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Nachdem die Unfallstelle sich langsam lichtet, ein Krankenwagen an uns vorbeifuhr und mit Blaulicht verschwand, hatten wir uns ratternd wie ein Uhrwerk wieder in Bewegung gesetzt. Langsam setzten sich die Autos in Bewegung und auch bei uns hörte ich wieder das sanfte Brummen des Motors, als wir rollten.

Die kurze Zeit, die sich mir geboten hatte, ihn auszublenden, schwand dahin und immer näher rückte unser eigentliches Ziel und meine Anspannung wuchs. Wie war es überhaupt so weit gekommen?
Ich hatte spaßeshalber an einem Gewinnspiel teilgenommen, mich gegen tausende bildschöne Mädchen durchgesetzt und saß jetzt neben einem Milliardär . Man betonte das Wort spaßeshalber.

Ich konnte die körperliche Anziehungskraft nicht leugnen, die er auf mich ausübte. Meine Libido meldete sich immer wieder und ich schämte mich ein bisschen, dass ich meinen Körper nicht unter Kontrolle hatte. Jedenfalls nicht so, wie es mir angenehm gewesen wäre.
Aiden seufzte erleichtert auf; den gestressten Blick auf seine Uhr zu urteilen nach, lagen wir schon drastisch über der Zeit. Dieser Mann musste aber auch einen vollgestopften Terminkalender haben. Schon ich, als lächerliche Schülerin, hatte während der Zeit, vor allem in einer Klausurenphase, keine Ahnung, weil mein Kopf vor Anstrengung zu zerplatzen schien. Migräne war meistens eine Folge. Tagelange Schmerzen, die kaum auszuhalten waren. Nur eine Schmerztablette wirkte dann wahre Wunder. Okay, wenn ich ehrlich war, plünderte ich die halbe Packung und wäre ich fähig gewesen, Auto zu fahren, Jesus, ich hätte teilweise nicht einmal mehr gerade aus sehen können.

Ich sah ihn heimlich an; den rechten Arm hatte er auf die Mittelkonsole gestützt, während sein Blick über das rege Treiben der Innenstadt glitt.
London lebte, wie eh und jeh.
Eine Frau stieg ein paar Meter vor uns entfernt von ihrem Rad und schrie einen Straßenarbeiter an, der mit einer Schubkarre den Weg versperrte. Sie gestikulierte dabei heftig und schien sich glatt in Rage zu reden.
Daneben besprühte ein junger Mann ein Gebäude mit seinem Graffiti und ergriff die Flucht, als sich ein Polizeiwagen näherte. Überall gab es spannendes zu entdecken. An jeder Hausecke, in jeder Gasse. Um ihn so gut wie möglich zu ignorieren, widmete ich mich diesem Geschehen.
Hör auf an ihn zu denken, murmelte ich in Gedanken, als ich ihn vor meinem inneren Auge sah, leicht bekleidet, wie bei seinen Unterwäschefotos, und den Blick Lust oll auf mich gerichtet. Verdammt , ich biss mir auf die Lippe.
Sein Brustkorb senkte sich unter dem Frack ruhig und gleichmäßig. Ich konnte nicht anders, als mir die trainierte Brust genauer vorzustellen, die sich darunter befinden musste. Das Spiel der Muskeln, leicht von Schweiß bedeckt, wenn er Sport trieb. Er trainierte bestimmt viel. Kraftsport würde ich aus dem Stehgreif tippen. Seine Augen wirkten unter diesen Lichtbedingungen beinahe silbrig, so blau gräulich waren sie.
Ich hätte diesen Mann noch stundenlang beobachten können, war es immer noch surreal in seiner Nähe zu sein.

»Mister Hamingstone, ein Telefonat für Sie. Ich stelle durch«, verkündigte auf einmal Xander, durch die Sprechanlage. Aidens Smartphone vibriert daraufhin und er zog es aus seinem Frack und meldete sich, wobei mir wieder das sanfte dunkle Vibrieren in seiner Stimme auffiel.
»Hamingstone?«
Er warf mir einen kurzen Blick zu, der mich anwies, ruhig zu sein.

Ich hörte leise Stimmen plappern, aber es war zu leise und der Motor unseres Wagens zu laut, um auch nur einzelne Gesprächsfetzen zu erkennen. Das einzige, was mir aber auffiel, war sein Gesichtsausdruck, der kurz abglitt, als er über irgendwas in Gedanken schwelgte. Seine Augen wirkten glatt leer dabei.
Es wäre natürlich auch unverschämt gewesen, zu lauschen, ganz abgesehen davon, dass hier womöglich irgendwelche Geschäftsgeheimnisse ausgetauscht wurden, aber ich machte mir auch wieder bewusst, dass ich neben dem Aiden Hamingstone saß. Jüngster Milliardär, wie es das Times Magazin verkündet hatte . Die Projekte, die er und seine Familie bereits verwirklicht hatten, waren bahnbrechend. Neben Hamingstone Industries, deren Tätigkeit ich bereits wieder vergessen hatte, hatte er eine Automarke erfunden, Hamer, die vor allem im Ausland, in Amerika und in China gern gefahren wurde, weil sie sich durch elitäre Eleganz aber auch Effizienz auszeichnete ; jedenfalls hatte mir das Internet diese Informationen ausgespuckt. Das hatte ich mir in aller Nervosität merken können.
Ein bisschen Vorbereitung gehörte schließlich dazu. Es war seltsam neben ihm zu sitzen, ihn prinzipiell berühren zu können, war er doch so unnahbar. Das war für mich, als ob ich nur für eine Millisekunde Teil dieser Welt war, gleich Backstage mit einem Superstar redete oder bei den Oskars in der ersten Reihe saß und eine Rede auf mich gehalten wurde. Allerdings wurde mir auch seine Menschlichkeit schwer bewusst.
Er war auch nur ein Mensch.

Days Of PleasureWhere stories live. Discover now