51 | Sein wahres Gesicht

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»Becca, du musst herkommen, bitte. Alec dreht wieder durch. Es ist meine Schuld. Ich hätte... ich wollte... Dad hat...«

»Was? Warte, Caleb, ich verstehe nichts.« Mein Magen zieht sich zusammen.

»Du bist die Einzige, die ihn beruhigen könnte. Er dreht vollkommen durch. Ich glaube, er will ihm etwas antun. Es ist meine Schuld. Ich hätte nichts sagen dürfen.«

»Caleb, beruhige dich. Ich weiß nicht, was los ist, aber ich bin in zwanzig Minuten da. Früher schaffe ich es nicht. Versteck dich bis dahin irgendwo. So wie beim letzten Mal, erinnerst du dich? Versprichst du mir das?«

Er antwortet nicht. Ich höre nur wieder dieses laute Gepolter und dann höre ich Mrs. Moranis aufschreien. »Alec! Alec!«

»Caleb! Versprich es mir!« Panik schnürt mir die Kehle zu.

»I-ich verspreche es.«

Das ist alles was ich brauche. Ich schnappe mir meine Sachen und sage Aaron und Loreen, dass sie, falls jemand fragen sollte wo ich bin, sich etwas passendes einfallen lassen sollen. Bevor die beiden antworten können, bin ich schon aus der Mensa raus. Ich habe nicht mal genug Zeit um mir meine Jacke anzuziehen, stattdessen renne ich durch das Schulgebäude. Irgendein Lehrer ruft mir zu, dass in den Schulgängen nicht gerannt wird, aber ich renne einfach weiter, reiße die Tür auf und laufe in Rekordzeit über den Schulhof. Ich renne so schnell wie noch nie in meinem Leben. Kalte Luft schlägt mir ins Gesicht und treibt mir Tränen in die Augen, aber ich renne immer weiter zur Bushaltestelle.

Eine Viertelstunde später springe ich aus dem Bus und laufe auf das Haus der Moranis zu. Es ist nicht das erste Mal, dass ich diese Straße hochlaufe, aber es ist das erste Mal, dass ich das Gefühl habe, ich müsste mich jeden Augenblick übergeben. Mein Magen krampft sich bei jedem Schritt zusammen, bis ich schließlich vor der Haustür stehe. Ich überlege gerade, ob ich klingeln soll, als die Tür aufgeht und Caleb verängstigt den Kopf heraussteckt. Er sieht mich an und dann bemerke ich, dass er geweint hat. Ohne darüber nachzudenken, stürze ich nach vorne und nehme ihn in die Arme. Ich drücke ihn so fest an mich, als hinge mein Leben davon ab. Er zittert in meinen Armen, schnieft und vergräbt sein Gesicht an meiner Brust.

Schließlich löse ich mich von ihm und nehme sein Gesicht zwischen meine Hände. Mein Blick wandert prüfend über ihn, während ich ihm beruhigend über die Wange streiche. Dann fällt mir sein angeschwollenes Auge auf. Es sieht aus, als wäre es erst gerade eben passiert. »Woher hast du das blaue Auge, Caleb? Was ist passiert?«

Er antwortet nicht. Plötzlich erinnere ich mich an etwas. Ich greife sanft nach seinem Arm, ziehe seinen Ärmel hoch und sehe die blauen Flecken, die ich vor einigen Monaten zum ersten Mal an ihm entdeckt habe. Er wollte mir damals nicht erzählen wer ihm so etwas angetan hat. Ein seltsames Gefühl beschleicht mich. Ich sehe Caleb wieder an, suche in seinen Augen nach einer Antwort, aber er weicht meinem Blick nur aus. 

»Wohnzimmer«, sagt er schließlich. »Du musst ins Wohnzimmer. Alec dreht durch.«

Er nimmt meine Hand und zieht mich hinter sich her. Ich lasse die Tür hinter mir ins Schloss fallen und zucke zusammen, als ich schon im Flur die lauten Stimmen und Mrs. Moranis' Wimmern wahrnehme. 

»Alec, lass das! Du bringst ihn noch um! Ich rufe die Polizei, wenn du nicht sofort aufhörst!«

Am liebsten würde ich die Augen schließen und einfach nicht hinsehen, aber als ich schließlich im Wohnzimmer stehe und das Szenario mitansehe, kann ich einfach nicht mehr wegsehen. Alec sitzt auf seinem Vater, der auf dem Boden liegt und aus Mund und Nase blutet. Mr. Moranis lacht seinem Sohn ins Gesicht, während Alec die Faust hebt um noch einmal zuzuschlagen. Mrs. Moranis steht nur mit offenstehendem Mund völlig verängstigt daneben und versucht auf Alec einzureden, aber der scheint sie gar nicht wahrzunehmen. Er wirkt wie besessen.

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