51 | Sein wahres Gesicht

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• Skillet - Comatose •    

»Und? Wo ist dein Loverboy jetzt? Wieder an der Uni?« Loreen stupst mich an, während Aaron in seinem Essen herumstochert und mir ein Grinsen zuwirft. 

Die Schule hat inzwischen wieder angefangen. Heute ist Freitag und die erste Woche dieser Hölle habe ich schon fast hinter mir. Es fühlt sich seltsam an, wieder hier zu sein und wieder mit den alltäglichen Problemen eines Teenagers zu kämpfen. Probleme wie Mitesser, Noten und Partys.

Nach allem was in den Ferien passiert ist und nach allem was Alec mir über seine Vergangenheit erzählt hat, kommen mir diese Sorgen, die ich und jeder andere in meinem Alter hat, so nichtig und lächerlich vor. Aber es sind Probleme, die zum Erwachsen werden dazugehören. Ich frage mich, ob Alec sich jemals um solche Dinge Gedanken gemacht hat.

Mein Blick fällt immer wieder zu Sara, die am anderen Ende sitzt und mir ab und zu seltsame Blicke zuwirft. Seit ich Alecs Geschichte gehört habe, sehe ich sie mit anderen Augen. Es ist irgendwie seltsam zwischen uns geworden. Früher habe ich sie einfach nur nicht leiden können, aber ich weiß nicht mehr, was ich von ihr halten soll.

»Erde an Becca.« Loreen wedelt mit ihrer Hand vor meinem Gesicht herum und als ich nicht sofort reagiere, dreht sie sich um und folgt meinem Blick, bis sie schließlich Sara sieht, die hastig den Blick abwendet. Loreen dreht sich wieder zu mir und sieht mich an. »Alles okay? Hat sie in letzter Zeit irgendetwas Dummes zu dir gesagt? Oder ist es wegen Alec?«

»Nein, nein. Mit Alec läuft es super«, sage ich und lächle. Und es stimmt. Die letzten Tage der Winterferien hat er fast immer bei mir Zuhause verbracht. Er hat sich meinem Vater anständig vorgestellt, meiner Mutter oft in der Küche geholfen und den Rest der Zeit mit mir verbracht. Wir haben so viel aneinander gehangen, dass es fast schon ungesund ist. Manchmal sind wir mit Caleb in den Park oder in die Stadt gegangen, manchmal sind wir zu zweit ins Kino oder einfach nur mit seinem Auto rausgefahren und manchmal lagen wir einfach nur stundenlang in meinem Bett. Es war viel zu schön um wahr zu sein, so schön, dass ich dachte ich würde träumen.

Sogar Caleb kam ab und zu bei mir vorbei. Ich glaube, meine Mutter hat den Kleinen noch mehr ins Herz geschlossen, als es bei Alec schon der Fall ist. Sie war so entzückt von ihm, dass sie ihn gar nicht mehr gehen lassen wollte. Aber das ist nur verständlich. Caleb hat Charme, auch wenn er noch so jung ist. Eines Tages wird er noch zum richtigen Mädchenschwarm, da bin ich mir sicher.

»Wir...« Gerade als ich weiterreden möchte, klingelt mein Handy. Ich fische es aus meiner Hosentasche und sehe nach dem Namen auf meinem Display. Es ist die Nummer der Moranis'. Ob Mrs. Moranis etwas möchte? Oder Mr. Moranis? Ob etwas Schlimmes passiert ist?

Ich schlucke schnell den Bissen runter, den ich noch im Mund habe, nehme den Anruf an und sage dann: »Hallo?« 

Keine Antwort. Ich höre es Rascheln und dann etwas Zerbrechen. Jemand atmet laut in den Hörer. Das Ganze erinnert mich an diese lächerlichen Scream-Filme. Wenn ich nicht so besorgt wäre, würde ich vielleicht lachen, aber das Lachen bleibt mir im Hals stecken. Ich habe ein ungutes Gefühl. »Hallo?«  

»B-Becca?« 

Es fühlt sich an, als stünde ich in einer Art Trance. Mein Mund öffnet sich nicht, obwohl ich antworten möchte. Ich höre Stimmen im Hintergrund. Geschrei und Gebrüll, aber ich kann nicht verstehen wer da spricht, geschweige denn was gesagt wird.  

»B-Becca, bist du da? Bitte sag etwas. Ich habe Angst.«

»Caleb?«, frage ich, als ich meine Stimme endlich wiederfinde. Ich erstarre und sehe dann meine beiden besten Freunde an, die mir gegenübersitzen und mich stirnrunzelnd mustern. 

BadassWo Geschichten leben. Entdecke jetzt