Kapitel 9

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,,Hier schläfst du." Tyler gab mir eine raue, kratzige Decke und schob das Tuch zur Seite, dass einen kleinen Teil des großen Zeltes abgrenzte, in dem es angenehm kühl ist. Die Decke legte ich auf die kleine Trage. ,,Komm, dann stelle ich dir mal die anderen vor. Aber davor:," er drückte mir einen riesigen Korb Kartoffeln in die Hand, ,,Darfst du Kartoffeln schälen." er grinste mich an und seine grünen Augen glitzerten. Ich wunderte mich, dass er mich nicht hasste, verachtete, vielleicht sogar schlug.

,,Und- Und wie geht das?" fragte ich und lachte innerlich laut auf, als ich sah, wie er die Augen verdrehte. ,,Ich gebe dir eh nur einen Kartoffelschäler, damit machst du es dann so:" er nahm eine Kartoffel in die Hand, wusch sie kurz ab, setzte den Schäler an und drehte die Schale ab, die er dann in einen andere Topf fallen ließ. Seine Hände waren echt riesig, die Finger lang und elegant, Klavierfinger hätte man sie in der Stadt gennant, wenn die Schwielen und Narben nicht gewesen wären. ,,Kapiert?" er drückte mir den Kartoffelschäler in die Hand und verließ das Zelt.

Mit so einem Schäler konnte man gar nichts anfangen, was ins Thema 'sich zur Währ setzten' fiel. Nun gut, sollen die Leute glauben, ich wäre die kleine, unschludige, die sich jetzt unterwirft, damit man ihr nichts tut. Ich schälte eine Kartoffel nach der anderen, dann fiel mein Blick auf das Alu, in welches es die Schalen fallen ließ. Nicht schlecht, ich hatte ein blaues Auge und mein linker Kiefer war angeschwollen. Komisch nur, dass ich nichts merkte, nichtmal wenn ich redete spürte ich etwas. Mein Kiefer war schon mal geprellt, das hat bei jeder noch so kleinen Bewegung geschmertzt. Nun gut, ich wollte lieber nicht nachfragen, was sie mir gegeben haben, also machte ich mich wieder daran, die Kartoffel zu schälen.

Gerade ließ ich die letzte ins Wasser fallen, als Tyler wieder das Zelt betrat. Es mussten um die zweieinhalb Stunden vergangen sein. ,,Nicht schlecht, Citizen." Citizen? Ernsthaft? Schon wieder lag mir eine boshafte Bemerkung auf der Zunge, die ich aber herunterschluckte. Nicht sagen. Später kannst du deine Fäuste sprechen lassen.

,,Du weißt schon, dass das zwölf Kilo waren?" ,,Konnte ich mir denken." gab ich leise zu. ,,Wir essen heute gemeinsam draußen auf dem Platz. Wir haben uns mit anderen Clans zusammen geschlossen, nicht dass wieder so etwas passiert, wie letztens, als wir gemeinsam gegessen haben." ich erinnerte mich an die dünne Rauchsäule, an der wir das Camp gefunden haben.

,,Ich weiß, dass du nicht die bist, für die du dich ausgibst. Und ich werde es auch nicht vergessen." Doch wirst du. Außerdem, was redest du überhaupt so viel mit mir? ,,Livie, ein Mädchen, das so kämpfen kann, vergisst man nicht." ,,Tyler, ich möchte zurück. Bitte." ich ließ den Schäler fallen und schlug die Hände vor mein Gesicht. Verdammt! Ich brauche Tränen! Immerhin brachte ich ein leises Schluchtzen zu Stande. ,,Tja Livie." ich konnte mir sein dämliches Grinsen bildlich vorstellen. ,,Das hast du dir verspielt." Wenn ich mit dir fertig bin, wirst du keinen eizigen Zahn mehr haben. Von einer anständigen Visage mal ganz zu schweigen.

,,Und jetzt hör auf so zu tun, als würdest du heulen und hilf' mir." Okay, ein einfaches Verdammt reichte nicht. Er war es ganz sicher. Der Junge, der eine Legende war unter den Elite Soldaten. Er war zu gut. Selbst die Coaches hatten mir meine Schauspielerei abgenommen, auch wenn es im Kurs ware mit den Worten 'Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich denken, das wäre dein wahres Ich.' Tja, und dann hatten sie mich kämpfen sehen. ,,Ich möchte zurück, Bitte." schluchtzte ich ein bisschen lauter, als hätte ich seinen Kommentar nicht gehört. ,,Warum denn? Du hast eh keine Familie. Und einen Jammerlappen wie dich will keiner als Freund." FUCK!

,,Was redest du da? Meine Mom ist mit meiner Schwester alleine und ihr geht es ganz und gar nicht gut." jammerte ich, worauf er mir einen gernervten Blick zuwarf. ,,Wenn du in den Arm genommen werden willst von mir, brauchst du nur zu fragen." Nie und Nimmer! So ein Arsch! Ich warf mich in seine Arme und merkte, wie er sich anspannte. Das Mädchen, das ich hier spiele, ist das genaue Gegenteil von mir. Im Inneren (wenn auch ganz, ganz tief im Inneren) muss ich sein wie Valerie, außen wie Liv. Das konnte ich. Auch wenn es in manchen Situationen echt scheußlich war, so wie in dieser hier. Unbeholfen tätschelte er mir den Rücken. ,,Ich habe gesagt, du sollst fragen." sagte er leiser und löste mich von ihm. Das hinterhältige Grinsen breitete sich in meinem Bauch aus, anstatt in meinem Gesicht.

Ich werde dich dazu kriegen, mir zu vertrauen und mir meine Show abzukaufen. Darauf schwöre ich. Mit meinem Leben.

Der Anfang des EndesWhere stories live. Discover now