Ahnung." wich er aus. ,,Tu nicht so blöd, du weißt genau was ich meine." zischte ich. ,,Nein, weiß ich nicht. Was meinst du?" Dieser Arsch! Er will nur aus meinem Mund hören, dass er mich überweltigt hat. ,,Ich meine: Wie lange habe ich geschlafen, nachdem mich dieser Kerl auf den Boden gedrückt hat, damit du mich ausknocken konntest?" ,,Ach so, das..." Tja, war wohl nicht die Antwort, auf die du gehofft hattest. ,,Keine Ahnung, ich habe die Tage nicht gezählt." Tage? TAGE!? ,,Wie viele ungefähr?" ,,Ich habe doch gesagt, dass ich es nicht mehr weiß. Ist ja immerhin schon zwei Wochen her, dass du aufgewacht bist."

,,Dann hast du genau so ein Langzeit Gedächnis, wie ein Stück Holz. Tyler, sag es mir!" ,,Was bekomme ich dafür?" ,,Einen Schlag in die Fresse, wenn du es mir nicht sofort sagst." gab ich zurück. Er starrte mich abwartend an, verschränkte die Arme und hob die Augenbrauen. Ich seuftzte.

,,Gut. Tyler, kannst du mir BITTE sagen, wie viele Tage ich geschlafen habe?" ,,Nö." er grinste vom einen Ohr bis zum anderen. Nach den Lippen sind die Ohren dran. ,,Tyler!" ich schlug ihm gegen den Oberarm. ,,Ist ja gut. Ich denke, es waren so vier, fünf Tage." Ich sackte in mir zusammen. Das war zu lange. Der Gedanke, dass ich eben mal zurück zur Stadt laufen konnte, war so eben geplatzt. Erstens kannte ich mich hier nicht aus und zweitens bräuchte ich Essens Rationen und Trinken. Das war's. Ende. Fin. The End.

,,Valerie. Glaub mir, ich würde dich auch lieber laufen lassen. Aber du würdest uns alle in Gefahr bringen. Ich kenne deine Taktik. Schließlich war ich auch mal so wie du. Das kann ich nicht machen. Sorry, Valerie." vorsichtig legte er einen Arm um mich und ich lehnte mich an ihn, unbewusst. Niedergeschlagenheit machte sich in mir breit. Bis ich die ganze Gegend erkundet hätte, würde es noch Monate dauern. Es sei denn, sie hätten eine Karte oder ähnliches, was ich aber zu bezweifeln wagte. Das einzige war mir blieb, war auf die Regierung der Stadt zu hoffen.

Hoffnung ist etwas für schwache Leute. So war es, aber was sollte ich noch machen?

Der Anfang des EndesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt