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»Nein, du auch?«, lachte Elli, als sie am späten Abend anrief und ich von meinen Plänen berichtete, am Gewinnspiel des Jahres teilzunehmen.
Nachdem ich mir die Teilnahmebedingungen ein weiteres Mal durchgelesen hatte und dem Hashtag #Hamingstone gefolgt war, war ich überrascht, wie viele Videobewerbungen die Daily bereits über Instagram erhalten hatte. Tausende begeisterte Frauen - und nur dieses Geschlecht - tummelten sich dort, flehten um den Gewinn, indem sie mit falschen Brillengestellen den Redakteuren vorgaukeln wollten, sie besäßen auch nur einen Funken Intelligenz.
Es wunderte mich auch tatsächlich nicht.
Aiden Hamingstone besaß beinahe alles, was die moderne Frau begehrte.
Er war unverschämt attraktiv und mit einem Lächeln gesegnet, das seine weißen Zähne, mit denen er in der Vergangenheit, in den Anfängen seiner Karriere, bestimmt schon einmal Zahnpasta-Werbung betrieben hatte, perfekt hervorbrachte und das weibliche Geschlecht in Scharen zum Schmelzen brachte.
Wäre er dann wenigstens normal vermögend, wäre er erträglich, aber zu allem Übel war er auch noch so reich, dass er sich jeden Abend eine andere Celebrity-Tusse angeln konnte, geschweige denn mehrmals am Tag, ohne sich deren Namen merken zu müssen. Man nahm es ihm einfach nicht übel. Von seinen
Protz-Karren gar nicht erst angefangen. Er war ein Frauenmangnet durch und durch und, sollte sich seine finanzielle Situation erst einmal nicht ändern, würde er es auch bleiben, bis er seinen letzten Atemzug auf diesem Planeten tat. Selbst mit siebzig Jahren würden seine Ladys die Hälfte seine Alters haben und gute Miene zum bösen Spiel aufsetzen, während sie in Wahrheit hofften, dass er baldmöglichst krepierte.
Wieso hatte ich gehofft, dass es auch Menschen gab, ohne Geld, die mich trotzdem genauso faszinieren konnten, wie er es tat?

Ich streckte die Beine auf dem Sofa aus, als ich bemerkte, dass ich in Gedanken wieder abgedriftet war und antwortete: »Ja, ich dachte mir, ich erlaube mir den Spaß. Damit ich später einmal sagen kann, ich habe es wenigstens versucht. Selbst wenn ich dann kläglich gescheitert bin. Du weißt schon, no risk no fun und so weiter.«
»Das Video will ich dann aber unbedingt sehen. Das wird bestimmt cringy as fuck sein.«
»Wenn's dich glücklich macht.«
»Du musst es mir versprechen«, betonte meine Freundin noch einmal ausdrücklich und so blieb mir keine andere Wahl.
»Versprochen, Ell.«
»Okay, damit gebe ich mich zufrieden«, seufzte sie, »Aber kannst du dir vorstellen, dass Jay heute versucht hat mehr über deine Beziehung zu Sawyer zu erfahren?«
»Wenn man das überhaupt Beziehung nennen konnte.«
»Egal. Aber kennt doch den Girlcode. Ich würde ihm nie etwas verraten, was du nicht freiwillig und in seiner Anwesenheit herausrückst. Aber Jay war fast ein wenig penetrant.«
Ich dachte an unsere letzte Begegnung und mir lief ein Schauer den Rücken hinab. Nie hätte ich mir ausgemalt, ihn jemals mit solchen Augen zu sehen.
Schließlich war er seit ich Denken konnte, Teil meines Lebens, enger Freund und Vertrauter gewesen, aber sein Verhalten im Moment erschütterte mich. Das war nicht die Person, die ich so gerne hatte.
Dass er mich gut leiden konnte, vielleicht sogar auf einer romantischen Ebene, war mir schon öfter aufgefallen, aber ich hatte es nie angesprochen, weil mir klar gewesen war, dass ich ihm gegenüber zu mehr als Freundschaft nicht im Stande war. Ich jedenfalls wollte unsere Freundschaft für nichts in der Welt auf das Spiel setzen.
Jayden war mein Freund, nicht mehr und viel wichtiger auch nicht weniger. Aber jemanden, den ich schon so innig kannte, konmte ich einfach nicht auf diese Art und Weise anschauen.

Mein Sonntag Morgen hatte sich bisher eigentlich als sehr verschlafen erwiesen, aber an diesem speziellen Sonntag klingelte mitten in der Nacht mein Telefon.
Ich riss erschrocken die Augen auf und brauchte einen kurzen Augenblick, um mich zu besinnen, bevor ich nach meinem Handy tastete. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis ich mir das kalte Display gegen das Gesicht hielt. Ich hatte natürlich nicht nachgeschaut, wer mich um diese gottverdammte Zeit anrief, weil meine Motivation selbst dafür nicht reichte.
»Ja ?«, gähnte ich und hielt mir eine Hand vor den Mund, weil ich mich besann, dass es absolut keine Manieren waren, jemanden anzugähnen.
»Ich bins. Elli.«
Elli klang verstört, aber nicht verstört genug, um den Anruf in der Nacht zu rechtfertigen.
»Was ist?«, murrte ich also und strich mir über die Augen.
»Jay ist zutraulich geworden.«
»Wie bitte?«, schlagartig war ich wach und lehnte mich gegen die kühle Zimmerwand.
»Wir waren gerade etwas trinken und auf dem Heimweg hat er mich geküsst. Nicht, dass ich ihm irgendwelche Zeichen gegeben hätte. Es war etwas seltsam. Sehr sehr seltsam. Aber gut.«
»Gut?«, wiederhole ich fassungslos. Wie oft hatte mir Elli klargemacht, dass Jay, unser Jay mit seinen großen Augen, so absolut nicht ihr Typ war. Dass er in der Friendzone steckte und die auch nie verlassen würde.
»Ja. Tatsächlich. Aber du weißt ja selbst, dass Jay in der Vergangenheit nicht unbedingt was anbrennen hat lassen. Aber dann hat er den Bogen überspannt.«

Days Of PleasureWo Geschichten leben. Entdecke jetzt