Kapitel 24

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,,Aufstehen!" Ich zog Tyler die Decke weg, nachdem ich mich angezogen und meine Sachen gepackt hatte. ,,Los geht's. Retten wir die Welt." murmelte er und reckte sich, ehe er sich auf den Bauch drehte. Ich musste mich zwingen, nicht auf die langen Narben zu blicken, die unterhalb seiner Schulterblätter anfingen, es sah so aus, als hätte ihn jemand ausgepeitscht oder sonst was. Aber ich wollte nicht fragen, schließlich wollte ich ihm auch nicht alles erzählen. Obwohl es zu mir nicht mehr viel zu sagen gab.

,,Dann auf." sagte ich, während ich Krüge mit Wasser in einem Rucksack verstaute, bevor ich ihn schulterte und vor das Zelt trat. Tyler beim Umziehen zuzuschauen war das Letzte, was ich wollte. Es war noch dunkel und man konnte gerade so erahnen, wo die Sonne aufgehen würde. Ich atmete tief durch. Was tust du eigentlich? Du solltest ohne ihn in die Stadt und dann mit deiner Einheit gewissenhaft die Mission zuende bringen. Was ist, wenn er dich nur bequatscht hat, und dich auf dem Weg umbringen will? Und was ist, wenn er wirklich recht hat? Was ist, wenn die Regierung wirklich Pläne hat, und uns Soldaten einen 'Virus' eingepflanzt hat, der uns so lange kämpfen lässt, bis wir tot umfallen? Es geht noch viel mehr um diesen 'Virus'... Wenn das nämlich stimmt, dann steigt die Wahrscheinlichkeit auf einen Krieg immer höher.

Und es ist absolut naiv und dumm zu glauben, dass zwei Jugendliche, die zwar gut ausgebildet sind, es verhindern könnten.

,,Gut. Bereit?" fragte Tyler und stellte sich neben mich, mit einem Kompass in der Hand. Wo hatte er den die ganze Zeit versteckt? ,,Immer." ,,Richtung Norden." ,,Gut. Gehen wir." Er nickte und setzte sich den Rucksack mit den Waffen auf, dann liefen wir los. In Richtung Norden. Und den ganzen Weg sprach keiner ein Wort. Offenbar hatte Tyler auch jetzt mal damit begonnen, darüber nachzudenken, wie wir überleben könnten.

***

,,Wie lange sind wir jetzt schon unterwegs?" fragte ich, als mir die Sonne unentwegt ins Gesicht brannte, da wir an einer baumlosen Schneise entlang gingen. Tyler warf einen Blick nach oben. ,,Etwa sieben Stunden. Pause?" Ich nickte und öffnete gleich einen Krug, nachdem ich mich ins Gras gesetzt hatte und Tyler öffnete eine kleine Dose aus Bast und aß Stücke von dem Trockenfleisch. Ich bediente mich auch und nahm dazu eine Scheibe vom Brot. ,,Bist du eigentlich aufgeregt?" wollte er unvermittelt wissen. ,,Nein. Ehrlich gesagt, weiß ich gar nicht, was ich überhaupt über die ganze Sache denken soll. Und du? Hast du Angst?" ,,Nein, wovor denn?" lachte er und verschrenkte die Arme hinter dem Kopf. ,,Es könnte dich doch immer noch einer erkennen, der weiß, was du herausgefunden hast." ,,Darum mache ich mir keine Sorgen. Wir könnten behaupten, dass ich bei meiner Flucht aus der Stadt schwer gestürtzt sei und mein Gedächtnis bis auf ein paar Sachen gelöscht war." ,,Bis auf ein paar Sachen? Wie soll das denn gehen?" ,,Wir können das ja ein bisschen glaubwürdiger rüberbringen. Du bist ja ganz gut im Lügen. Jedenfalls könnten wir dann erzählen, dass meine Leute dich wie eine..." er suchte nach den richtigen Worten. ,,Sklavin behandelt haben?" half ich ihm auf die Sprünge. ,,Nein, so heftig würde ich das nicht ausdrücken..." ,,So werden sie es aber am ehesten glauben!"

,,Na gut, dann warst du eben eine Sklavin. Ich habe mir überlegt, dass wir ihnen auftischen, dass du mich erkannt hast und mein Clan und rausgeschmissen hat." ,,Und du spielst weiterhin den Ahnungslosen, der aber weiß, dass er in der Stadt bei der Bundeswehr aufgewachsen ist und durch einen unempfindbaren Grund über den Zaun geklettert ist." ,,Ja genau, so in etwa. Es wird uns schon keiner auf die Schliche kommen." ,,Wie viele Jahre ist es nochmal her, als du aus der Stadt geflohen bist?" ,,Ich weiß es nicht mehr. Fünf?" ,,In fünf Jahren kann sich ein Mensch sehr verändern. Und die Dinge in der Stadt auch. Bist du dir sicher, dass du damals genau das herausgefunden hast? Ich meine, du warst knappe Fünfzehn, da kann man sich..." ,,Ich habe mich nicht getäuscht. Sie haben es an mir getestet. Ich habe es herausgefunden, das weißt du doch schon alles. Wer weiß, was sie in den fünf Jahren alles erweitert haben. Wer weiß, was für Mittel sie jetzt haben. Wir müssen dahinterkommen."

,,Du klingst schon fast fanatisch. Es ist nicht so einfach, wie du dir das vorstellst, die Leute in der Stadt sind immer noch meine Leute. Ich kann nicht einfach dieses gewisse Vertrauen abbrechen." ,,Ich werde es dir zeigen, Alles. Es braucht nur Zeit, denn in den Jahren sie sicherlich neue Gebäude Komplexe errichtet, in denen sie ihre Steuerungs Zellen haben. Neue Labore haben sie wahrscheinlich auch. In dieser Zeit, in denen wir ihr Vertrauen stärken, sodass sie uns vielleicht auch einige Schlüssel überlassen, musst du mir vertrauen." ,,Ich bin keine Person, die ihr Vertrauen einfach verschenkt, Tyler. Vertraust du mir denn?" fragte ich und nach einiger Zeit glaubte ich schon, dass er meine Frage einfach überhört hatte, doch dann antwortete er.

,,Ich würde dir mein Leben anvertrauen."

Der Anfang des EndesWhere stories live. Discover now