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Jeder verstand etwas anderes unter einem »Wochenende« und dem Tag danach, für mich aber bedeutete es schlichtweg den Typen aus dem Schlafzimmer - oder wo auch immer er sich gerade aufhielt - meiner Mutter herauszudrängen. Er hatte sie die ganze Nacht beschäftigt und natürlich war weder auf mich noch auf Liam irgendwie Rücksicht genommen worden. Ich hatte wie immer alles gehört und ich konnte selbst nicht nachvollziehen, wieso ich eigentlich noch immer bei ihr wohnte. Vielleicht, weil egal was sie tat, sich noch immer meine Mum war und ich sie liebte, auch wenn sie mir das gegenüber nicht unter Beweis stellte.
Ich war mir nicht sicher, ob sie überhaupt noch unterschied, zwischen "unter der Woche" und dem Wochenende.
Ich bürstete mir meine Haare, ein schwarzer lockiger Haufen, damit man mir nicht nachsagen könnte, ich würde keinen Wert auf mein Äußeres legen. Dann schlüpfte ich in eine schlichte schwarze Jeans und eine schulterfreie Bluse, bevor ich mir den Rucksack griff und die Treppe in das Esszimmer hinunterlief. Ich griff in den Geldbeutel meiner Mutter und zog ein paar Scheine heraus, die ich mir mit einem flüchtigen Blick in die Hosentasche steckte. Wenn sie schon kein Interesse zeigte, einkaufen zu gehen, damit ich nicht verhungerte, musste ich mich halt selbst versorgen. Natürlich auf ihre Kosten, aber das schuldete sie mir schließlich, redete ich mir ein.

Jetzt begann allerdings erst der unangenehme Teil meines Montags, der wohl unangefochten der sowieso schon unnötigste Tag der Woche war. Ich schlüpfte in meine Sandalen und zog mir eine dünne Jacke über; langsam bewegte ich mich auf das Schlafzimmer meiner Mutter zu. Ich stieß die Tür auf und sofort umgab mich stickige Luft. Abgestande, durchatmete Luft, die mich beinahe zum Würgen brachte. Ich riss die Vorhänge auf und lächelte boshaft, als ein Sonnenstrahl meine Mutter blendete, die sich nicht gerade elegant an den nackten Oberkörper eines deutlich jüngeren Mannes geklammert hatte. Sie gab ein mürrisches Grunzen von sich, ließ ihn los und drehte sich zur Seite. Ich stiefelte um das Bett herum und tippte ihn kurz an der Schulter an, bevor ich ihm mit einem Ruck die Decke entzog. Zum Glück trug er wieder eine Boxershorts und der Anblick seines besten Stücks blieb mir erspart. Er riss die Augen auf und starrte mich erschrocken an. Er war vielleicht Anfang zwanzig, mittelmäßig attraktiv und eher schlank gebaut. Normalerweise vögelte meine Mutter nur deutlich muskulösere Typen, somit war es mir ein Rätsel, was sie an ihm so anziehend gefunden hatte.
»Wer bist du denn?«, stammelte er schlaftrunken und setzte sich ruckartig auf. Seine Überraschung konnte er auch jetzt nicht verbergen. Hatte er überhaupt ein Wort mit meiner Mutter gewechselt, bevor sie wie wilde Tiere über einander hergefallen waren?
Langsam strich er sich benommen eine braune lange Haarsträhne aus dem Gesicht. Seine braunen Augen waren zu ausdruckslos, als das sie mich hätten reizen können. Sie erzählten keine Geschichte, waren leer.
»Die Tochter«, erwiderte ich nur verhalten und reichte ihm mit angewidertem Gesichtsausdruck sein Hemd, das aufgeknöpft am Boden lag. Ein Knopf war wohl im Eifer des Gefechts abgerissen, denn an einer Stelle klaffte ein kleines Loch. Er griff danach und schlüpfte auch in die Hose, die am Boden zusammengeknüllt lag.
»Alice, ich wusste nicht, dass du eine Tochter hast«, wandte er sich an meine Mutter, die im Halbschlaf die Hände nach ihm ausstreckte. Sie öffnete ihre Augen und stieß einen Fluch aus. Erst jetzt fiel mir die leere Flasche am Nachttisch auf und der Fleck der auf der Bettwäsche prangte. Ich zog den Reißverschluss auf und zog sie ab, schmiss sie in die Ecke ihres Raumes, der von Dreckwäsche überquoll. Dann griff ich nach der Flasche, zog sie an meine Lippen und erkannte den Geruch von Schnaps.
Ich drehte mich zu ihrem OneNightStand und zischte bissig: »Meine Mutter muss jetzt in die Arbeit. Ich fände es großartig, wenn sie nicht schon am Montag zu spät kommt. Also raus hier, falls sie einen Befehl brauchen.«
Ich war bereits im Türrahmen, als ich mich noch einmal umdrehte, ihm direkt in seine Augen sah und hinzufügte: »Ihr Name ist übrigens nicht Alice.«

Ich konnte mich nicht mehr an den Tag erinnern, an dem sie nicht vollkommen benommen neben einem Fremde aufgewacht war. Wenn ich mich recht entsann, hatte es so einen Tag noch nie gegeben. Seit sie sich von Dad getrennt hatte, weil ihrer Meinung nach, »die Luft raus war«, kam ihr schändliches Dasein einer Hure gleich. Sie wusste auch, dass ich sie als solche sah.
Ich ließ die Tür ins Schloss fallen und stieg in den Wagen, der vor unserem Haus bereits wartete. Jay trat im Leerlauf auf das Gaspedal und ließ den Motor aufheulen, als ich mich in das Leder fallen ließ. Ich beugte mich zu ihm und er zog mich in eine kurze Umarmung.
»Danke, Jay«, sagte ich kraftlos.
Ich wollte ihn nicht mit meinen Problemen belasten, das schien mir einfach zu ungerecht. Aber er durchblickte meine Täuschung recht schnell.
Seine grünen Augen musterten mich verschmitzt, als er fragte: »Harter Morgen?«.
Ich nickte und lehnte mich zurück, während er die kleine Straße hinunterfuhr. Er lenkte den Wagen geschickt durch die Straßen; während der Fahrt sprachen wir keinen Wort und ich war dankbar, dass er mir sie Ruhe zugestand, bevor der Sturm begann. Wir suchten uns einen Parkplatz und ich stieg aus. Das weiße Gebäude ragte vor mir auf und ich schulterte ohne wirkliche Begeisterung meinen Rucksack. Jeder Schritt fiel mir schwer und ich hakte mich an Jays Arm unter, der mir brüderlich den Arm um die Schultern legen wollte.

Ich grinste ihn an und lehnte mich gegen ihn, als wir die Kantine betraten und Elli aufsprang und auf mich zustürmte.
»Du tust ja beinahe so, als hättest du mich Ewigkeiten nicht gesehen«, lachte ich, als sie mich mit ihrer wilden Gefühlsbekundung beinahe zerquetschte.
»Ein Wochenende ist eine halbe Ewigkeit«, erwidert sie und ließ von mir ab.
»Wenn man nach der Rechnung deiner Mutter vorgeht, immerhin mindestens drei Typen«, kicherte sie, bis sie mein gequältes Gesicht sah.
»War wohl noch zu früh. Sorry, Hills.«

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Jetzt würde mich interessieren wie ihr das erste Kapitel gefunden habt? Irgendwelche Verbesserungsvorschläge? Kritik?

Ich dachte mir, dass ich jetzt auch einmal in dieses Genre schnuppern möchte und zum Teufel ich freue mich auf Feedback 🔥😏

Days Of PleasureWhere stories live. Discover now