Kapitel 5

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Wie immer wachte ich gegen fünf Uhr auf, allerdings durch die Stimmen, die durch die dünne Zeltwand zu mir drangen. Ich stand auf und alle Blicke lagen auf mir, als ich aus dem Zelt ging. Ungerührt begann ich unsere Rucksäcke zusammenzupacken.

,,Hey, du musst uns helfen." sagte ein ziemlich zerknirschter Liam. ,,Bei was?" fragte ich, ohne meine Arbeit zu unterbrechen. ,,Wir brauchen eine Taktik, wir können ja nicht schließlich einfach dort hineinmarschieren." ,,Dann weckt die anderen." erwiderte ich. So, jetzt war ich wieder diejenige, die dem immer so angepriesenen 'stärkeren Geschlecht' dabei helfen muss, sich eine Strategie auszudenken? Super.

Nachdem sich alle zu einem Halbkreis versammelt hatten, schob mich jemand in die Mitte, sodass wieder alle Blicke auf mir ruhten und mich erwartungsvoll ansahen

. Ich räusperte mich. ,,Ich würde sagen, wir versuchen die Spur des Jenigen aufzunehmen, den ich gestern verwundet habe. Mit so einer Verletzung wird er direkt nach Hause gelaufen sein." Ich hörte zustimmiges Gemurmel und bald hatten alle ihr Gepäck aufgeschultert und ich führte uns in den Wald hinein, zu dem Baum, in dem das Messer gesteckt hatte. ,,Hier habe ich ihn getroffen." sagte ich und marschierte in die Richtung weiter, in die der Schatten verschwunden war. Und tatsächlich, hier und da ein paar trockene, durchgebrochene Äste, auf die er getreten war, oder einige tieferliegende Zweige, die abgebrochen waren und somit darauf hinwiesen, dass hier auf jeden Fall jemand langegelaufen sein musste.

So ging das ungefähr zehn Kilometer weit, bis die Stille der drückenen Hitze von einem gellenden Schrei unterbrochen wurde. Sofort hielten wir alle inne. Der Schrei war definitiv aus der entgegengesetzen Richtung gekommen und betrug mindestens eine Distanz von zwei Kilometern, trotzdem hat man ihn hier gut hören können, daraus ließ sich leiten, dass er von einem höheren Standpunkt gekommen sein musste. Ich deutete mit meinem Finger bergauf und die, die sich hinter mir befanden, nickten mir zu. ,,Leise." sagte ich gerade noch laut genug, dass es aus meiner Formation jeder hören konnte, dann führte ich uns im Laufschritt den steilen Abhang hinauf.

Der Laubwald wechselte in einen dichten Nadelwald über, als wir noch einen Schrei hörten, diesmal viel näher. Ich bahnte mir einen Weg durch die Sträucher und hielt abrupt an, als ich auf einmal kurz vor einem Abgrund stand. Ich schaute die Kante entlang und was ich sah, stoppte mir den Herzschlag für einen Moment. Etwa vierhundert Meter von uns entfernt schlugen zwei Männer ein Mädchen, das etwa in meinem Alter war. Einer hielt sie an den Haaren fest und der andere ließ gerade einen einen langen, biegsamen Ast auf sie hinuntersausen, was sie erneut dazu brachte, kurz aufzuschreien und dann anzufangen zu wimmern.

,,Wieso? Was denkst du dir?" schrie einer der Männer.  Das Mädchen sagte nichts und der Mann schlug ihr zweimal mit der geballten Faust ins Gesicht. Sie sackte nach hinten weg und blieb liegen. Ich bedeutete meiner Truppe nichts zu machen und sich ruhig zu verhalten. Die drei waren eindeutig Wasters, also konnte ich leider mit dem Mädchen kein Mitleid haben. Die zwei Männer ließen sie liegen und machten sich davon. Jetzt wurde es interessant. Ich joggte zurück in das Gebüsch und lief so nah am Waldrand, dass ich die beiden Männer gerade so erkennen konnte, wenn wir Glück haben, dann würden sie uns geradewegs in ihr Camp führen. Und tatsächlich, die Beiden machten sich nach rechts auf, wo sich eine dünne Rauchschwade in die Luft hob. Wir hatten sie gefunden!

Der Anfang des EndesWhere stories live. Discover now