Neugierig blickte ich über die einzelnen Fotos an der Wand des Wohnzimmers hinweg. Es waren alte Kriegsbilder, sowie teilweise einfache Handmalereien, nichts womit ich also etwas anfangen konnte. Mein Weg führte mich weiter in die Küche, wo meine Augen sogleich aufleuchteten, als mein Blick durch das Fenster, nach draußen fiel. Durch die Scheibe hinweg wedelte der Ast eines Apfelbaums.

Wie von selbst ließ ich die Decke los und schnappte mir einen Stuhl, um auf die Arbeitsplatte zu klettern, da ich das in dem Kleid ohne die hölzerne Hilfestellung nicht schaffte. Auf meinen Knien rutschte ich ein wenig nach vorne, um an den Griff des Fensters zu kommen. Nach mehrfachem Ruckeln und Ziehen bekam ich es endlich auf, sodass ich mich nach draußen beugen konnte. Es war nicht hoch, ganz im Gegenteil, der Boden befand sich beinahe auf meiner Höhe, sodass ich mehr als glücklich darüber war, dass dieser eine Ast sich überhaupt bis nach hier unten verirrt hatte. Mühelos griff ich nach dem schönsten, den ich finden konnte und zog daran. Ich erschrak, hatte nicht erwartet, dass er so stramm an seinem Zweig festhängen würde, sodass ich Rückwerts von der Arbeitsplatte purzelte, als der Apfel endlich nachgab. Mit einem Poltern fiel ich neben den Stuhl, hatte mich jedoch nicht weiter verletzt. Lediglich der Schreck saß mir noch etwas in den Knochen, doch als mein Hauptaugenwerk auf die Frucht in meinen Händen glitt, erhellte sich meine Miene augenblicklich. Schnell rieb ich den Apfel über mein Kleid, bevor sich meine Zähne allerdings auch schon in ihm verfangen hatten.

Genüsslich bemerkte ich erst jetzt, dass ich wie eine Idiotin vor mich hin lächeln musste, als das saftig - süße Erlebnis meinen Rachen hinunter glitt. Ich war erstaunt, was so ein bisschen Fruchtfleisch in mir auslösen konnte, doch ich genoss es einfach weiter, bis... ja bis ich wieder hochschreckte.

„Mia? Was tust du?", vernahm ich Harrys dominante Stimme, während er anscheinend auf der Suche nach der Ursache des Lärms war, den ich eben veranstaltet hatte.

Hektisch schluckte ich hinunter und kletterte von den Fliesen hoch, als sich allerdings bereits eine Gestalt vor mir aufgebaut hatte. Schnell richtete ich das Kleid und blickte nach oben.

„Was hast du da unten gemacht?", fragte er direkt, bewegte sich jedoch keinen Zentimeter weg von mir.

Ich schluckte, bevor ich mich traute, langsam den angebissenen Apfel hinter meinem Rücken auftauchen zu lassen. Schuldig schaute ich auf meine nackten Füße. Ich hatte Angst.. Wovor? Das wusste ich selbst nicht so genau. Ich denke es lag ganz einfach an dem Kerl vor mir. Er schüchterte mich mit allem ein, egal was er tat oder sagte. Nervös blickte ich zu ihm auf. Seine Mimik blieb zunächst verwirrt, bis er von mir hinüber zu dem Stuhl und dann zu dem noch immer offenen Fenster sah. Augenblicklich veränderte sich sein Gesichtsausdruck in ein... Moment? Lächeln?

„Du bist so süß, weist du das überhaupt?", fragte er lachend, woraufhin ich, wer hätte es anders gedacht, sofort wieder nach unten sehen musste. „Hey sieh mich an Baby.", lächelte er weiter, bevor er mein Kinn mit seiner einen Hand nach oben bewegte.

Seine andere hingegen packte sanft mein Handgelenk und zog mich mit an den Tisch. Wie aufs Stichwort meldete sich mein Magen zu Wort, was mir einen weiteren Grund gab, Harry bloß nicht ins Gesicht zu schauen. Tiefes Lachen durchdrang mein Gehör, woraufhin er sich wegdrehte und an der Herdplatte verschwand.

Harry? Am Herd? Mein Verstand verließ mich mehr und mehr.

Anschließend blieb es still vor uns, während ich abwartend mit meinen Fingern spielte. Die Decke hatte ich inzwischen wieder vom Boden aufgehoben und bedeckte damit meine Beine. Ich hatte nicht wirklich den Mut Harry auch nur auf die kleinste Kleinigkeit anzusprechen, doch ich musste. Irgendwie brauchte ich doch einfach mal Klarheit über die Situation, in die ich hier hineingeschlittert war. Mutig richtete ich mich also ein wenig auf und atmete kurz durch, bevor ich das Schweigen brach.

thief of my heart ~stay with me #1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt