Wiedersehen macht Feinde

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,,Dann wird das Sprichwort Sport ist Mord! seinem Sinn vielleicht endlich mal gerecht. Keine Sorge, Greg...ich schreibe dir eine nette Grabrede."

,,Sehr beruhigend!", gab er zurück und ich grinste, als mein Handy summte und ich warf einen Blick auf den Display, ehe ich es wieder in meine Hosentasche steckte und meinem Partner die Hand entgegenstreckte. ,,Komm schon, Rocky! Wir werden gebraucht!"

,,Jetzt?"

,,Natürlich! Verbrecher warten nicht."

                          ***

Und unser Einsatz war laut der Zentrale kein Zuckerschlecken, denn eine Reihe von Schwerverbrechen suchte London auf einmal binnen einer einzigen Stunde heim. Der Tresor der Bank of England war wie durch Geisterhand geöffnet worden, alle Zellen im Pentonville-Gefängnis waren anscheinend durch einen Hacker geöffnet worden und nun hatte man uns zum Tower of London gerufen, wo jemand eingebrochen war.

Greg fuhr unseren Wagen, beklagte sich aber gut jede 5. Minute über Muskelkater, den er durch unser Training davongetragen hatte und ich wusste jetzt schon, dass sein Vorsatz wieder sportlicher zu werden, hiermit ein Ende gefunden hatte.
Noch während der Fahrt bekam ich ein ungutes Gefühl, dass dieser Tag keine gute Wendung nehmen würde. Und je näher wir dem Tower kamen, desto mehr verstärkte es sich, obwohl ich keine Ahnung hatte, warum. Was konnte an einem Einbruch denn schon so schlimm sein, dass es unseren ganzen Tag ruinieren könnte?

Vor dem Tower bremste Greg und wir sprangen förmlich aus unserem Dienstwagen. Blitzschnell zogen wir uns kugelsichere Westen über, denn ich hatte nicht die Absicht, nochmal wegen einer Schusswunde im Krankenhaus zu landen und gemeinsam mit unserem Einsatzteam stürmten wir den bereits evakuierten Tower.

Der Alarm kam von dem Raum, wo sich die Krönungsjuwelen befanden, was für mich auch kein Wunder war. Was sonst wäre wohl wertvoller und somit interessanter für eine Bande von Gaunern? Obwohl es mir doch ein ziemliches Rätsel war, weshalb die Diebe am helllichten Tage einbrachen, anstatt dies nachts zu tun. Entweder waren so zu unerfahren, um so eine große Nummer abzuziehen oder sie waren einfach nur dämlich.

Als wir endlich den besagten Raum erreichten, stürmte unser SEK voraus und postierte sich mit geladenen Waffen um die Vitrine herum und richteten ihre Waffen direkt auf das Schauwerk. Und als Greg und ich schließlich hineinplatzten, erwartete ich bereits, dass ich es mit einer gut sechs-köpfigen Bande aufnehmen musste, doch das Bild, welches sich uns darbot, übertraf alle unsere Erwartungen.
Denn in der Vitrine, auf dem majestätischen Thron, in der königlichen Robe samt Zepter und Krone gekleidet, saß niemand Geringeres als Jim Moriarty persönlich und schaute triumphierend drein, ehe sein Blick schließlich auf mich fiel und sich ein Grinsen auf seinem Gesicht abzeichnete.

,,Evelyn, hast du mich vermisst?"

                          ***

,,Das darf doch wohl nicht wahr sein!", platzte es aus mir heraus, während ich mit Greg vor dem Tower stand und nicht wusste, wie ich mit dieser Situation umgehen sollte und mein Partner versuchte inständig, mich zu besänftigen.

,,Beruhige dich, Evelyn. Immerhin konnten wir ihn jetzt festnehmen."

Vielsagend deutete Greg auf Moriarty, der nun von Polizisten aus dem Gebäude geführt und zu einem Polizeiauto gebracht wurde. Bevor er jedoch einstieg, sah er nochmal rüber und zwinkerte mir zu, während er amüsiert lächelte und dann schließlich ins Auto stieg.
Aber die Tatsache, dass sich Moriarty jetzt in Gewahrsam befand, beruhigte mich ganz und gar nicht.
Ganz im Gegenteil! Sie machte mich total nervös. Moriarty war kein Verbrecher, denn man einfach so festnageln und hinter Gitter bringen konnte. Er war ein kranker Psychopath, der hinter allem, was er tat, einen Hintergedanken hatte und ich war mir ziemlich sicher, dass der Einbruch in den Tower nur der Anfang von einem neuen abgekarteten Spiel war.

