1. Willkommen In Der Chemiehölle

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Langsam fuhr ich mir mit meinen dünnen Fingern durch jede einzelne Strähne meiner Haare

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Langsam fuhr ich mir mit meinen dünnen Fingern durch jede einzelne Strähne meiner Haare. Sie fühlten sich weich an. Weicher als das Holz, welches ich unter meinen Ellenbogen spürte. Sie fühlten sich leicht an. Leicht, das Wort welches sich jeder in sein Leben ersehnte. Wäre das Leben überhaupt noch lebenswert, wenn es nur leicht wäre ? Ich denke nicht. Denn unser Leben wird von den negativen Momenten und Erfahrungen geprägt damit wir niemals die schönen Augenblicke in unserem Leben als selbstverständlich eines Tages betrachten. Zumindest war es meine Erklärung, warum Gott manchen Menschen von uns ein "anderes" Leben gab, welches nicht gerade viel von dem Wort "Leicht" beinhaltete.
Doch ich denke sowie mein Leben sich noch entpuppen sollte, wurde einfach das Wort Leicht mit "Verwirrend" ausgetauscht. Und es fing alles an dem mit grausamsten Ort der Welt an. Und dieser nannte sich - Schule.

,,Anastasia, hörst du mir überhaupt zu?", hörte ich im Hintergrund den Schall der altgewohnten männliche Stimme des Lehrers, welcher meinen Namen zum zehnten Mal in dieser Stunde falsch aussprach.
Diese Person hatte mindestens fünf Jahre studiert um uns Schülern die wichtigen Dinge im Leben beizubringen, aber schaffte es meist nicht einmal richtig unsere Namen auszusprechen. Wie war so etwas möglich?

,,Natürlich. Meine gesamte Aufmerksamkeit liegt bei Ihrem Unterricht", erwiderte ich mit dem Versuch die Ironie in meiner Stimme zu unterdrücken und schenkte dem Unterricht danach nicht wirklich viel mehr Beachtung als vorher.
Die Natur dort draußen hatte meine Aufmerksamkeit mehr geweckt auch wenn ich sie nur durch die dreckigen Fenster dieses Raumes beobachten konnte. Eine dunkle Wolkenfront zog sich langsam am Horizont zusammen. War für heute Regen angekündigt gewesen ?

Ja, was gab es besseres als an einem Freitag Nachmittag um Vier Uhr noch in der Schule zu sein. Natürlich könnte ich anstelle dessen in meinem gemütlichen Bett liegen, welches zwar bei jeder kleinen Bewegung knackste, aber trotzdem mein größter Schatz auf Erden war. Dazu eine wunderbare heiße Schokolade mit extra viel Sahne plus Marshmallows trinken und Netflix bis in die tiefen Abendstunden gucken. Aber nein, ich denke das wäre zu einfach.

Stattdessen saß ich immer noch zwischen den engen vier Wänden dieses Gebäudes, die schneeweiß gestrichen und mit millionen Plakaten von minderjährigen Schülern bedeckt waren. Vor meinen Augen die grüne Tafel, die gut befüllt war mit Wörtern von weißer bröckeliger Kreide gezeichnet und davor ein sehr alter Mann, der uns Schüler immer wieder belehrte "er sei noch viel zu jung um in Rente zu gehen". Auch wenn ihn niemand danach fragte, er betonte es jede Stunde erneut wie eine Art Grußformel.
Aber ich war nicht die einzige Schülerin in diesen Raum, oh Nein. Ein Junge, der die ganze Zeit Papierkugeln rum warf und dabei Selbstgespräche führte und ein Streber, der eigentlich schon Privatunterricht mit den Lehrer führte, waren meine treuen Begleiter.
Also, Willkommen zu meinen fünften Tag in der Woche - dem Möchtegern-sterben-Freitag wie ich ihn immer nannte...

,,Es kommt mir aber nicht so vor, dass du wirklich bei der Sache wärst. Anscheinend ist die Welt dort draußen interessanter als deine Chemie Nachhilfe", versuchte er mir mit seinen strengen Lehrerton zu vermitteln, doch er wusste ebenso wie ich seine Worte zu dieser Tageszeit aufnehmen würde. Auf der einen Seite rein und zur Anderen wieder heraus.
Um vier Uhr Nachmittag war wirklich Niemand mehr aufnahmefähig zu irgendetwas - besonders nichts für das Schulfach namens Chemie.

The Toilet where we metWhere stories live. Discover now