,,Greg, dieser Mann ist geisteskrank! Ob in Freiheit oder hinter Gittern, Moriarty wird immer eine Bedrohung sein.", entgegnete ich und Greg legte mir eine Hand auf die Schulter.

,,Er kann aber so niemandem etwas tun. Und das ist doch die Hauptsache."

,,Ach, findest du?", setzte ich an und drehte mich zu meinem Partner um, ehe ich ihn ernst ansah. ,,Moriarty ist kein normaler Verbrecher! Er ist ein krankes Genie! John und ich wurden von ihm entführt, weil er es für ein Spiel gehalten hat, uns Sherlock als seine Geiseln auf dem Silbertablett zu servieren, nur um sich vorzustellen. Er hätte uns alle umgebracht, wenn Irene Adler ihm nicht dazwischen gefunkt hätte. Und jetzt taucht er wieder auf und das mit einem Einbruch in den Tower von London und das so auffällig, dass es für ihn doch klar war, dass wir ihn finden und festnehmen würden. Es gibt also nur einen einzigen Grund, warum es uns dieses Mal gelungen ist, ihn in Gewahrsam zu nehmen, Greg: das ist sein Ziel gewesen!"

Ja, ich war mir mehr als sicher, dass Moriarty es darauf angelegt hatte, dass wir ihn verhaften würden. Die einzige Frage war nur, weshalb er diese Absicht verfolgt hatte. Was sollte er denn bitte vom Gefängnis aus besser ausrichten können, als in Freiheit? Oder wollte er einfach und allein ein spektakuläres Comeback? Was auch immer seine Gründe waren...ich wollte sie um jeden Preis herausfinden.

,,Ich glaube, wir sollten Sherlock Holmes über die Rückkehr von Moriarty informieren. Besser, ich rufe ihn gleich an.", sagte Greg, doch ich schüttelte den Kopf.

,,Nein! Das mache ich."

,,Bist du dir sicher?", hakte Greg nach, was ich mit einem Nicken bekräftigte.

,,Moriarty ist nicht nur Sherlocks Erzfeind, Greg...er ist auch meiner."

                            ***

Ich lieh mir den Dienstwagen von einem Kollegen und machte mich sofort auf den Weg in die Baker Street. Denn ich wollte Sherlock und John die Nachricht persönlich überbringen, weil es meiner Meinung nach nichts war, womit man leichtfertig umgehen sollte. Obwohl ich mir bereits vorstellen konnte, dass Sherlock genau das tat: leichtfertig sein!

Nachdem ich die Baker Street erreicht hatte, klingelte ich und Mrs. Hudson öffnete mir die Tür, während sie mir ein freundliches Lächeln schenkte.

,,Ah, Evelyn...schön, dass Sie vorbeischauen. John und Sherlock sind oben.", sagte sie und ich trat ein, während sie die Tür wieder schloss.

,,Danke, Mrs. Hudson."

Dann eilte ich nach oben und betrat das Wohnzimmer. John saß in seinem Sessel und trug seinen Bademantel, während er in der Zeitung blätterte. Er hatte anscheinend eben geduscht, denn auf seinem Haar waren noch Wasserperlen zu sehen und in der Küche entdeckte ich Sherlock, der mal wieder zwischen seinen Reagenzgläsern hockte und in seine Experimente vertieft zu sein schienen. John bemerkte als Erster meine Anwesenheit, denn er hob den Kopf und sah mich überrascht an.

,,Evelyn, was machst du denn hier?", fragte er und nun sah auch Sherlock auf, wirkte aber weniger überrascht.

,,Offenbar schlechte Nachrichten."

,,Woher weißt du das?", gab ich verwirrt zurück und er zuckte mit den Schultern.

,,Ich kenne dich bereits gut genug, um deine Blicke zu deuten. Außerdem wirkst du ziemlich durch den Wind und das kann nichts Gutes bedeuten."

,,Da hast du Recht!", erwiderte ich und John legte die Zeitung beiseite, ehe er aufstand und mich alarmiert musterte.

,,Was ist passiert, Evelyn?"

Ich sah die beiden zögerlich an, während Sherlock nur widerwillig seine Aufmerksamkeit auf mich, statt auf seine Experimente lenkte. Und nach einer Minute der angespannten Stille zwischen uns, schilderte ich schließlich den Grund meines unangekündigten Besuchs.

,,Jim Moriarty...er ist zurück!"

Sherlock - Das Spiel des TodesWhere stories live. Discover now